"The closer we get" heißt der Eröffnungsfilm der diesjährigen ZagrebDox. Die britische Regisseurin Karen Guthrie erzählt darin die Geschichte einer Familie, die nach einem Hirnschlag der Mutter mit ihrem neuen Leben klarkommen muss. Als wir vor zwölf Jahren mit ZagrebDox begannen, wäre so ein Thema in Osteuropa noch auf Unverständnis gestoßen, sagt Festival-Erfinder Nenad Puhovski.
"Wir mussten uns unser Publikum erst schaffen. Das Publikum in Osteuropa dachte bis dahin bei Dokumentarfilmen nur an Reisefilme oder Tierdokumentationen über Delfine. Niemand machte damals Filme über sich selbst oder seine eigene Familie. Da gab es viel Widerstand."
Spezialprogramm: "Die Russen kommen"
Schwerpunkt in Zagreb bildeten diesmal Filme über jede Form von Extremismus. Vor dem Hintergrund der Spannungen mit Russland, wollten die ZagrebDox-Macher vor allem wissen, wie der russische Dokumentarfilm mit dem Thema umgeht. "Die Russen kommen" hieß denn auch ein Spezialprogramm.
In dem Streifen "Credit for Murder" befasst sich Regisseur Vladi Antonjevitsch mit seinen Erfahrungen in einem Camp russischer Neonazis. Betroffen machte der Film "Children 404" der die Geschichte von russischen Jugendlichen erzählt, die plötzlich begreifen, dass sie homosexuell sind. Dokumentarfilmer vom Balkan hingegen erzählen in ihren Filmen auf sehr persönliche Weise über die versteckten Folgen der Balkankriege der 90er Jahre und den wiederaufkeimenden Nationalismus in Osteuropa.
Abseits der Leinwände wurde jedoch auch die Frage diskutiert, wie wird der Dokumentarfilm der Zukunft aussehen. Dazu sagte die Direktorin Filmfestivals DokLeipzig, Leena Pasanen in Zagreb:
"Virtual reality ist etwas, wo wir noch herausfinden müssen, wohin es den Dokumentarfilm führt. Sich mithilfe von Virtual realitiy plötzlich als Zuschauer etwa inmitten eines Flüchtlingscamps wiederzufinden, kann durchaus ein ganz neues Element des Erzählens sein. "
Der Dokumentarfilm braucht "neue Partner"
Doch noch ist die dafür notwendige Kameratechnik teuer, die Finanzierung von Dokumentarfilmen hingegen ein immer größer werdendes Problem. er Dokumentarfilm, auch das sagte Leena Pasanen, brauche neue Partner.
Doch wer könnte das sein? Privatsender wie der mit Serien so erfolgreiche amerikanische Privatsender HBO? Und welche Kriterien müssten Dokumentarfilme für einen solchen Sender erfüllen? Dazu sagte Hanka Kastelicova von HBO Europe auf der ZagrebDox:
"Wir haben 2008 mit Dokumentarfilmen angefangen. Die kosten viel weniger als Spielfilme. Trotzdem können wir Inhalte speziell für Zuschauer in den jeweiligen Ländern produzieren. Wir brauchen aber immer Jahre dafür, weil wir den ganz typischen HBO-Stempel suchen. Das heißt: Die Filme müssen mutig, mit neuem Standpunkt bisher unerzählte Geschichten erzählen, die auch durchaus avantgardistisch sein dürfen – wie zum Beispiel 'Toto and his sisters'. Dieser Film erzählt von Roma-Kindern, die ihrem trostlosen Leben in Bukarest entfliehen. Wenn man diesen Film sieht, ist es als, ob man einen guten Spielfilm sehen würde.
Interaktive Möglichkeiten stärker nutzen
Ein Problem bleiben die Zuschauerzahlen. In Deutschland erreichen Dokumentarfilme in den Kinos im Durchschnitt kaum mehr als 5.000 bis 7.000 Zuschauer. In Zukunft müssten die interaktiven Möglichkeiten der neuen Medien stärker mitgedacht werden, sagte die Direktorin von DOKLeipzig, Leena Pasanen, und verwies in Zagreb auf Erfahrungen in ihrer Heimat Finnland.
"In Finnland gibt es inzwischen das Format von TV-Dokumentationen an denen der Zuschauer teilhaben und selbst Fragen an die Protagonisten schicken können. Dokumentarfilmer sollten auch für so etwas offen sein und Lösungen für diesen Bedarf finden."