"Dieser Schnee und die Stille, das ist das Einzige, was ihnen noch nicht weggenommen wurde."
Lost Land. Weites, verlorenes Land. Die Wind-River-Indianer-Reservation der Shoshone und Arapaho. Weiße leben hier auch. Eine der ärmsten Regionen der USA. Im Winter viel Schnee. Sehr viel. Temperaturen in der Nacht bis zu minus 30 Grad. Was für ein Ort für eine Erzählung über den weißen Jäger Corey, den Jeremy Renner als eine zeitgenössische Version von diesem Jeremiah Johnson spielt - Robert Redford in Sydney Pollacks Klassiker von 1972: der Weiße im Indianerland. Verloren. Verloren gegangen.
Den Mord an Natalie aufklären
"Dieses Land, dieses Land ist doch alles, was wir haben", sagt Corey. Um von dem seinerseits, aber ganz anders verlorenen Sohn seines indianischen Freundes, ...
"Drogen sind jetzt seine Familie."
... um von diesem zu hören:
"Was soll dieser Wir-Scheiß? Das einzig Indianische an dir ist doch deine Ex-Frau. Und eine Tochter, die du nicht schützen konntest."
Wie aber auch sein Vater, der indianische, seine Tochter, nicht schützen konnte. Natalie findet Cory, ...
"Ich brauche Notfallhilfe."
... Mitarbeiter des "Fish und Wildlife Services", am Anfang von "Wind River" tot im Schnee. Zusammen mit einer unerfahrenen, aber dann doch toughen FBI-Agentin - Elizabeth Olsen.
"Ich war die Agentin, die am nächsten dran war."
Angereist ist sie in diese verlorene Gegend aus Las Vegas. Cory, der Jäger, der vor drei Jahren seine eigene halbindianische Tochter auf ganz ähnliche Weise verloren hat - und seine Ehe ist dabei zu Bruch gegangen -, will jetzt den Mord an Natalie aufklären. Auch, um vielleicht Sühne zu leisten. Der Profi erklärt dem FBI-Greenhorn aus der Stadt:
"Sie ist gerannt, bis sie hier hingefallen ist. Hier herrschen 30 Grad minus in der Nacht. Sie ist den ganzen Weg hierher gerannt. Ihre Lungen sind hier geplatzt. Sie hat sich da zusammengerollt und ist an ihrem Blut ertrunken."
Widersprüchliche, zerrissene, leidende Menschen
Mord? Ein Unfall? Aber in "Wind River" geht es nicht um einen Serienmörder. Gut, der Fall, das Geschehen - am Ende wissen wir, ...
"Ich kannte die Kleine, …"
... warum Natalie gestorben ist.
"… sie war eine Kämpferin."
Aber vor allem geht es bei Taylor Sheridan um Menschen. Widersprüchliche, zerrissene, leidende Menschen, die irgendwie versuchen, mit ihrem Schicksal klar zu kommen. Mit "Sicario" 2015, "Hell or High Water" 2016 und jetzt mit seinem Regiedebüt "Wind River" hat Taylor Sheridan Neo-Western gedreht, die so überzeugen, weil sie von der Gegenwart erzählen, vor allem aber, weil sie wie in den Klassikern des Genres - die Landschaft - als Hauptdarsteller einsetzen. So werden die Helden oder Antihelden - meistens letztere bei Sheridan - geerdet. Werden quasi eingetaucht in die Aura, den Atem dieser Landschaft. Am Anfang sehen wir den Jäger Corey ...
"Ich jage Raubtiere."
... der in einem Gebüsch in einer wunderschönen Schneelandschaft liegt - gleich fällt ein Schuss; das gejagte Tier in seinem Blut. Schönheit und Grausamkeit der Landschaft und des Lebens der Menschen, sie sind in diesem Film nicht voneinander zu trennen. Und Nick Cave und Warren Ellis fügen dazu ihren betörenden Soundtrack.
Ein Film über eine Landschaft und zwei Morde
In "Wind River" erzählt Taylor Sheridan auch von zwei Vätern - Cory und seinem indianischen Freund Martin -, die beide ihre Töchter verloren haben. Der eine, der vor drei Jahren den Verlust erlitt, hält anderen davon ab, in seinem Schmerz aus dem Leben zu gehen.
"Glaub mir, Martin, man kann dem Schmerz nicht ausweichen. Wenn du das tust, beraubst du dich. Du beraubst dich jeder Erinnerung an sie."
Ich fasse zusammen: "Wind River" ist ein Film über eine Landschaft, eine über einen Weißen im Indianerland, über eine ökonomische Wüste und eine berauschende Schneewüste, verzweifelte Väter; dies ist eine Geschichte über zwei Morde, und über einen Jäger, der es irgendwie schafft, trotz seiner inneren Dämonen zu überleben, weiter zu leben. Das Wunder legt aber darin, dass Taylor Sheridan all diese Themen auf magische Weise zusammenhält in diesem wunderschönen Film. Leider fehlt mir für mehr und noch mehr Lob und Begeisterung die Zeit. Ich würde so gerne.