Das Feuer lässt die Kabel brennen: "Man sagt, das Feuer sei ein Monster, das tief unter der Erde lebt und versucht, aus der Erde auszubrechen." Awal Mohammed, der Herr der Feuerstelle, ist froh darüber: "Für mich ist es eine gute Sache. Es trennt die Metalle vom Plastik. Das Feuer schafft immer etwas Neues. Frisches Kupfer. Aber das Feuer lässt deinen Körper heiß werden. Es kann dich verletzen. Darum rauche ich Ganja. Es macht meinen Körper unverwundbar."
Die Welt der Müll-Aufbereiter
Die unendliche Weite der größten Elektro-Müllhalde der Welt und die des Slums von Agbogbloshie. Am Horizont manchmal zu sehen: die Skyline von Accra. Einst war hier eine grüne Lagune. Nun laufen Ziegen und Rinder herum zwischen all den Menschen und den Tonnen aussortierter Computer, Smartphones, Klimaanlagen oder ausrangierten Linienbussen. Und immer zu sehen sind in "Welcome to Sodom" die gigantischen schwarzen Rauchschwaden von brennendem Kunststoff oder Gummi. Der Erdboden ist voll von Metall, kleinen Kabelstücken.
Kwasi, das Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um in der Welt der Müll-Aufbereiter überleben zu können, zieht einen Lautsprecher hinter sich her. "Ich habe einen starken Magneten. Am Anfang hatte ich nur einen. Aber ich habe drei dazu gebunden." Der Magnet ist ganz anders als die Hände oder deine Augen, sagt Kwasi: Er findet Metalle auf dem Boden.
"Überall im Boden liegt Eisen; es ist wie Geld, das aber niemandem gehört. Jeden Tag wird ein Preis für Metalle bestimmt. Den machen sie in New York oder so. Und es ist derselbe Preis auf der ganzen Welt. Sie ändern ihn jeden Tag. Und der bestimmt, wie viel Geld ich bekomme." Globale Zeiten - auch für das Mädchen in Agbogbloshie.
6.000 bis 8.000 Menschen leben auf der größten Elektromüllhalde der Welt vom Schrottrecycling. Sie nennen die Mülldeponie "Sodom". In "Welcome to Sodom" porträtieren Florian Weigensamer und Christian Krönes diese Menschen in Bildern, die an die Dokumentation "Workingman's Death" ihres verstorbenen Filmemacher-Kollegen Michael Glawogger erinnern und fast wie Gemälde wirken, die mit dem Fremden und Extremen, aber auch Unvorstellbaren, das sie abbilden, eine poetische Aura erhalten.
Es sind Bilder, die sich wie von der Realität ablösen, um mit dem nächsten brennenden Kupferkabel-Nest dahin wieder abzustürzen: in die brutale Wirklichkeit einer der verseuchtesten Orte der Welt. Kein erklärender Text, keine Interviews gibt es in diesem Film. Die Menschen sind zu hören in einem Off-Text. Auch das gibt dem Film etwas, das ihn das rein Dokumentarische mitunter transzendieren, aber manchmal Erklärendes auch vermissen lässt.
Zu den uns so allvertrauten Bildern von Computern und sauber verlegten Netzwerkkabeln in sterilen, gekühlten Serverfarmen in Europa oder den USA wirken die schwarzen Rauchschwaden von Agbogbloshie wie ein dramaturgischer Kontrapunkt und größter Widerspruch. Und doch gehört beides eben zusammen. "Welcome to Sodom" von Florian Weigensamer und Christian Krönes zeichnet die dunkle Kehrseite der sauberen digitalen Welt.
"Das ist kein Ort, um alt zu werden"
Vor allem aber gibt der Dokumentarfilm den Menschen, die am Ende der Wertschöpfungskette leben und arbeiten, ein Gesicht und eine Geschichte: dem Mädchen, das als Junge Müll sammelt, dem Herrn der Feuerstelle, dem Rapper und Star der Deponie oder dem schwulen Flüchtling aus Gambia, der nur hier eine Chance hat zu überleben, oder der Wasserfrau, die viel älter aussieht, als sie ist.
Fauzia Mohammed: "Das ist kein Ort, um alt zu werden. Es ist ohnehin kein Ort, an dem man sehr alt wird. Die Zeit hier arbeitet anders. Gegen deinen Körper. Dieser Ort frisst dein Leben auf. Und zwar verdammt schnell."
Übrigens, auch das gehört zur Logik globaler Warenströme: Die in Ghana wieder geförderten Rohstoffe werden schließlich nach Europa und in die USA zurück exportiert, dahin also, wie sie einst ihre Reise als Müll angetreten haben. Am Ende von "Welcome to Sodom" sehen wir zig Computermonitore, aufgestapelt wie zu einer archaischen Begräbnisstätte. Ein Bild, von dem eine abstruse Schönheit ausgeht. Nicht ... nicht von dieser Welt? Doch.