Am Anfang fast eine Action-Szene, die auf uns wirkt wie ein Überfall. Ein Mädchen hetzt durch die Straßen, rennt Menschen um, wird von Männern verfolgt, dann gefasst. Und erst in der Umarmung von Malik kann die junge Autistin Emilie wieder zur Ruhe kommen. Sie war weggelaufen. Aber draußen, in der Welt, prasselte zu viel von dieser Welt hinein in ihre innere. Sie rastete aus. Ein beunruhigendes Bild für die autistischen Kinder und Jugendlichen, die Bruno und Malik bei ihrer Arbeit betreuen; zwei nicht beamtete Helfer, die – wie die Filmemacher Éric Toledano und Olivier Nakache sagen – permanent in Bewegung sind, "da es an allen Ecken und Enden in ihrer Umgebung" brennt; die sich rund um die Uhr für ihre Schützlinge einsetzen.
Bruno und Malik, die beiden Hauptfiguren in "Alles außer gewöhnlich", haben keinen ausgefeiltem psychologischen Hintergrund; nein, wir sehen sie "nur" beim Handeln. Bruno ist Jude – er trägt eine Kippa, und geknotete Schaufäden schauen unter seinem Pullover hervor. Malik, Muslim, arbeitet mit Jugendlichen aus den Pariser Problemvierteln, die er mit Brunos Hilfsorganisation zusammenführt – als Helfer. Hartgesottene Typen für eine äußerst harte Arbeit. In der mit allen Tricks und allem Mut das System überlistet werden muss, um diesen Menschen zu helfen.
Kritischer Blick auf die Gesellschaft
In Behinderten-Filmen wie "Rain Man" - Dustin Hoffman als Autist - oder "Ich bin Sam" - Sean Penn als geistig Zurückgebliebener - bekam man den Eindruck, dass diese anrührenden Geschichten vor allem auch Vehikel für die Schauspieler waren, die damit bewiesen, dass er auch "behindert" konnten. Éric Toledano und Olivier Nakache, die Regisseure von "Alles außer gewöhnlich", schaffen es aber, ihren ganzen Film über das Gleichgewicht zu halten: zwischen Vincent Cassels und Reta Katebs großartigem Spiel, der Darstellung der jugendlichen Autisten – gespielt von autistischen Kindern und Jugendlichen – und dem kritischen Blick auf eine Gesellschaft, in der Menschen mit solch schweren Handicaps kaum eine Chance haben. Valentin zum Beispiel, der immer einen Kopfschutz trägt, weil er seinen Kopf gegen die Wand schlägt, …
"Hey, Valentine!"
… bricht einmal Dylan, einem der jungen Helfer, der aus den Banlieus stammt, die Nase. Bruno, der Erfahrene, der immer wieder versucht, die jungen Autisten in Einrichtungen unterzubringen, …
"Es ist jetzt schon zu eng. Wir können niemanden aufnehmen."
… Bruno macht Dylan keine Illusionen über die Traumata der Menschen, die er nun betreut:
"Du darfst nicht vergessen, dass die meisten dieser Jugendlichen lange eingesperrt waren. Monate oder manchmal Jahre. Wenn wir sie zu uns holen, sind sie überfordert. Sie kennen den Umgang nicht, die Nähe. Sie waren zu lang isoliert."
Gnadenloser Blick auf die Wirklichkeit
"Alles außer gewöhnlich" scheint zunächst in der Reihe von aktuellen französischen Sozialkomödien zu stehen: "Der Glanz der Unsichtbaren" beispielsweise oder eben Toledanos und Nakaches "Ziemlich beste Freunde". Doch im Gegensatz zu ihrem Kassenhit haben die Filmemacher jetzt das Komödiantische kräftig zurückgeschraubt. "Alles außer gewöhnlich" erinnert vielmehr an Maïwenns Film "Poliezei" [sic!] über die Arbeit der Jugendschutzabteilung der Pariser Polizei, was die Realitätssättigung angeht. Damit öffnet dieser Film – jenseits von Behinderten-Film-Klischees – einen schnörkel- wie gnadenlosen Blick auf die Wirklichkeit junger Autisten, deren Quintessenz die Mutter eines dieser Jugendlichen auf den Punkt bringt:
"Niemand hat mir gesagt, dass man langfristig denken muss. Sie sind süß, wenn sie klein sind. Man stellt sie sich nicht als Erwachsene vor. Aber mit der Zeit. Sie werden vom Umfeld im Stich gelassen. Völlig isoliert. Für mich, das kann ich Ihnen sagen, teilt sich die Welt in zwei Kategorien. Die einen, die einen nicht mehr ansehen, die einem nicht mehr zuhören. Und dann die anderen. Und glauben Sie mir, davon gibt’s nicht viele."
In diesem wunderbaren Film "Alles außer gewöhnlich" gibt es viel soziale Kälte, viel System gewordene Brutalität, aber auch Schönheit und Wärme, wenn die Menschen - die mit oder die ohne Handicap - langsam, im Schnecken-Tempo zu kommunizieren beginnen. Vermittelt über die beiden Alltags-Helden Bruno und Malik.