In der Kantine des Grenzübergangs Bornholmer Straße hört kaum jemand zu, als Günter Schabowski am 9. November 1989 im DDR-Fernsehen die neuen Reiseregelungen verkündet.
"Das tritt nach meiner Kenntnis... ist das sofort, unverzüglich."
Auch Dienststellenleiter Harald Schäfer – im wirklichen Leben heißt er Harald Jäger - ahnt nicht, in welche Zwangslage ihn die Sätze des SED-Funktionärs bringen werden. Schon wenige Minuten später erscheinen die ersten DDR-Bürger am Grenzübergang:
"Wir möchten gern nach Westberlin."
"Und?"
"Was und?"
" Haben Sie nicht gehört, was Herr Schabowski im Fernsehen gesagt hat?"
"Ja, das haben wir gehört."
"Können wir jetzt rüber oder was?"
" Wenn sie 'n Visum haben."
"Vom Visum hat der Genosse aber nix gesagt. Oder? Habt ihr was gehört? Schabowski hat gesagt: Das gilt ab sofort. Unverzüglich, hat er gesagt. Die Partei hat immer recht. Haben wir doch inner Schule gelernt. Sie doch ooch!"
Die Idee zum Film stammt von dem Produzenten Nico Hofmann. Mit Begeisterung hatte er das Buch "Der Mann, der die Mauer öffnete" gelesen:
"Der Ausgangspunkt war die wirklich unglaublich persönliche, differenzierte Beschreibung vom Harald Jäger von seinem Leben. Was in dem kleinen Mikrokosmos seines Privatlebens an der Grenze den großen Bogen macht auf die Weltpolitik."
Ein komisches und tragisches Ereignis
Hofmann und Regisseur Christian Schwochow waren sich schnell einig, die Geschichte nicht als großes Historiendrama zu erzählen, sondern als Tragikomödie:
"Weil Humor und auch die Tragik, die Dramatik sich immer die Waage halten. Und rückblickend muss man die Ereignisse auch so sehen. Es sind so viele groteske Dinge passiert. Ein Mann, der diese Mauer mitgebaut hat, der immer an sie geglaubt hat, der sein ganzes Leben lang Befehle entgegengenommen hat, der sie ausgeführt hat, der selber Befehle gegeben hat, kommt in eine Situation, wo es keinen Befehl mehr gibt."
Hilflos beobachten die Grenzsoldaten, wie sich immer mehr Ostberliner vor der Kontrollstelle versammeln. Die Männer warten auf Order von oben. Aber die kommt nicht – egal wie oft Dienststellenleiter Harald Schäfer bei seinem Vorgesetzten anruft. "20.000 Leute stehen aber vor seinem Tor und wollen raus. Was macht der? Er bettelt um Befehle", so Schwochow.
"Fast alles, was der Film erzählt, hat so oder so ähnlich stattgefunden. Natürlich haben wir Dinge überhöht. Der Film beginnt ja damit, dass ein Hund von Westen ins Grenzgebiet eindringt und gefangen wird und sie wissen überhaupt nicht, was sie mit dem machen sollen. Das hat so stattgefunden. Allerdings nicht am 9. November. Wir haben uns also auch aus Erzählungen, aus Anekdoten von Harald Dinge genommen, die wir verarbeitet haben, die wir überspitzt haben, die wir angepasst haben. Aber vieles auch an den Absurditäten das hat stattgefunden."
Glück, dass Jäger Dienst hatte
Dass die Gratwanderung zwischen Komik und Tragik gelingt, verdankt der Film nicht nur Christian Schwochows Regie und seinen erstklassigen Darstellern, sondern auch dem Drehbuch, das die Eltern des Filmemachers, Heide und Rainer Schwochow, geschrieben haben.
"Das vereint vor allem meine Mutter und mich, dass wir ähnlich an Menschen interessiert sind, und somit 'nen ähnlichen Blick auf Figuren und ihre Konflikte haben. Auch einen ähnlichen Humor und ne gute Streitkultur. Uns stehen keine Eitelkeiten im Wege, die es sonst sehr schnell gibt in künstlerischen Kooperation."
Mit unvergleichlicher Präzision schafft Christian Schwochow Bilder, die den Arbeiter- und Bauernstaat lebendig zu machen: Das fahle Licht an der Grenze, das trostlose Mobiliar in der Kantine, die Dauerwellen und Schnauzbärte der Menschen, die "nur einmal kurz" in den Westen wollen. Und obwohl die Komik nie ins Clowneske kippt, bleibt den Zuschauern an manchen Stellen das Lachen im Halse stecken: Spätestens in dem Moment, in dem ein übereifriger Grenzer zum Gewehr greifen will, führt der Film vor Augen, wie leicht die Geschichte eine andere Wendung hätte nehmen können. Was für ein Glück, bringt es Hauptdarsteller Charly Hübner auf den Punkt, dass am 9. November 1989 der Pragmatiker Harald Jäger an der Kontrollstelle Bornholmer Straße das Sagen hatte:
"Der will einfach keinen Stress. Und deswegen ist einfach der Witz der Geschichte, dass ausgerechnet dieser Mensch an diesem Abend da steht und kapiert: Des sind ungefähr 300.000, wir sind 22, is' Quatsch jetz' hier, ich mach ma' uff. Is' doch herrlich!"