Klassische Klänge von großem Orchester im Teatro "Carlos Marx" in Havanna. Eröffnet wird das 37. Festival des Lateinamerikanischen Films. Im Jahr 57 nach der Revolution und im Jahr 1 nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba. 444 Filme werden hier gezeigt, aber nicht alle kommen aus Lateinamerika. Es gibt auch ein internationales Panorama, und eine Sektion Deutscher Filme. Dort wird zum Beispiel "Quatsch und die Nasenbärbande" des Regisseurs Veit Helmer gezeigt. Der ist nicht zum ersten Mal zu Gast auf der Insel, sondern war schon 2004 da:
"Das war eine ganz abenteuerliche Reise. Kuba damals noch ganz anders, viel verschlossener, hat mich noch mehr erinnert an so was wie die DDR in der Karibik. Jetzt, zwischenzeitlich, elf Jahre später entdecke ich doch ein viel locker gewordeneres Land und eine Branche im Aufbruch. Viele Menschen kooperieren jetzt mit anderen Ländern, sind auch interessiert an Koproduktionen und ja, eine tolle Entwicklung, die gerade stattfindet."
Die Zukunft ist ungewiss, in der Vergangenheit aber hat die Deutsche Filmreihe auf dem Festival durchaus Highlights geliefert. Dieses Jahr feiert die "Selection Alemana" ihr 20-jähriges Jubiläum. Petra Röhler vom Verbindungsbüro des Goetheinstituts in Kuba hat die Reihe von Anfang an betreut. Von den ersten Retrospektiven von Werner Herzog und Wim Wenders bis heute, wo ein Spektrum aktueller Produktionen wie "Victoria", "Als wir träumten" aber auch "Fuck ju Göthe" gezeigt wird."Good Bye Lenin" war ein Höhepunkt, aufgrund des großen Nachfrage wurde der Film einen ganzen Tag lang in einem extra Kino von morgens bis abends gezeigt. Und die tragische, mit dem Mauerfall endende Ost-West Liebesgeschichte "Das Versprechen" von Margarethe von Trotta:
Hoffnung auf Bewegung auch in der Kultur
"Das war total leise während des Films. Eine Stille, man konnte 'ne Stecknadel fallen hören. Ich hab' immer gesagt, dass ist so wie mit einem Kind, das weiß, wenn es mit etwas Verbotenem spielt- dann ist es ganz leise, damit man es ihm nicht wegnimmt. Und das war am letzten Tag des Festivals, am Tag der Preisverleihung. und die wichtigsten Kritiker, die wichtigsten Leute in Kuba, die mit Film zu tun haben, und die auch Fernsehprogramme hatten über Filme, die waren nicht zur Preisverleihung, die waren und haben "Das Versprechen" sich angeschaut."
Als vor fast genau einem Jahr die Wiederaufnahme der Diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba verkündet wurde, war das für viele Kubaner auch ein Versprechen. Was die Politik in Bewegung gesetzt hat wird auf kultureller Ebene bereits weitergeführt. Die großen Hollywoodstars lassen allerdings noch auf sich warten. Dafür ist das renommierte Sundance Institute - Aushängeschild des unabhängigen Films in den USA - auf dem Festival vertreten. Die Leiterin der Delegation, Michelle Satter, ist zurückhaltend optimistisch:
"Wir möchten Tatsachen schaffen und sind jetzt hier auf einer Art Basissuche. Neben den offiziellen Panels haben wir einen sehr kleinen Workhsop mit drei kubanischen Drehbuchschreibern gewissermaßen unter dem Radar laufen. Das haben wir nicht publiziert, damit möchten wir aber unsere Unterstützung zeigen."
Die Menschen stehen Schlange für das Kino
Alle warten und hoffen auf eine Öffnung, einen interkulturellen Austausch, dem aber auch manche skeptisch gegenüber stehen, so wie der Regisseur Veit Helmer: "Ich hoffe natürlich, dass die Kubaner ihren Traditionen treu sind und ihren eigene Filmstil nicht verlieren. Also solche Initiativen wie heute hier vom Sundance Institute begrüße ich, allerdings muss man da immer aufpassen, dass daraus nicht so ein Weltkino entsteht, wo man eigentlich die Handschriften der Länder verliert."
Ob alt oder neu, Retrospektive oder Experimentalfilm, zehn Tage lang ist Havanna im Filmfieber. Stundenlanges Anstehen, endlose Schlangen vor den Kinos schrecken niemanden, die Leute gehen manchmal sogar lieber ins Kino statt zur Arbeit erzählt Jorge, Cineast aus Überzeugung. Und dabei handelt es sich nicht immer nur um eine verlängerte Mittagspause, wie Petra Röhler weiß: "Die Kubaner sind nun mal ein sehr filmbegeistertes Volk, also schon immer gewesen. Ich kenne verschiedene Leute, die nehmen Ferien, also Urlaub für die Tage des Festivals, um so viel wie möglich Filme zu schauen."
Was in diesem Jahr im Wettbewerb zu sehen ist, unterscheidet sich nicht wesentlich von den vergangenen Jahren - Kritik am System wird in Humor verpackt. Aber in den Französisch- oder Amerikanisch-kubanischen Koproduktionen wie "Vuelos Prohibidos", einer Liebesgeschichte zwischen einer Französin und einem Kubaner, zeigt sich ein Image des Landes, wie es im Rest der Welt wahrgenommen wird - und der Versuch von Kubanern, den Ausländern ihre Welt zu erklären.