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Filmfestival "Kino Asyl"
Bewegte Bilder aus der Heimat

Welchen Film würde man mitnehmen, wenn man sein Heimatland verlassen muss? Mit dieser Frage startete gestern das Filmfestival Kino Asyl in München. Auf der Veranstaltung zeigen Geflüchtete aus Afghanistan, Uganda, Sierra Leone, Somalia und Syrien populäre Filme aus ihrer Heimat - und geben damit Einblick in ihre Kultur.

Von Susanne Lettenbauer |
    Eindrücke vom Kino Asyl Festival 2016: Zuschauer sitzen in einem Kino und schauen auf die Leinwand des Kinos
    Eindrücke vom Kino Asyl Festival 2016 ((c) Max Kratzer / Kino Asyl )
    Welchen Film würden Sie mitnehmen, wenn Sie Ihr Land verlassen müssten? Wenn Sie wissen, es kann Jahre dauern, bis Sie wieder zurückkommen - wenn überhaupt? Oder: Welchen Film würden Sie unbedingt noch mal sehen wollen als Flüchtling irgendwo auf der Welt? Wäre das eine Folge der Satiresendung "Scheibenwischer" oder ein Kinofilm von Matthias Schweighöfer, Fritz Lang oder Rainer Werner Fassbinder? Einmal noch "Wetten dass..?" schauen, "Das Leben der anderen" oder - warum nicht auch ein DEFA-Märchen?
    Vor diesen Fragen standen gestern die deutschen Besucher des Eröffnungsabends von Kino Asyl in den Münchner Kammerspielen. Gefragt wurden sie von den Festivalkuratoren aus Afghanistan, Uganda, Sierra Leone, Somalia und Syrien, die derzeit als Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen leben.
    Rund fünf Monate zuvor waren sie selbst angesprochen worden von Sozialarbeitern und Mitarbeitern des Medienzentrums, ob sie nicht einmal zeigen wollten, welche Filme sie früher in der Heimat so gesehen haben. Das Interesse war groß, geblieben ist ein Team von zwölf Enthusiasten. Keine Filmspezialisten, nur einfache Kinogänger, als das in der Heimat noch möglich war. Zu ihnen gehört Imraan aus Afghanistan:
    "Ich glaube, das ist eine gute Chance für uns, den Leuten mal zu zeigen, was uns wichtig ist und was es bei uns so gibt. Ich glaube, das kann man durch Filme sehr gut zeigen."
    Das Festival Kino Asyl wird von in München lebenden jungen Flüchtlingen gestaltet. Das Projekt erhielt im Mai 2016 einen Preis der Kulturstaatsministerin des Bundes zur kulturellen Teilhabe
    Das Festival Kino Asyl wird von in München lebenden jungen Flüchtlingen gestaltet. Das Projekt erhielt im Mai 2016 einen Preis der Kulturstaatsministerin des Bundes zur kulturellen Teilhabe (Kino Asyl/Max Kratzer )
    Gemeinsam mit seinem Landsmann Tawfiq fielen ihm gleich vier in Afghanistan populäre Filme ein - zwei davon sind auf dem Festival zu sehen. Für das deutsche Publikum erstaunlich: Auch Frauen spielen - unverschleiert - Hauptrollen in afghanischen, vom Staat unterstützten Produktionen, heikle Themen werden sehr wohl angesprochen - wie eine Frau zum Beispiel nach zehn Jahre Ehe ihrem sehr viel älteren, im Koma liegenden Mann endlich die Wahrheit über ihre fehlenden Gefühle sagt.
    Wie eine Zeitreise in die verlorene Heimat
    Und ein Kurzfilm, ebenfalls von 2012, über die Freundschaft zweier mittelloser Jungs in Kabul, die ihre Träume leben wollen, wie viele der Flüchtlinge in Deutschland:
    "Also dieser Film war ein besonderer Film bei uns, dieser Film war bisschen weit vorm Krieg, da gab es noch keinen Krieg. Es gibt viel Bedeutung in diesem Film über Kultur und Ziele im Leben, also ich finde es ist ein interessanter Film", so Tawfiq.
    Für die Flüchtlinge ist es eine Zeitmaschine in die verlorene Heimat mit Bildern unzerstörter Städte, Mittelklasseautos auf unzerbombten Straßen, Liebespaare im Park - Alltag eben. Kino Asyl ist zuallererst ein Sozialprojekt - sicher, deshalb ist der Eintritt zu den Vorführungen frei. Die Geflüchteten lernen die Organisation eines Festivals kennen, suchen monatelang nach den Filmen, deren Regisseure teilweise auch geflohen sind. Und damit ist Kino Asyl auch ein Rechercheprojekt, ein Austausch zwischen Regisseuren und Publikum außerhalb ihres Heimatlandes, meint Mareike Schemmerling, Organisatorin vom Münchner Medienzentrum:
    "Dieses Jahr hatten wir es bei den syrischen Filmen, dass wir sprachlich einfach gar nicht mehr weiterkamen. Wir konnten es nicht lesen, wir konnten mit den Menschen nicht sprechen, und dann hat sich unser Kurator eingeschaltet und hat in der Welt herumtelefoniert. Und das war wirklich so: in der Welt herumtelefoniert, um herauszufinden, wo denn gerade der Filmemacher gelandet ist. Oft sind die selbst geflohen, haben die Filmdateien nicht dabei. Das ist gar nicht so einfach."
    Eindrücke vom Kino Asyl Festival 2016: Der Zuschauerraum des Kinos während einer Vorstellung
    Eindrücke vom Kino Asyl Festival 2016 ((c) Max Kratzer / Kino Asyl )
    Das Festival Kino Asyl will nicht Mitleid erregen oder vom Alltag auf der Flucht erzählen, sondern neugierig machen auf andere Filmkulturen. Anfangs war es auch nur als halböffentliche Veranstaltungsreihe geplant, 40 Stühle habe man probeweise hingestellt für interessierte Münchner Bürger, sagen die Macher. Es kamen mehr als 100, Tendenz steigend.
    Der Erfolg dürfte an dem fehlenden Zeigefinger liegen und daran, dass hier nicht moralisiert werden soll. Als Festivalbesucher sitzt man gewissermaßen mit seinen Gastgebern auf dem Wohnzimmersofa in Afghanistan, Syrien, Uganda, Somalia und Sierra Leone und bekommt einfach nur einen Einblick in die Film- und Fernsehgewohnheiten ganz normaler Menschen. Spannend und berührend gleichzeitig.
    Das Festival Kino Asyl findet vom 4.-8.12.2016 in den Münchener Kammerspielen statt.