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Filmemacher im Libanon
Geschichten vom Krieg

Obwohl es im Libanon keine nennenswerte Filmindustrie gibt, strömen junge Libanesen scharenweise an die Filmhochschulen. Viele träumen den Traum vom großen Kino und gehen dann ins Ausland. Doch egal, wo und wie sie Filme machen: Ihr Thema ist der Krieg.

Von Juliane Metzker |
    Eine Frau mit Kind hängt in einem illegalen Flüchtlingslager bei Beirut Wäsche auf.
    Eine Frau mit Kind in einem Flüchtlingslager bei Beirut: Im Libanon erleben viele Menschen ihr ganzes Leben lang Kriege. (AFP / Joseph Eid)
    Im Taxi mit Mira Shaeb in Beirut. Sie ist 21 Jahre jung, Libanesin und Filmemacherin in spe. Nichts Ungewöhnliches im Libanon: Wer sich hier unter jungen Studenten umhört bekommt schnell den Eindruck, dass jeder zweite später einmal ganz großes Kino machen will. Doch so einfach ist das nicht: Neben bekannten Regisseuren wie Nadine Labaki und Ziad Doueiri, haben es junge Cineasten schwer, das libanesische Publikum von sich zu überzeugen:
    "Pro Jahr werden im Libanon zwei große Kinofilme produziert. Sie sind von den immer gleichen Regisseuren. Das libanesische Publikum hängt an seinen populären Filmemachern. Das ist sehr traurig, denn unsere Generation ist talentiert und kreativ, aber wir dürfen uns nicht präsentieren."
    Dabei haben die jungen Filmemacher im Libanon viel zu erzählen; Shaeb stoppt das Taxi vor einem ausgebombten Kino. Der kolossale, ovale Betonbau steht im Zentrum von Beirut.
    Krieg und Kino – die Ruine ist ein Sinnbild dafür, was junge Regisseure wie Shaeb umtreibt. Sie war noch nicht geboren, als der fünfzehnjährige Bürgerkrieg in den 90ern endete, doch an den Krieg mit Israel 2006 erinnert sie sich nur allzu gut. Davon handelt auch ihr Kurzfilm "Diaspora", der dieses Jahr außerhalb des Wettbewerbs in Cannes lief.
    Junge Libanesen verarbeiten in ihren Filmen die Kriege in ihrer Heimat
    Der Film zeigt Ausschnitte aus dem Leben einer jungen Libanesin, die mit ihrem Vater vor dem Krieg nach Syrien flüchtet. Dort schläft sie in Schulen,die zu Flüchtlingsheimen umfunktioniert wurden. Dass es vielen Libanesen damals – wie heute den Syrern und Irakern - erging, weiß kaum jemand. Das will Shaeb ändern:
    "Leute denken an Krieg. Kinder sterben, Familien verlassen ihre Häuser. Aber keiner weiß, was wirklich passiert. Mein Film ist für Außenstehende, damit sie sehen, was Krieg wirklich bedeutet."
    Shaeb wuchs im Südlibanon auf. Die libanesische Hisbollah-Miliz und die israelische Armee lieferten sich dort vor neun Jahren heftige Gefechte. Filmemachen ist heute Shaebs Ventil, um die Erfahrungen von damals, zu verarbeiten.
    "Ich glaube, dass meine Identität als Libanesin tatsächlich der Krieg ist. Ich hasse es, das so zu sagen. Aber meine Tante starb im Krieg. Im Garten meiner Oma schlug eine Rakete ein. In einer Kriegszone aufzuwachsen, das hat mich sehr geprägt. Meine Identität muss ich nach Außen tragen."
    Junge libanesische Filmemacher setzen sich mit den Kriegen in ihrer Heimat auseinander. Das zeigt auch der Animationsfilm "Wave '98" von Ely Dagher, der dieses Jahr in Cannes als bester Kurzfilm ausgezeichnet wurde.
    "Nichts verändert sich. Ich will nicht wie alle anderen enden", spricht die Stimme aus dem Off. "Wave '98" spielt im Beirut der Neunziger – der Nachkriegszeit. Dagher porträtiert den demotivierten und hoffnungslosen Omar, der sein Zimmer kaum verlässt. Eines Tages lockt ihn ein goldenes Licht auf die andere Seite von Beirut. Eine Grenze, die er nie zuvor übertreten hat.
    "Nach dem Bürgerkrieg war das Beiruter Stadtzentrum zerstört. Es war ein Niemandsland. Dort trennte die Demarkationslinie Ost- und Westbeirut voneinander. Noch mehr als vor dem Bürgerkrieg, war die Stadt politisch und religiös gespalten. Wer auf der einen Seite aufwuchs entschloss sich nicht plötzlich: Heute nehme ich mein Auto und fahre rüber."
    Daghers Kurzfilm ist sphärisch und abstrakt. Es gibt viele Wiederholungen. Der Hauptcharakter Omar steckt teilweise in einer ausweglosen Lage. Die Perspektivlosigkeit: Ein Gefühl, das auch Dagher in seiner Jugend im Libanon spürte. In seinem Kurzfilm spricht er nicht explizit über Krieg, sondern über die Leere danach. Auch eine Art der Auseinandersetzung, die man selten findet.
    "Die moderne libanesische Geschichte einschließlich des Bürgerkriegs wurde bis heute nicht niedergeschrieben. In der Schule enden die Geschichtsbücher bei 1940. Film und Kunst sind die einzigen Medien, in denen wir die Ereignisse dokumentieren und verarbeiten können."