Dieses Nebelhorn vom Anfang - Ist es noch Geräusch oder schon Musik? -, es könnte einen schon zum Wahnsinn treiben. Zusätzlich zum Schreien der Möwen, zum ewig tosenden Wind, dem Krachen der Wellen. Schon ohne seine Geschichte ist Roger Eggers Film "Der Leuchtturm" ein akustisch-visuelles Inferno oder – für uns, die wir dem zum Glück nur zuschauen dürfen – ein ebensolches Fest.
Eine Insel vor Maine - Anfang des 19. Jahrhunderts -, an der Küste Neuenglands, ein entlegener Leuchtturm, dauerbesetzt mit zwei Männern. Thomas Wake, der Alte, der Erfahrene, der Arrogante, der dauernd Furzende, der ewig Saufende, der groß Parlierende:
"Höre! Höre, Triton! Höre! Brülle! Bitte unseren Vater, den Meereskönig aus der Tiefe zu kommen, voll des Verderbens in seinem Zorne!"
Fragiles Herr - Knecht - Verhältnis
Und der der Einsamkeit dieses entlegenen Postens scheinbar gewachsen zu sein scheint. Scheint! Der andere, Efraim Winslow, der Gehilfe, der nicht nach oben darf in den Leuchtturm, zum Licht. Der kaum ein Wort sagt. Seinen Dienst verrichtet.
"Und wenn du sagt, du inspizierst und repariert jede Bodenplanke und Dachschindel dieses Hauses und schleifst sie auf den Knien kauernd mit bloßen Knöcheln ab, dann tust du es!"
Noch scheint das Verhältnis von Herr und Knecht austariert, scheint zu funktionieren; aber der Machtkampf brodelt.
"Ein Widerwort noch, Junge, und ich kürze dir den Monatslohn. Hast du mich verstanden? - Eye, Sir! - Gut! Schrubb, Hund! Schrubb!"
Kampf um Macht und gegen den Irrsinn
Robert Eggers Film "Der Leuchtturm" ist gedreht in Schwarz-Weiß in einem fast quadratischen Filmformat, das in den frühen Tonfilmen von Fritz Lang oder G.W. Pabst genutzt wurde. Das Klaustrophobische des Raumes in dem sich die beiden Männer bewegen, wirkt darin umso intensiver. Und Willem Dafoe, der den Alten spielt, und Robert Pattinson als Winslow - hier hat er sich endgültig weggespielt von dem "Twilight"-Vampir-Saga-Image -, die beiden Schauspieler sind grandios in diesem abgründigen Spiel zweier Männer, die um nichts kämpfen als um die Macht. Dann zunehmend auch um ihren Verstand. Der Sturm wird immer schlimmer. Und die Wahrnehmungen verschieben sich mit jeder durchsoffenen Nacht.
"Soll Neptun dich erschlagen, Winslow."
und der alte Mann, der da vor sich hin quatscht - übrigens in den Worten von Herman Melville, Robert Louis Stevenson, H. P. Lovecraft oder Algernon Blackwood -, Wake wähnt sich sicher gegenüber Winslow.
"Jetzt sieh dich an, wie du greinst. Buh, buh. Was wirst du jetzt tun?"
Aber das scheint nur. Je länger der Sturm tost, je länger das Schiff mit der Ablösung ausbleibt, je länger das Meer gegen das Haus am Leuchtturm peitscht, umso spürbarer kriecht der Wahnsinn empor in den magischen Schwarz-Weiß-Bildern dieses betörenden Films "Der Leuchtturm". Dann ist der alte Mann nur noch ein Jammerlappen, der heult, dass Winslow sein Essen nicht mag:
"Bis alle Krumen und Fasern von Winslow, selbst jede Nische deiner Seele nicht Winslow mehr ist, sondern fürderhin die See selbst ist … Na schön, ganz wie du willst, du kochst ganz gut."
Grandios gespielt und gleichzeitig komisch
Der Machtkampf zwischen diesen beiden Männern löst sich auf im Überschreiten der Realität. Und Winslow, der immer wieder Erscheinungen hat, darin mit einer Meerjungfrau kopulierte, wird am Ende das Licht da oben sehen. Doch vielleicht sollten manche Wünsche lieber nicht wahr werden. Regisseur Robert Eggers bringt das wunderbar auf den Punkt, wenn er meint: "Es kann nichts Gutes passieren, wenn man zwei Männer in einem gigantischen Phallussymbol-Leuchtturm einsperrt." Anders gesagt: In der Exaltiertheit des männlichen Machtstrebens ist sein Film "Der Leuchtturm" nicht nur wunderbar, grandios gespielt und inszeniert, unheimlich, absurd, abstrus, aber auch makaber komisch. Nicht nur, wenn Winslow am Anfang den Nachttopf an der Steilküste gegen den Wind leert. Gegen den Wind! Ach, wir Männer!