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Film: "Lindenberg! Mach Dein Ding!"
"Er hatte immer ein politisches Bewusstsein"

1973 hatte Udo Lindenberg, der Klempnersohn aus Gronau, seinen ersten großen Plattenerfolg mit "Alles klar auf der Andrea Doria". Da endet der Film von Hermine Huntgeburth. "Man sollte das weitererzählen, weil Udo ein wichtiger Teil unseres Nachkriegs-Deutschland ist", sagte die Regisseurin im Dlf.

Hermine Huntgeburth im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
Hermine Huntgeburth zeigt auf Udo Lindenberg
Udo Lindenberg und Hermine Huntgeburth bei der Premiere des Kinofilms "Lindenberg! Mach dein Ding" (www.imago-images.de / C. Niehaus / Future Image)
Sigrid Fischer: "Bohemian Rhapsody" und "Rocketman", "Stan und Olli", "Der Junge muss an die frische Luft", oder ganz aktuell "Judy", der Garland-Film. Außerdem Nowitzki, Kroos, Pavarotti - Prominentenbiografien sind gerade sehr gefragt - als Spielfilm oder auch als Dokumentation. Eine fehlt noch, und die kommt jetzt: "Lindenberg! Mach Dein Ding!" Der junge Jan Bülow spielt "unseren Udo", und Hermine Huntgeburth führt Regie. Sie erzählt Udos Weg in die Musikerkarriere, also bevor Hut und Sonnenbrille zu den wichtigen Requisiten wurden. Guten Tag, Hermine Huntgeburth, nach Hamburg.
Hermine Huntgeburth: Guten Tag, Frau Fischer.
Fischer: Hamburg, in der Stadt ist es passiert. Da wurde Anfang der 70er Udo zu dem, der er ist. Sie haben in Hamburg studiert, ab '77. Da war er ja schon eine Größe. Er kam aus Gronau, Sie aus Paderborn. Da verbindet Sie gewissermaßen was. Hamburg, die große, weite Welt nach der Jugend in der Provinz. Haben Sie das auch so für sich erlebt?
Huntgeburth: Absolut, als ich nach Hamburg kam, da war die Reeperbahn ja auch noch ... hatte noch einen ganz anderen Flair. Da war ... es war viel rauer, und der Hafen hat noch anders funktioniert. Da gab es wirklich noch Matrosen, die herumgestreunt sind und so weiter und so weiter. Ich persönlich hatte ein bisschen Angst am Anfang, als ich mit 18, 19 nach Hamburg gekommen bin. Und das hat mir Respekt eingeflößt.
Er ist ein Gesamktkunstwerk
Fischer: Sie haben gesagt, Udo Lindenberg war eine treibende Kraft der künstlerischen Gemeinschaft damals in der Zeit. Inwiefern, wie hat man das gemerkt?
Huntgeburth: Es ist ja so, dass mit Peter Zadek, da hatte ich das Gefühl, auf jeden Fall wurden die Künste so miteinander vereint. Und Udo war halt eben ganz, ganz präsent, auch im Theater, und natürlich auch als Musiker und mit seiner "Panik-Familie" und mit den Menschen, mit denen er sich umgeben hat. Also, das ist ja wie ein Gesamtkunstwerk, Udo Lindenberg. Zu ihm haben sich ja auch immer ganz, ganz viele Menschen gesellt, die auch ein bisschen am Rande der Gesellschaft waren oder wie auch immer, auf jeden Fall war er immer sehr vital, sehr viril, ganz toll.
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Nicht nur Rock'n'Roll: Der junge Udo mit Band (DCM)
Fischer: Das war ja auch eine sehr politisierte Zeit damals, wir sehen's in Ihrem Film: "Also Deutsch singen in der Sprache der Täter, das geht ja gar nicht", sagen dann einige seiner Musiker. Und er sagt dann: "Na, dann holen wir uns doch die deutsche Sprache zurück." Das ist auch so ein großes Verdienst von ihm, dass er auch anderen dann vielleicht später Mut gemacht hat, auf Deutsch zu singen - den Westernhagens und Grönemeyers.
Huntgeburth: Absolut, und wenn man genau hinhört, die Texte sind ja nicht nur ... dass es eine sehr schöne, eine tolle Musik ist, nicht nur Rock'n'Roll, sondern auch Balladen und so weiter ... hat er ja auch eine eigene Sprache. Und es hat immer mit ihm zu tun und mit seinen Lebensumständen, mit den Menschen, denen er begegnet. Und auch hat es immer eine ganz besondere, poetische Kraft. Und was ich noch einmal besonders bemerkenswert finde: Er hat immer Humor und Selbstironie.
Er war auf der Suche
Fischer: Die "geile Meile Reeperbahn" ist dann seine Heimat geworden. Sie zeigen, wie gesagt, so ein bisschen die Streunerjahre, wo er in Hotelkaschemmen abgestiegen ist, mit Prostituierten auch zu tun hatte, seine ersten Auftritte da als Trommler, meist eine Schnapsflasche in der Hand. Was war für Sie so das Spannendste und Erzählenwerteste an dem Udo Lindenberg jener Jahre?
Huntgeburth: Ich habe ihn schon auf der Suche gesehen, aber natürlich auch in der jugendlichen Kraft, die natürlich aus der Musik der damaligen Zeit kommt. Es ist ja auch der Soundtrack, den ich da kreiert habe mit meinen Leuten, der is' ja auch ... ich habe ja auch versucht, irgendwie ein Lebensgefühl darzustellen, also nicht nur trocken die Dinge zu erzählen, sondern auch, was es für musikalische Einflüsse gab und welchen Weg er gegangen ist, durch die verschiedenen Musikrichtungen, bis er da hin gelangt ist, wo er jetzt oder damals war und wo es dann wirklich abging.
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"Der Künstler weiß am besten, was richtig ist": Udo bei den Plattenbossen (DCM)
Fischer: Sie erzählen das nicht chronologisch, sondern springen so ein bisschen vor und zurück, auch in die Kindheit. Wir sehen dann den kleinen Udo mit drei Geschwistern als Sohn eines frustrierten Klempners, Charly Hübner spielt den, der säuft, ist aggressiv, langt auch mal zu. Da hab ich gedacht: Wieso hat dieser kleine, zarte Junge eigentlich so ein Selbstbewusstsein entwickelt, so konsequent wirklich diesen anderen Weg zu gehen, als die Familie vorgesehen hatte, für ihn?
Huntgeburth: Das hat er gespürt. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, dass man eigentlich was in sich spürt, und das objektive Leben sagt: "Nee, das wird niemals funktionieren." Aber wenn Du wirklich dran glaubst - es hört sich so klischeehaft an - aber das gibt es, dass man eine Kraft entwickelt, über das, was realistisch scheint, hinaus. Und ich glaube, das war von Anfang an in diesem Jungen drin, dass er wirklich dieser Musiker ist, der auch nach außen gehen will, der sich orientiert. Zum Beispiel an Glenn Miller, an der großen, weiten Welt, und der halt eben auch in die Situation und ins Leben hinein sich geschmissen hat und reinkatapultiert hat, um aus den Erfahrungen, die ja dann auch wieder in seinen Songs auftauchen, seine Kunst zu machen.
"Hermine, Du machst das schon"
Fischer: Sie stellen auch immer so die Verbindung zwischen seiner Biografie und einzelnen Liedern her. "Konsequenz hat einen Namen - Lindenberg", sagt der Vater irgendwann, und es gibt ja dieses Lied von ihm "Konsequenz hat einen Namen – Udo" zum Beispiel. Oder das "Cello"-Lied, das er für seinen Gronau-Schwarm geschrieben hat. Ist es so auch belegt? Oder haben Sie das dann auch filmisch für die Dramaturgie so schön manchmal ein bisschen hingedreht?
Huntgeburth: Ja, hm, auch, auch. Das ist ja das Tolle. Diese Songs haben ja viel mit seinem Leben zu tun. Und diese Begegnungen - für mich war das halt eben auch noch mal ein wichtiger - dass wir halt eben Hamburg, die 70er in den Mittelpunkt gestellt haben, und dann auch die jungen Frauen, denen er begegnet ist, und die ihn auch geformt haben sozusagen, oder auch ihn haben wachsen lassen, oder auch haben verschiedene Formen der Liebe empfinden lassen.
Wir haben noch länger mit Hermine Huntgeburth gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsosprächs
Fischer: Ja, und das "Mädchen aus Ostberlin" gehört natürlich auch dazu. Sehen wir auch in einer Episode. Nun ist ja Udo Lindenberg keine fiktive Figur, der Film ist auch mit seiner Mitwirkung entstanden, Sie danken ihm und dem Team auch im Abspann. Das ist dann eben so. Das war beim Kerkeling-Film auch so. Ich stell' mir dann vor: Ist man als Regisseur ein bisschen befangener, als wenn das jetzt eine fiktive Biografie wäre, um ihren Blick so auf diese Figur auch wirklich zu formulieren?
Huntgeburth: Natürlich, ich hab' natürlich höchsten Respekt vor Udo Lindenberg, und es ist natürlich wichtig, dass er mit dem, was da ist, einverstanden ist. Aber er hat mir da wirklich das vollste Vertrauen gegeben. Er hat immer gesagt: "Hermine, das machst Du schon." Und das war wirklich so, dass er eigentlich seine Seele mit zugebracht hat, aber nicht jedes Wort auf die Goldwaage.
Fischer: Sie haben eben schon gesagt, Sie können ganz gut nachvollziehen, wie der so drauf war. Seine Karriere zeigt eigentlich, dass der Künstler es doch am besten weiß, dass er sich Vermarktungsmechanismen entziehen sollte. "Der Markt bestimmt, was dein Ding ist", sagt sein Produzent, Detlev Buck spielt den ganz toll. "Sei gefühlig, sei nicht so speziell!" Aber er hat Unrecht. Diese erste Platte floppt eigentlich. Jetzt nehme ich an, Sie, Hermine Huntgeburth, kennen das auch, dass Menschen Ihnen in Ihre Arbeit reinreden wollen, die vielleicht doch eher die Quote, die Verkaufszahlen im Blick haben, als eine künstlerische Idee, die Sie dann im Blick haben. Oder? Kennen Sie das auch?
Huntgeburth: Ja, eh, (lacht).
Fischer: Egal, ob beim Fernsehen oder beim Kino, es kann nicht anders sein.
Huntgeburth: Ja, ja, natürlich. Aber ich denke, man muss immer bei sich bleiben, und das ist eben ganz, ganz wichtig. Dass man wirklich sein eigenes Werk im Auge behält. Und letztendlich weiß man, glaube ich, am besten, was richtig ist und was nicht. Und natürlich, wenn es gute Vorschläge gibt, nimmt man die gerne an. Man ist ja auch eine Sammlerin als Regisseurin. Als Regisseur ist man ja dadurch, dass man ja auch der Schöpfer des Filmwerks ist, ist man ja an allem beteiligt und lenkt die Gewerke und die anderen Künste. Und das ist schon toll.
Man muss bei sich bleiben
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Jan Bülow als junger Udo Lindenberg (DCM)
Fischer: Jetzt bietet das Leben von Udo Lindenberg wirklich nach '73, da endet Ihr Film, noch ganz viel Raum für Fortsetzungen, würde ich sagen. Würden Sie denken, das muss man noch weitererzählen?
Huntgeburth: Es ist auf jeden Fall erzählenswert. Man sollte das weitererzählen, weil Udo is' ja auch ein ganz wichtiger Teil unseres Nachkriegsdeutschlands und der Bundesrepublik Deutschland und auch Ost und West. Und er war ja auch immer loyal und auch verbunden mit den Menschen in der damaligen DDR. Und ich glaube, das ist wirklich Geschichte, die man an ihm erzählen kann. Und er hatte auch immer ein politisches Bewusstsein. Das zeichnet Udo auch aus.
Fischer: Und trotzdem ist er irgendwie doch ziemlich Mainstream. Ich meine das jetzt nicht negativ, also er kriegt das zusammen.
Huntgeburth: Ja, aber er ist keiner, der sich ... und das ist, glaube ich, auch das, was ihn ausmacht - er biedert sich nicht an, sondern er bleibt bei sich. Er macht sein Ding.
Fischer: Er macht sein Ding. Genau so heißt der Film: "Lindenberg! Mach Dein Ding". Hermine Huntgeburth hat ihn gedreht. Und, ja, vielen Dank, der startet diese Woche in unseren Kinos.
Huntgeburth: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.