Filme aus Tschechien finden nur selten den Weg in die Kinos, aber mit "Fair Play" präsentierte das 49. Karlovy Vary eine starke tschechisch-deutsche Koproduktion, die international Beachtung finden könnte: Authentisch, dicht und packend schildert der Wettbewerbsbeitrag die Nöte einer tschechoslowakischen Spitzenathletin im Olympischen Jahr 1984: Anna hat beste Chancen, sich für ihr olympisches Team zu qualifizieren. Doch das ändert sich, als die Läuferin selbstbewusst die verordneten Dopingmittel verweigert. Die junge Frau wird zur Einzelkämpferin gegen den Trainer, die Staatssicherheit und die eigene Mutter.
"Fair Play" ist jedoch nur ein Beispiel dafür, dass sich Karlovy Vary gegenüber der starken Konkurrenz anderer A-Festivals im osteuropäischen Segment gut behauptet. Zwar verlor das Festival in den vergangenen Jahren schon manches rumänische oder russische Meisterwerk an Cannes oder Venedig. Aber zu entdecken gibt es in Karlovy Vary immer noch genug.
Weltpremiere von "Corn Island"
Besonders stolz ist Karel Och, der künstlerische Leiter des Festivals, darauf, den georgischen Film "Corn Island" als Weltpremiere zu präsentieren:
"Dieser Film ist einfach unglaublich, viele Festivals wollten ihn haben, und ich bin sehr froh, dass wir ihn uns sichern konnten. Es ist die Geschichte eines alten Mannes und seiner Enkelin. Er baut ein Holzhaus und Getreide auf einer kleinen Insel an. Das klingt nicht sehr spektakulär, aber wenn man sich auf diese Geschichte einlässt, wird man darüber staunen, welche Wunder Regie, Kamera und Schnitt vollbringen. "
"Corn Island" gewann in Karlovy Vary verdient den Kristallglobus für den besten Film. Er besticht mit archaischen, einfachen Bildern und einer Ästhetik, die auf Dialoge und Musik fast gänzlich verzichtet. Schauplatz ist eine kleine Insel im kaukasischen Grenzgebiet zwischen Georgien und Abchasien. Subtil deutet der Film das Spannungsverhältnis der Länder jedoch nur an. Soldaten patrouillieren auf dem Fluss, ein Deserteur strandet auf der Insel. Die Gefahr ist allgegenwärtig.
Erste Animationsfilm auf dem Festival: "Rocks in my pockets"
Beachtung verdiente in Karlsbad auch der Beitrag "Rocks in my pockets", der erste Animationsfilm in einem Wettbewerb des tschechischen Festivals. Regisseurin Signe Baumane schildert berührend mit naiven, humorvollen Zeichnungen, aber auch etwas penetrantem Dauerkommentar von den Schicksalen dreier Frauengenerationen ihrer Familie über eine Zeitspanne von 100 Jahren. Sie alle litten unter den patriarchalen Strukturen in Lettland und dachten an Selbstmord, sobald sie zu Müttern wurden:
"Unter den fünf Frauen in meinem Film war ich wohl die einzige, die mehr oder weniger erfolgreich wie durch ein Wunder ihre schweren Depressionen halbwegs in den Griff bekam, obwohl auch ich mit 18 einen Selbstmordversuch unternahm. Aber ich habe dafür einen hohen Preis gezahlt: Ich ließ meine Kinder, meine Familie und meine Heimat zurück und ging allein nach New York."
Spezialpreis für "Freier Fall"
Den Spezialpreis der Jury gewann überraschend der ungarische Beitrag "Freier Fall", eine in ihren surrealen Ambitionen nicht überzeugende, reiflich kunstgewerblich anmutende Groteske um eine ungewöhnliche Selbstmörderin und ihre exotischen Nachbarn in einem Budapester Mietshaus.
Das größte Filmkunstwerk dieses Wettbewerbs aber war der von der Jury leider unbeachtete mexikanische Beitrag "La Tirisia" um zwei traurige Frauenleben in eindrucksvollen kakteenreichen Landschaften. Werke dieses Formats hat man in Berlin und Locarno schon manches Mal vermisst. Der Wettbewerb in Karlovy Vary bewegte sich somit insgesamt auf einem respektablen Niveau.