Einen Schießstand im Keller hat der Mann sich eingerichtet. Meist schießt er alleine. Manchmal gibt er auch Unterricht. Er wollte eigentlich Opernsänger werden und manchmal singt er auch noch "O sole mio". "Im Keller" heißt der Dokumentarfilm des Österreichers Ulrich Seidl, der jetzt auf dem Filmfestival von Venedig provozierte. Denn natürlich bleibt es nicht bei den billigen Hobbys mit Hitlerbild, Blasinstrumenten und Modelleisenbahn. Seidl verortet die Kelleraktivitäten unter der Gürtellinie, als geheime Obsessionen wie die von Wolfgang Priklopil und Josef Fritzl, die im Keller weggesperrt hatten, was sie vorgaben zu lieben.
Der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl ist Grenzgänger, eher Grenzüberschreiter und bald tauchen auch Sado-Maso-Paare mit Peitschen und quälenden Gewichten am Gemächt des Partners - auch "Schwein" genannt auf. Schließlich soll der Keller die dunklen Räume der geheimen Wünsche repräsentieren. Regisseur Ulrich Seidl hat mit "Im Keller" den sicheren Hafen des seriösen Dokumentarfilms verlassen. Vieles an diesem Film ist wenn nicht - vorsichtig ausgedrückt - geskriptet und reenacted - gleich inszeniert und gespielt.
Dokumentarfilme sind vielleicht schon lange nicht mehr das, was sie uns einst versprachen: die Suche nach der Wahrheit hinter den Dingen.
Komplett inszeniert wie Seidls Sozialstudie wirkt auch Joshua Oppenheimers Tagebuch eines brutalen Massakers in den 1960er Jahren in Indonesien in "The Look of Silence". Unter Aufsicht des Militärs hatte man dort private Mörderbanden mit Messern und Macheten auf vorgebliche und tatsächliche Kommunisten losgelassen. Die unfassbaren Grausamkeiten, denen rund eine Million Menschen damals zum Opfer fielen, hatte der dänische Regisseur Joshua Oppenheimer schon 2012 zum Thema eines inszenierten Dokumentarfilms "The Act of Killing" gemacht, in dem die Täter ihre Untaten als fröhliches Musical zur Schau stellten. Diesmal will er sich ganz auf die Seite der Opfer begeben und schickt einen Überlebenden los, der als eine Ein-Mann-Wahrheitsfindungskommission die Täter zum Schuldeingeständnis wenigstens für den brutalen Mord an seinem Bruder zur Rede stellen will.
Verrückt und betörend an einem Filmfestival ist, dass alles so nah beieinander sein kann: das Schreckliche und das Schöne, das Ernste und das Heitere.
"The show must go on and it will"
Ein Filmregisseur schwört seine Truppe ein. Am Broadway wollen sie ein Stück über Liebe, Täuschung und Leidenschaft aufführen und doch ist schon so vieles passiert zwischen den Protagonisten, dass ein reibungsloser Ablauf kaum mehr möglich scheint. Weniger als 20 Filme hat Peter Bogdanovich, der ehemalige Kritiker und Biograf zahlloser Hollywoodgrößen gedreht. Jetzt - mit 75 Jahren - wollte er es noch einmal wissen und bescherte dem Festival auf dem Lido einen der wenigen heiteren unbeschwerten Momente samt Szenenbeifall und glücklichem Gelächter mit "She´s funny like that". Alle belügen alle und besonders die Männer können nicht lassen von den Seitensprüngen mit Call-Girls, die sie gleichwohl auf den rechten Weg führen wollen.
Im Rhythmus des Fingerschnipsens werden hier die Pointen serviert und die zahlreichen Reminiszenzen an die goldenen Zeiten Hollywoods machen diese romantische Beziehungskomödie zu einem grandiosen Stück Kino der urtümlichen Art. Die Männer versprechen den Frauen immerhin ihr Leben nachhaltig zu verändern. Wer sich da nicht in Acht nimmt, ist schnell auf der Verliererseite des Lebens. Da sage noch einer, dass Boulevardkomödien keine Weisheiten enthalten.
"What is it all about? What is this whole 'changed my life business'?" "What are you talking about?"