"Alles was kommt" von Mia Hansen-Løve
"Ich genieße das Leben. - Da hast du Recht. Philosophie ist nicht alles."
Gesteht eine Frau, die das Theoretisieren zur Perfektion gebracht hat. Als Philosophielehrerin genießt es Nathalie, sich mit den Schriften der großen Denker zu befassen und mit ihren Schülern die menschliche Existenz zu ergründen. Aber jetzt - mit Ende 50 - scheinen sich für Nathalie immer mehr die Worte Mephistos zu bewahrheiten: "Grau, treuer Freund, ist alle Theorie." Fast schon trotzig klingt da ihre Erkenntnis:
"Ich führe ein erfülltes intellektuelles Leben. Das reicht mir, um glücklich zu sein."
Denn Nathalie steht vor einschneidenden Veränderungen in ihrem Leben. Die Kinder sind längst erwachsen und aus dem Haus, ihre Mutter vor Kurzem gestorben und der Verlag, der seit Jahren ihre Bücher herausbringt, verlangt nach Innovationen. Die folgenreichste Veränderung aber hat sie ihrem Ehemann zu verdanken.
"Nathalie, ich habe eine andere Frau kennengelernt. - Was soll denn das? - Ich will mit ihr zusammenleben. - Was?! Und geht das mit euch schon lange? - Eine ganze Weile schon. - Und ich dachte, du liebst mich ewig."
In einem anderen Film würde jetzt entweder Nathalies Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt zelebriert werden oder eine Tragödie ihren Lauf nehmen. Nicht so in Mia Hansen-Løves "Alles was kommt" mit der einmal mehr großartigen Isabelle Huppert. Klug durchkreuzt die Regisseurin in ihrer subtilen Charakterstudie die Erwartungen. Das wird besonders deutlich, als Nathalie auf ihren ehemaligen Lieblingsschüler trifft.
"Manchmal habe ich das Gefühl, uns Frauen ab 40 kann man einfach auf den Müll werfen. Kennst du Frauen in meinem Alter, die ihre Männer verlassen? - Ich bin sicher, da gibt es viele - In Filmen vielleicht."
Nein - eine Liebesbeziehung mit dem halb so alten Fabien wird sich hier nicht anbahnen. Nicht einmal in diesem Film.
"Alles was kommt": empfehlenswert
"Krieg & Spiele" von Karin Jurschick
Mitten in der Wüste steuert ein Junge ein Modellflugzeug, als plötzlich am Himmel ein Objekt auftaucht, das aus einem Science-Fiction-Film stammen könnte. Es ist eine hochmoderne Drohne. Sie nimmt den Jungen am Boden ins Visier.
"An die Stelle des Spielzeugs ist eine tödliche Waffe getreten. Ist sie unser Gott geworden?", fragt die Dokumentarfilmerin Karin Jurschick direkt zu Beginn von "Krieg & Spiele", einer vor allem ethischen Reflexion über die unbemannten Flugobjekte, die schon heute gezielt zum Töten eingesetzt und die in Zukunft das Kriegsgeschehen verändern werden.
Karin Jurschick hat unter anderem Israel besucht - ein Land, das eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und dem Einsatz von Drohnen spielt. Der Filmemacherin ist es gelungen, mit einem Drohnenpiloten und -ausbilder des israelischen Militärs zu sprechen.
Ob zu den Menschen, die er verfolgt, eine gewisse Nähe entstehe, fragt Karin Jurschick. Nein, antwortet der Mann, der unerkannt bleibt. Er habe keine Ahnung, wer das ist, wie er heißt und wer seine Familie ist. So könne er seine Mission objektiv durchführen. Ihn persönlich berühre das nicht. Das sei rein professionell.
Von gewissenlosen Technikern ohne moralische Grundsätze, die sich ihre Fähigkeiten innerhalb der Gamer-Community am Joystick erworben haben, sprechen die Kritiker einer solchen Kriegsführung. Die Filmemacherin wirft aber auch einen Blick in die Zukunft. Was ist, wenn die Maschinen selbstständig darüber entscheiden, wann, wo und wen sie töten. Dann ist die Waffe wirklich Gott und der Krieg der Maschinen, wie er in den "Terminator"-Filmen ausgetragen wird, Realität geworden. Ein Dokumentarfilm, der nachdenklich macht und ein Gefühl der Beklemmnis hinterlässt.
"Krieg & Spiele": empfehlenswert
"Suicide Squad" von David Ayer
"So ist das also. Wir sind so eine Art Suicide Squad."
Wie altmodisch, noch Superhelden mit Masken gegen das Böse ins Feld ziehen zu lassen, wenn längst Drohnen die Waffen einer post-heroischen Gesellschaft sind. Flugobjekte mit den Namen Reaper oder Predator könnten Superman, Batman und Co. langfristig arbeitslos machen. Aber vielleicht bereitet den Superhelden noch schneller ihr inflationäres Auftreten ein Ende. Es mutet schon fast wie ein Akt der Verzweiflung an, dass Hollywood den integren Helden jetzt ihre sinisteren Ausführungen entgegensetzt.
"Das Blöde ist: Die werden uns für die ganze Sache die Schuld geben. Wir sind die Sündenböcke. Vergesst nicht: Wir sind die Bösen!"
Es ist die "Suicide Squad", ein Selbstmordkommando von Verbrechern, das - ähnlich wie "Das dreckige Dutzend" aus dem gleichnamigen Kriegsfilm von 1967 - im Auftrag der Regierung Gutes tun soll. Bei "Guardians of the Galaxy" oder auch "Deadpool" haben die Antihelden frischen Wind in das erschlaffende Superhelden-Genre gebracht und für jede Menge Spaß gesorgt. "Suicide Squad" dagegen ist nur lautes, sinnentleertes und witzloses Actionkino mit uninteressanten Figuren, deren Masken höchstens für die nächste Halloween-Party taugen.
"Suicide Squad": ärgerlich