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"Fika"
Kaffeehaustour durch Östersund in Mittelschweden

Kaffee ist in Schweden eine Art Nationalgetränk. Kaum verwunderlich also, dass sich aus der Begeisterung für die bitteren Bohnen ein ganz eigener Lebensstil entwickelt hat, die "Fika". In Schweden hat sie eine ähnliche Bedeutung wie der "5-Uhr-Tee" in England.

Von Thomas Samboll |
    Café im Bezirk Södermalm am Nytorget in Stockholm
    "Fika"-Stunde in einem Café in Stockholm. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Es ist Sonnabend Nachmittag bei "Törners" in der Storgatan, Östersunds Hauptstraße. Wer jetzt noch einen Platz in einer der ältesten Konditoreien der Kleinstadt rund 500 Kilometer nordwestlich von Stockholm ergattern will, muss verdammt viel Glück haben. Alte Leute, junge Paare, Familien mit Kindern - in der einfachen Gaststube herrscht das pralle Leben. Es ist "Fika-Stund" bei "Törners" - Kaffeestunde auf schwedisch.
    An einem der vielen kleinen Tische genießt auch Manne Most seine "Fika". Manne ist Experte für schwedische Ess- und Trinkkultur, eine Art "Küchen-Papst" von Östersund. Also genau der Richtige, um mehr über die "Fika" zu erfahren:
    "Es gibt eigentlich keine richtige Übersetzung für das Wort ‚Fika'. Wahrscheinlich ist es ein alter Slang und kommt von 'Fik', das ist ein Café. Manche übersetzen es mit Kaffeetrinken oder Kaffeepause. Aber das viel zu einfach. Die 'Fika', das ist ein soziales Ereignis, ein Gemeinschaftserlebnis für dich und deine Freunde. Du kannst aber auch deine Geschäftspartner fragen: Wollen wir uns um zwei zu einer 'Fika' treffen? Das ist nicht ganz so förmlich. Und dann redet man nicht nur über das Geschäft, sondern über alles Mögliche."
    Mehrmals täglich eine Kaffeepause
    Die "Fika" ist der ungezwungene Rahmen, in dem man sich trifft in Schweden, egal ob zuhause, im Büro oder im Cafe, ob mit Freunden, mit der Familie oder Kollegen. Eine kleine Auszeit, die man sich traditionell im hohen Norden gern mehrmals am Tag gönnt, lacht Manne:
    "Den Kaffee am frühen Morgen nennen wir 5-Uhr-Kaffee. Bevor man also rausgeht und die Kühe melkt, gibt es erst mal Kaffee. Um 9.00 Uhr gibt es den Frühstücks-Kaffee. Kurz vor dem Mittagessen folgt dann der 11-Uhr-Kaffee. Nach dem Mittag kommt der 2-Uhr-Kaffee, und später gibt es dann noch mal den Kaffee zum Feierabend. So eine Fika-Stunde kann zehn Minuten dauern oder auch eine halbe und sogar eine ganze Stunde. Man isst ein Sandwich, knabbert einen Keks oder gönnt sich ein Stück Kuchen."
    Das mit dem Essen ist allerdings Nebensache, erklärt Manne. Hauptsache, man sitzt zusammen, klönt ein bisschen und genießt den Augenblick. Trotzdem kann es vorkommen, dass man als Gastgeber einer "Fika" ganz schön ins Schwitzen kommt. Gerade in ländlichen Gegenden gilt nämlich noch heute das Gebot, dass dazu mindestens sieben Sorten Backwaren gereicht werden müssen. In Konditoreien wie bei "Törners" ist das natürlich kein Problem: Hier gibt es jede Menge "Fikabröd" - wozu eben nicht nur Brot, sondern auch diverse Torten, Kuchen und selbst Pralinen gehören. Manne hat sich für die Spezialität des Hauses entschieden - deren Name an Pippi Langstrumpf-Geschichten erinnert.
    "Sie heißt Kilivipp. Das ist schon ein sehr merkwürdiges Wort, auch auf schwedisch: Schil-lewipp! Ein Fantasie-Wort ohne Bedeutung. Ein typisches Gebäck aus Eiweißschaum, Sahne, Eiscreme, Banane und Schokolade. Es sieht aus wie ein großer Ball. Und innen ist es sehr fluffig, typisch Kilivipp!"
    Die "Fika" im Wandel
    Mit etwas Glück bekommt man in Östersund zur "Fika" auch Livemusik geboten. Im Steh-Café von Tommy Johnsson zum Beispiel, nur ein paar Häuser weiter. Tommy verkauft nebenbei nämlich auch noch Zigarren. Die leeren Kisten bringt er dann zum Klingen - und baut daraus kleine Gitarren. Zur Freude seiner Gäste.
    Doch nicht nur das macht Tommys Café anders. Hier gibt es die trendige "Fika", so wie sie auch in den großen Städten angesagt ist. Also nicht immer den gleichen Brühkaffee, das gleiche Gebäck, das gleiche Sandwich, erklärt Manne. Sondern zum Beispiel handgemachte Safran-Pralinen, und:
    "Heute kann man seine ‚Fika' auch italienisch genießen, mit einem Espresso. Oder wie hier bei Tommy mit Kaffee aus lokalen Rösterien. Außerdem hat er unzählige Sorten Tee. Und italienische Sandwiches mit Panini und Ciabatta-Brot. Den Trend gibt es so seit den 1990er Jahren."
    So richtig schön altmodisch und plüschig geht es dagegen noch im Café "Wedemarks" zu, mit knarrendem Holzfußboden, einem kleinen Springbrunnen mit Goldfischbecken und Gardinen vor den Fenstern. Auch hier herrscht Hochbetrieb, "Fika-Rushour" sozusagen. Inklusive Staus: Vor einer Art Wasserhahn hat sich nämlich gerade eine kleine Warteschlange gebildet. Alles Kaffeedurstige, verrät Manne. Im "Wedemarks" gibt es nämlich tatsächlich Kaffee frisch gezapft.
    "Der Kaffee kommt durch eine spezielle Leitung direkt aus der Küche, wo er frisch gekocht wird. Und jeder dann kann soviel nachzapfen und trinken, wie er will."
    Es geht um die Gesellschaft
    Berühmt ist das "Wedemarks" aber in ganz Schweden für sein ganz besonderes "Fikabröd". Das eigentlich eine Torte ist. Oder besser: Wie Schwarzwälder-Kirsch aussieht, aber Butterbrot samt Belag enthält. Eben eine "Sandwich-Torte."
    "Da drin stecken drei Schichten Weißbrot, die Füllung besteht aus einer Käse-Creme, und belegt ist sie mit Lachs, Garnelen, Krabben, Tomate, Gurke, Zitrone, Dill - und einer kleinen Weintraube. Do you like it?"
    Ja, die Sandwich-Torte schmeckt wirklich klasse. Sie ist allerdings eher etwas für die ganz besonderen "Fika"-Momente, meint Manne:
    "Die Sandwich-Torte isst man eher am Sonnabend oder Sonntag, sie ist schon ein bisschen luxuriöser. Sie kommt oft zu feierlichen Anläßen wie Geburtstagen auf den Tisch, oder auch ganz einfach, wenn man seine Freunde oder Nachbarn zu Besuch hat."
    Nach soviel geballter Fika-Kultur mit Sandwich-Torte, Kilivipp, Safran-Pralinen und unzähligen Tassen Kaffee ist es nun aber Zeit für eine "Pause von der Kaffeepause". Schließlich gibt es ja auch bald schon wieder Middag, das schwedische Abendbrot. Und die "Feierabend-Fika". Dann wird gemütlich weitergeklönt, garantiert. Wie hatte Manne doch so schön gesagt:
    "Das mit dem Essen und Trinken ist doch eigentlich Nebensache. Es geht darum, was Du tust. Und es ist einfach schön, seinen Kaffee oder Tee in Gesellschaft zu trinken."