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Film: "Taxi Teheran"
Der Blick durch die Windschutzscheibe

Der iranische Regisseur Jafar Panahi wurde in seiner Heimat wegen seiner Filme schon zu Gefängnisstrafen verurteilt und mit Berufsverbot belegt. Trotzdem hat er "Taxi Teheran" gedreht und damit auf der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen. Panahi gelingt mit diesem Film ein facettenreiches Bild der iranischen Gegenwartsgesellschaft.

Von Rüdiger Suchsland |
    Der iranische Regisseur Jafar Panahi im Porträt
    Der iranische Regisseur Jafar Panahi (AFP / Atta Kenare)
    "Sie drehen doch hier einen Film, oder? Erzählen Sie nicht, dass Sie hier nur Taxi fahren, Herr Panahi." Eine unglaubliche Geschichte: Jafar Panahi, der iranische Filmregisseur und Dissident, tritt in seinem eigenen Film auf - nicht als Schauspieler. Sondern als er selbst, als der Regisseur jenes Films, den er im Augenblick seines Auftritts auch gerade dreht.
    Man sieht ihn auf dem Fahrersitz mit freundlichem, fröhlichem Gesichtsausdruck, zwischendurch lauthals lachen, selten hingegen seine Gelassenheit verlieren. Man versucht, diese Mimik zu deuten - ist es Sarkasmus, Spott darüber, dass es ihm wieder gelungen ist, allen ein Schnippchen zu schlagen? Oder nur die heitere Melancholie eines Menschen, dem schon so viel genommen wurde, dass ihn nichts mehr treffen kann?
    Zudem stellt sich das Problem: Ist dieser filmende Taxifahrer namens "Jafar Panahi", der während der Fahrt eine kleine Kamera neben dem Fahrersitz laufen lässt, die das Geschehen im Auto aufzeichnet, überhaupt mit dem Regisseur desselben Namens gleichzusetzen?
    Das Taxi als Freiraum
    Panahi war bislang durch politische Kritik und sein Dasein als Dissident, die ihm Haftaufenthalte und ein langjähriges Berufs- und Reiseverbot einbrachten, fast berühmter, als durch seine bisherigen Kinowerke. Mit "Taxi Teheran" beweist er nun, dass er auch ein hochinteressanter und clever-ironischer Filmemacher ist. Denn der Film handelt im Prinzip von nichts anderem, als von einem Taxi, das einen Tag lang durch Teheran fährt. In diesem kleinen Rahmen gelingt Panahi aber ein facettenreiches Abbild der iranischen Gegenwartsgesellschaft - und das Selbst-Portrait eines Künstlers unter schwierigen Bedingungen.
    "Sie können doch kein Taxifahrer sein. So etwas kann doch gar nicht wahr sein."
    Der "Autofahrfilm" ist seit Jahrzehnten ein eigenes Genre des iranischen Kinos. Das liegt an den besonderen und für Europäer erst recht schwer verständlichen Vorschriften der iranischen Zensurbehörden: Das Auto gilt im Iran juristisch als Innenraum. Im Auto können Iraner (ob im Film oder im wahren Leben) daher alles Mögliche machen, was ihnen sonst verboten ist: Männer und Frauen dürfen sich dort gleichzeitig aufhalten - im Gegensatz zu öffentlichen Orten wie Cafés, Schulen oder Kinos. Die Frauen und schon die kleinen Mädchen natürlich nur mit vorschriftsmäßig streng verschleiertem Haar.
    Daher wird das Auto auch bei Jafar Panahi nun - wie etwa zuvor beim berühmten Abbas Kiarostami - noch ganz anders als zum Beispiel in Hollywoods oder Europas Road-Movies zur emotionalen Druckkammer und zum Seelenerforschungsort. "Taxi Teheran" ist ein regelrechtes Stationendrama. Alle paar Minuten steigen neue Fahrgäste ein und aus, einige von Ihnen erkennen Panahi und sprechen ihn auf seine Filme an. Zum Beispiel ein Straßenhändler, der Filme aus Hollywood, ob von Woody Allen oder Zombieschocker feilbietet, die im Iran theoretisch verboten, praktisch aber eben an jeder Straßenecke erhältlich sind.
    Ein Film über das Filmemachen und über Filmzensur im Iran
    Außer um das Kino drehen sich viele Gespräche um Politik, oder Alltägliches wie Gewalt und die vielen Straßenräuber. Gleich zu Beginn diskutieren zwei Fahrgäste über den Sinn der Todesstrafe. Eine Anwältin erklärt die Folgen der permanenten Bespitzelung: "Deine engsten Freunde werden zu Feinden." Zwischendurch kommt es aber immer wieder auch zu komödiantischen Szenen oder unfreiwillig komischen Momenten. Alles ist inszeniert und choreographiert - doch es bleibt Raum für Spontaneität und Improvisation.
    Das Herz des Films sind die Gespräche mit der etwa zwölfjährigen Nichte Panahis, die in der Mitte des Films zusteigt und ihren Onkel von nun an begleitet. Denn das Mädchen möchte mit einer kleinen Digitalkamera seinen eigenen Film drehen. In der Schule hat ihr die Lehrerin die "Regeln für einen zeigbaren Film" beigebracht. Also die Vorschriften der Zensur. "Zeigbar ist im Iran ein Film, wenn die Guten einen islamischen Namen haben, und keinesfalls eine Krawatte tragen. Ein Film darf keine wirtschaftlichen oder politischen Themen behandeln, er soll die Realität zeigen, aber nicht, wenn sie hässlich ist." Am schwersten wiegt der Vorwurf der Schwarzmalerei. Was immer das sein soll. Es kann alles und nichts sein.
    So ist Jafar Panahis "Taxi" vor allem ein pfiffiger, selbstreferentieller Film über das Filmemachen und über Filmzensur im Iran, aber auch anderswo. Und es ist ein Gesellschaftsporträt, das über die Gespräche, auch über das, was man sieht, wenn man aus dem Fenster blickt, viel von der alltäglichen Wirklichkeit des Landes und den Auswirkungen der Mullah-Diktatur einfängt.
    Bis ganz zum Schluss. Da wird das Bild schwarz. Zwei Männer rauben das Taxi aus, aber es sind keine Straßenräuber, sondern offenkundig Schergen des Geheimdienstes. Sie wollen die Kamera stehlen, um den Film, der wir gerade sehen, zu verhindern. Das gelingt ihnen nicht. Aber ihre letzten Worte lauten: "Wir kommen wieder!"