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Film Kreuzweg
Wie Fanatismus in die Irre führen kann

Der Film "Kreuzweg" von Dietrich Brüggemann, erzählt die Geschichte der 14-jährigen Maria, die in einer strenggläubigen Familie aufwächst und sich immer mehr entfremdet. Brüggemann denunziert den extremen Glauben nicht, er zeigt nur, wohin eine radikale Hinwendung zu Dogmen führen kann.

Von Josef Schnelle |
    Auf dem Produzentenfest in Berlin am 29.09.2010
    In seinem Film verichtet der Regisseur Dietrich Brüggemann auf Schnitte oder Perspektivwechsel. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    "Aber was bedeutet das für euch. Wenn wir jetzt hier durch die Tür hinausgehen, dann sehen wir Menschen, Autos, Häuser. Keine Feinde und keine Armee und wer denkt, wie soll ich denn Soldat sein. Wo ist die Schlacht, in die ich ziehen soll. Na wo ist sie denn die Schlacht?" - "In der Schule.“ - "In der Schule ja, aber wo noch?“ - "Vor dem Fernseher." - "Vor dem Fernsehapparat auch." - "Überall." - "Überall auch, aber auch an einem ganz bestimmten Ort." "In unserem Herzen." - "Ja genau in unseren Herzen tobt eine Schlacht zwischen Gut und Böse."
    Ein Pfarrer der sogenannten Paulusbrüder, so nennen Dietrich und Anna Brüggemann ihre fiktive Gruppe fundamentalistischer Christen, bereitet ein paar Kinder auf die Firmung vor. Er macht das mit großem demagogischem Furor. Hauptdarsteller Florian Stetter bekannte auf der Pressekonferenz der Berlinale, wo der Film Premiere feierte, er habe in dieser einleitenden Szene des Films gespürt, welche verführerische Kraft von seinen Worten ausging. Dazu mag der ganz besondere Stil von "Kreuzweg" beigetragen haben.
    Schwierige Dreharbeiten
    Jede Szene ist in einer Plansequenz aufgenommen. Das bedeutet, dass die Kamera während der ganzen Szene angeschaltet bleibt. Es gibt keine Schnitte oder Perspektivwechsel. Wie im Theater mussten die Darsteller ihren gesamten Part auswendig lernen. Für die erste Szene waren das für Florian Stetter 18 Seiten Text. Wenn er sich kurz vor dem Ende der Szene versprochen hatte, musste die ganze Szene noch einmal gedreht werden. Manche Szenen wurden bis zu 20 Mal wiederholt. Die Tatsache, dass einige der Schauspieler Laien sind, machte die Dreharbeiten auch nicht leichter.
    Schon bei seinem ersten Film unter dem Titel: "Neun Szenen" hatte Dietrich Brüggemann ähnlich gearbeitet. Diese Methode erzwingt eine extreme Konzentration. Vielleicht ist das eine der Ursachen für die Intensität dieses Films. Dietrich Brüggemann folgt den kanonischen Stationen der 14 Bilder des Kreuzwegs Jesus von der Verurteilung durch Pilatus bis zur Grablegung des Leichnams. Doch der Film erzählt - obwohl die einzelnen Stationen im Text immer wieder eingeblendet werden - eine ganz andere Geschichte: Die Geschichte der 14jährigen Maria, die in einer strenggläubigen Familie aufwächst und die Ideen ihrer Glaubensbruderschaft - die deutlich an die Piusbrüder erinnert - sehr ernst nimmt. Sie hat sich dem Opfergedanken verschrieben und fühlt sich bald auch nicht mehr wohl im schulischen Sportunterricht.
    "Alles O.K. willst Du Dich an den Rand setzen. Du bist in letzter Zeit ziemlich blass." - "Ich bin immer so blass." - "Isst Du genug?" - "Ja, ich esse genug. Aber ich will mich nicht zu dieser Musik bewegen. Das sind alles satanische Rhythmen."
    Berlinale-Auszeichnung: Preis für das beste Drehbuch
    Auch unter dem häuslichen Druck ihrer fundamentalistisch eingestellten Mutter entfremdet sie sich immer mehr ihrer Umwelt. Sie glaubt, nur durch ein ganz persönliches Opfer könne sie der Verdammnis entgehen. Auf dem offiziellen Filmplakat ist sie mit einer Dornenkrone dargestellt. Doch Brüggemann denunziert den extremen Glauben nicht, er zeigt nur, wohin eine radikale Hinwendung zu Dogmen führen kann. Das war sogar der ökumenischen Jury ihren Preis wert. Die Hauptjury der Berlinale zeichnete den Film mit dem Preis für das beste Drehbuch aus. Tatsächlich sind die Monologe und Dialoge des Films bemerkenswert? Dafür ist auch Dietrich Brüggemanns Schwester Anna, mit der er stets zusammenarbeitet, mitverantwortlich.
    "Kreuzweg" ist kein religionskritischer Film. Er erzählt nur ähnlich wie Hans Christian Schmid in "Requiem" aus dem Jahr 2006 davon, wie religiöser Fanatismus in die Irre führt. Die stilistische Strenge, die jeder Station nur eine einzige Einstellung erlaubt, macht diesen Film von Dietrich Brüggemann, der bisher eher durch Feel-Good-Filme aufgefallen ist, zu einem der vielversprechendsten Filme des ganz jungen deutschen Kinos. Immer weiter treibt der Film konsequent und beeindruckend auf eine tragische Konsequenz hin. Am Ende des Films wird deutlich, wie sehr das Mädchen durch seine religiösen Überzeugungen vom Pfad des Lebens abgekommen ist. Selbst den schönen Ausblick auf eine Landschaft kann es nicht mehr ungetrübt genießen.
    "Was machst Du?" - "Ich habe ein Dankgebet für die schöne Landschaft zu Jesus geschickt." -"Aber es muss Dir nicht peinlich sein, wenn Du betest. Diese Landschaft ist wirklich sehr schön." - "Meinst Du man kann sie aufopfern."