Gut drei Stunden lang wummern die Bässe und zucken die Körper. Abdellatif Kechiche begleitet in seinem Film "Mektoub, My Love: Intermezzo" eine Gruppe junger Erwachsener in die Disco. Seine Kamera verharrt dabei in chauvinistisch-voyeuristischer Perspektive auf den Körpern der tanzenden Mädchen. Da der handlungsarme Film kaum mehr zu bieten hat als das, fragen sich viele Kritiker, warum Kechiche überhaupt in den Wettbewerb eingeladen wurde.
Besonders politischer Wettbewerb
Die übrige Wettbewerbsauswahl weiß dagegen zu überzeugen: Selten zuvor hat sich Cannes derart politisch gezeigt, wie in diesem Jahr. Deutlich mehr als die Hälfte der 21 Filme besitzt explizit politische Inhalte. In Geschichte und Gegenwart haben die Filmemacherinnen und Filmemacher ihre Geschichten gefunden: Die Polizeigewalt in Frankreichs Vorstädten ist ebenso Thema wie die Arbeitsbedingungen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar oder der Kampf der italienischen Justiz gegen die Cosa Nostra. Dabei haben sie sich ganz unterschiedlicher Filmgenres bedient – vom Sozialdrama bis zur bitterbösen Satire.
Gesellschaftskritik in Satireform
Eine solche hat der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho gedreht. In "Parasite" erzählt er von einer armen Familie, die sich mit Hilfe ihrer Cleverness und Einfühlsamkeit in den Dienst einer neureichen Familie stellt. Bald aber wollen die vier Dienstleister am Reichtum und an den Privilegien ihrer Arbeitgeber teilhaben. Die rasant und comichaft erzählte Geschichte hält uns den Spiegel vor: Sind wir nicht alle Parasiten? Eine geistreiche Gesellschaftskritik.