Immer wieder Parties. Immer wieder schlechte Musik. Immer wieder Champagner und Kokain. Dazu leichtbekleidete oder gleich ganz nackte junge Mädchen, mal im Pool, mal auf Männerschößen oder vor ihnen kniend, von vorn oder von hinten. Bunga-Bunga. Mit diesem Begriff wurde Silvio Berlusconi berühmter, als durch seine Politik.
Der Mann, der Italien seit 1992 bislang viermal als Ministerpräsident regierte, steht im Zentrum von "Loro", dem neuen Kinowerk des Italieners Paolo Sorrentino. Dies ist allerdings kein Politfilm, keine moderne Form eines Shakespeare-Dramas, weder "Richard III.", noch die italienische Variante einer politisch-moralischen Anklage à la Oliver Stone. "Loro" ist mehr eine Farce, ein schrilles, übertriebenes, satirisch gefärbtes, aber dann auch wieder von seltsamer Sympathie getragenes Gesellschaftsportrait. Kulturkritik mit den Mitteln des Kinos.
Republikanische Fürstenherrschaft
Was Sorrentino allerdings nie gelingt, ist eine tiefergehende Analyse seines Sujets. Es war schon immer der Fehler aller Berlusconi-Analysen, so wie jetzt im Umgang mit Trump, dass sie an der Oberfläche verharren. Ja, Berlusconi ist geschmacklos. Aber man kann den Erfolg des Politikers nicht damit erklären. Berlusconi wie Trump sind mehr Symptom tiefgreifender Veränderungen. Das ist der Clou des Titels.
Der Titel "Loro" bedeuet "Sie". Das weist bereits darauf hin, dass es hier weniger um Berlusconi selbst geht - der Mann taucht im Film übrigens erst nach 45 Minuten erstmals auf - sondern um den Berlusconi-Hofstaat, und die Wirkung, die er auf seine Umgebung hat. Es geht also um das Italien, das Berlusconi schuf, und das ihn zugleich möglich machte. Ein speichelleckerisches, machtverliebtes Italien, ein Land der Dekadenz und Korruption, der Vulgarität und Geschmacklosigkeit, vor allem der Egozentrik.
Insofern gilt vielleicht auch in diesem Fall, was seit den Zeiten Niccolo Machiavellis gilt: Das Italien ein Labor der Politik der Zukunft ist. Hier blickt man bereits auf den Weg, den der sich ausbreitenden Marktlogik folgend, womöglich alle Demokratien des Westens gehen: Hin zu einer republikanischen Fürstenherrschaft, in der Demokratie zunehmend mehr simuliert, als praktiziert wird.
Regression in einer Nummernrevue
Infantilismus und Regression sind die passenden Begriffe, um den Geisteszustand der Gesellschaft zu benennen. Genau davon handelt, wenn man ihn richtig versteht, Sorrentinos Film.
Filmisch wirkt "Loro" etwas unausgewogen, ohne große Höhepunkte, eher wie eine Nummernrevue, die auch in der Redundanz, der Wiederholung des Immergleichen bestechen will. Auch das ist Marktlogik. Die Alternativlosigkeit auf ästhetische Form gebracht.
Es mag auch daran liegen, dass der Film in Italien in zwei Teilen von insgesamt fast vier Stunden Länge ins Kino kam, und man der auf zweieinhalb Minuten gekürzten internationalen Version mitunter eine gewisse Straffung und Kurzatmigkeit anmerkt.