Archiv

Film als Langzeitspeicher
Daten für Jahrhunderte

Weil USB-Speicher, Festplatten und CD-ROMs nicht ewig halten, suchen Forscher nach Alternativen. Die Firma FilmoTec in Wolfen nutzt Filme als langlebige Datenspeicher. Heute passen bereits 120 Gigabyte auf eine Rolle, künftig soll es über ein Terabyte werden. Zu den Kunden zählt eine brasilianische Bank.

Von Max Brose |
Filmrolle
Auf analogen Filmrollen werden riesige Datenmengen sicher und für lange Zeiträume archiviert (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn)
An die einst weltbekannte ORWO-Filmfabrik in Wolfen erinnert ein Schriftzug an ihrer früheren Werkhalle. Neben einem Fotofilmhersteller arbeiten hier heute gut 20 Angestellte für die Spezialfilmfirma Filmo Tec. Ihre Kunden seien International, erzählt Rainer Redmann, der hier der Chef ist. Der neueste ist die Itaú-Bank – Brasiliens größte Privatbank.
"Und die hat sich für unser System entschieden. Die wird jetzt also künftig ihre gesamten Informationen, die sie von den Kunden hat, auf unser System nehmen."
Dieses System hat Filmo Tec mit einer norwegischen Firma entwickelt. Sie speichern digitale Daten als mikrometergroße Pixel auf analogen schwarz-weiß Archivfilmen, die Filmo Tec herstellt.
"Und nun geht’s eigentlich darum, dass wir dieses Produkt auch weiter verbessern. Und um hier Weiterentwicklung durchführen zu können, arbeiten wir mit dem Fraunhofer-Institut in Halle zusammen."
Daten für Jahrhunderte sichern
Am Fraunhofer Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen erforscht Nico Teuscher diese analogen Archivfilme. Für ihn sind sie eine dringend notwendige Alternative zu digitalen Speichermedien.
"Wir wollen ja nicht die Dinge, die wir jetzt festhalten, in hundert Jahren nicht mehr lesen können, weil sich irgendein Format geändert hat. Deshalb sind wir dran, auf sogenannten analogen Medien Daten sicher für mehrere hundert Jahre speichern zu können."
Ganz einfach ist das nicht. Zwar sind die Archivfilme in einem norwegischen Stollen unter optimalen Bedingungen katastrophensicher gelagert. Doch auch tief unter der Erde halten sie nicht ewig:
"Es darf auch während der Lagerdauer nicht zu Ablösungen der einzelnen Schichten kommen. Also müssen Schichten am Grundträger des PET sehr gut haften und das eben über einen längeren Zeitraum."
Auf dem Grundträger aus PET – einem Kunststoff, aus dem auch Plastikflaschen bestehen – liegt eine Gelatineschicht. Doch die stoße den PET-Träger eigentlich ab, erklärt Nico Teuscher. Damit Gelatine und Kunststoff dennoch aneinanderkleben, modifizieren die Forschenden ihre Oberfläche mit Hilfe von Plasmablitzen, also mit elektrischen Entladungen, wie man sie von Gewittern kennt.
"Wenn ein Blitz einschlägt, was man da sieht, das ist ein Plasma. Und mit solchen Plasmen kann man Oberflächen behandeln. Nur allein das Plasma, damit geben wir uns nicht zufrieden."
Zusätzlich leiten die Forschenden fein zerstäubte Flüssigkeiten und Gase auf die Schichten, damit die sich dauerhaft verbinden. Aber auch ungebetene Gäste bedrohen die Spezialfilme:
"Im Lagerprozess darf es nicht zu bakteriellem oder Pilzbefall kommen. Denn dann kann man sich gut vorstellen: Ein Bakterium oder ein Pilz mag eine Gelatineschicht als Nahrungsgrundlage höchst gern."
Giftige Chemikalien ersetzen
Vor diesen Schädlingen schützen viele Hersteller ihre Filme mit der Chemikalie Phenol. Das bringt aber Nachteile mit sich, weiß Filmo-Tec-Geschäftsführer Rainer Redman aus eigener Erfahrung:
"Phenol ist sehr giftig und ist aggressiv. Wir selbst hatten auch einen Unfall mit Phenol, das ist dann sehr, sehr kritisch. Das verätzt die Haut total. Jegliche Veränderung weg vom Phenol ist - vom Umweltschutz her - unglaublich wichtig."
Denn das giftige Phenol kann auch Ökosysteme nachhaltig schädigen. Deshalb will Filmo Tec die Substanz bis zum nächsten Jahr ersetzen. Eine Alternative dafür hat Nico Teuschers Team in der Natur gefunden:
"Hier wollen wir die Phenole ersetzen durch biologische Systeme. Wir wollen hier beispielsweise Oregano oder Thymian-Öl zum Einsatz bringen."
Erste Versuche zeigen, dass solche ätherischen Öle Bakterien und Pilze effektiv abtöten, ohne den Archivfilm zu trüben. Die Filme sollen aber nicht nur umweltfreundlicher und widerstandsfähiger werden, sondern auch mehr Informationen speichern. Dazu werden die einzelnen Pixel aus Silberhalogenidkristallen verkleinert. Derzeit sind sie rund einen Mikrometer groß, künftig sollen sie 50 Mal kleiner sein, erklärt Reiner Redmann.
"Und unsere Kristalle auf dem Film sind 20 Nanometer groß. Das heißt, die sind winzig klein, sodass wir auf einer Rolle Film sehr viele Informationen unterbekommen."
Kein "digitales Dilemma"
Auf die derzeitigen Speicherfilme von Filmo Tec passen 120 Gigabyte pro Archivrolle. Mit Hilfe der Fraunhofer-Forscher soll das Datenvolumen bald verzehnfacht werden, auf über ein Terrabyte.
"Wir wollen erreichen, dass die Vergangenheit nicht als digitales Dilemma dasteht, sondern dass die Generationen nach uns davon Wissen erhalten."
Dafür arbeiten Filmo Tec und das Fraunhofer-Institut vorerst bis 2020 zusammen. Eine Kooperation, die auch in Wolfen ein Stück Filmtradition für spätere Generationen erhalten könnte.