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Filmförderung
Wichtiges Stück Kultur

Der Filmschaffende und Dozent Matthias Allary verteidigt die jetzige Filmförderung in Deutschland. Vor dem heutigen Gerichts-Urteil sagte er im Deutschlandfunk, die Mischung aus kommerziellen und nicht-kommerziellen Filmen halte das Publikum bei der Stange.

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    Ist die Filmförderung rechtens? Der BGH entscheidet. (dpa/picture-alliance/Britta Pedersen)
    Jasper Barenberg: Einige große Kinobetreiber wehren sich nun mit ihrer Klage dagegen, dass sie einen Teil ihrer Einnahmen gesetzlich verpflichtet an die Filmförderungsanstalt FFA in Berlin abgeben müssen, um damit den deutschen Film im In- und Ausland zu unterstützen. 100 Millionen Euro, auf diese Finanzspritze ist die deutsche Filmwirtschaft, ist der deutsche Film existenziell angewiesen, sagen die einen. Die Kläger aber halten die Zwangsabgabe für falsch und für ungerecht.
    Am Telefon begrüße ich Mathias Allary, Professor an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München. Schönen guten Tag.
    Mathias Allary: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Warum sollen die Kinos mit einer Zwangsabgabe jede Menge Filme mitfinanzieren, die ihnen überhaupt keinen wirtschaftlichen Nutzen bringen? So lautet das zentrale Argument der Kläger. Wie stichhaltig ist das Argument?
    Allary: Na ja, es kommt so ein bisschen darauf an, wie man den Film betrachtet. Wenn ich ihn wie jedes andere Wirtschaftsgut auch anschaue, ob ich jetzt mit Autoreifen oder Schweinehälften zu tun habe, dann ist das Argument wahrscheinlich stichhaltig. Dann fragt man sich, warum soll ich das eine unterstützen, ich handele doch nur mit Autoreifen. Aber es geht ja hier um was ganz besonderes: Es geht um den Film, und das ist ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Kultur, und da sollte man schon ein bisschen genauer hingucken, denke ich, ob das nicht genauso schützens- und förderungswürdig ist wie jetzt die Oper, das Konzert, Literatur etc., also ganz viele dieser Dinge, die für uns wichtig sind und die die Menschen wollen und einfordern. Die werden unterstützt vom Staat, sonst gäbe es sie in dieser Form nicht.
    Barenberg: Schützenswert finden auch die Kläger natürlich den deutschen Film und die deutsche Filmförderung. Sie sagen bloß, das sollte aus Steuermitteln bezahlt werden und nicht aus einer Zwangsabgabe, von der sie wirtschaftlich gesehen jedenfalls gar nichts haben.
    Allary: Na ja, dazu muss man schon auch ein bisschen genauer anschauen, warum gehen die Leute ins Kino und ist das Kino tatsächlich nur der Ort, an dem man amerikanische Blockbuster abspielt, oder ist das Kino auch ein Ort, an dem vieles, was in unserem Land mit unseren Menschen, mit unseren Geschichten zu tun hat, erzählt wird. Dieser Mix, glaube ich, dass man sowohl das sehr eng kommerzielle Kino als auch das Kino, was ein bisschen nachdenklich macht, im Kinosaal anschauen kann, dieser Mix ist, glaube ich, das, was ein Publikum bei der Stange hält. Ich kann mir vorstellen, dass gerade die Fans von amerikanischen Blockbustern durchaus auch irgendwann komplett an die Flatscreens zuhause abwandern werden, und wenn da nicht eine lebendige Kinokultur auch erhalten wird, dann haben, glaube ich, auch die großen Kinobetreiber nicht mehr viel Vergnügen.
    Barenberg: Haben Sie trotzdem ein wenig Verständnis für die Wünsche, die Forderungen der Kläger, dass man künftig bei der Filmförderung in Deutschland ein wenig mehr auf wirtschaftlich erfolgreiche Filme schauen sollte, darauf achten sollte?
    Allary: Das mit den wirtschaftlich erfolgreichen Filmen in Deutschland ist sowieso so eine Sache. Sie müssen davon ausgehen, dass wir in einem so engen Sprachraum leben, dass wir eigentlich nur ganz selten mit den Zuschauern, die ins Kino gehen und die zur Verfügung stehen, Deutschland, Österreich, Schweiz vielleicht noch, dass wir da nur ganz selten wirklich kommerziell erfolgreich sein können. Das Gros der Filme, die auf Deutsch in Deutschland produziert werden, die können einfach gar nicht das einspielen. In Amerika, wenn da ein Film startet, dann haben die schon am ersten Wochenende so viele Kinos zur Verfügung, dass signifikante Rückflüsse schon da sind. Bei uns ist das gar nicht vom Sprachraum her machbar. Insofern kann man das nicht miteinander vergleichen.
    Barenberg: Das heißt, auch wenn wir an die großen Produktionen, an bekannte Regisseure denken, die seit Jahren etabliert sind, dann muss man schon sagen, ohne die Förderung wären auch solche Produktionen nicht möglich? Das, nehme ich an, verwundert ja viele, die sich nicht so genau damit beschäftigen.
    Allary: Es kommt jetzt darauf an, was Sie unter "große Regisseure" verstehen. Wenn Sie unter großen Regisseuren zum Beispiel international betrachtet die Dardenne-Brüder, die in Cannes eine Palme holen mit einem Film, wenn wir die anschauen, die haben dann auch mal mit ihren Filmen nur 10.000 Zuschauer in Deutschland. Wenn ein großer Regisseur Til Schweiger ist, der holt natürlich viele Millionen ins Kino. Also das ist eine Frage der Definition. Aber es ist nicht so, dass jetzt in Deutschland wirklich sämtliche Regisseure am Hungertuch nagen, oder sämtliche Produktionen irgendwo vor sich hindümpeln. Es gibt einen kleinen Anteil, eine gewisse Zahl von Produktionen, die durchaus Erfolg versprechend sind, und diese Produktionen, die könnten wahrscheinlich erschwert, aber trotzdem auch ohne die FFA-Gelder ihre großen Projekte verwirklichen, weil da sind eine ganze Menge andere Mechanismen noch im Spiel. Aber die eher kleineren, die werden dann größere Probleme haben.
    Barenberg: Wir wissen ja noch nicht, was die Richter in Karlsruhe heute entscheiden. Im Vorfeld haben ja viele aus der Filmbranche gesagt, wenn die tatsächlich diese Zwangsabgabe kippen, dann geht ganz viel Vielfalt, Kontinuität, Unabhängigkeit, Qualität im deutschen Kino verloren. Ist das zu stark formuliert, oder geht das schon in diese Richtung?
    Allary: Wenn wir die FFA anschauen, so muss man ganz ehrlich sagen, dass der größere Anteil der Gelder doch eher in große Projekte geht, und diese großen Projekte, das ist eben nur ein Teil unserer Filmkultur. Es gibt einen sehr, sehr großen Anteil von Filmemachern, die nie von der FFA profitieren können, weil sie schlicht und einfach da durch ein Raster fallen. Es gibt da bestimmte Spielregeln und wenn man die nicht erfüllt, wie zum Beispiel, dass man eine GmbH hat mit einem bestimmten Stammkapital etc., dann kommt man gar nicht erst in den Genuss dieser Förderung. Die kleineren Filmemacher, die Independent-Filmemacher, die werden eher von den anderen Förderungen unterstützt. Die fallen da so ein bisschen durch.
    Barenberg: Das heißt, wenn genau dieser Baustein entfiele, das wäre aus Ihrer Sicht gar nicht so ein großer Beinbruch?
    Allary: Es würde den größeren Playern wahrscheinlich die Finanzierung etwas erschweren. Aber ich denke, sie würden trotzdem noch den einen oder anderen Film mit Til Schweiger etc. auf die Beine stellen. Das lassen die sich ja trotzdem nicht entgehen, Filme, mit denen sie an der Kasse, obwohl es ein deutscher Film ist, doch Einnahmen generieren können.
    Barenberg: Zum Schluss: Ganz unabhängig davon, wie diese Entscheidung ausgeht, wird es eine Debatte in der nächsten Zeit darüber geben, ob man die Filmförderung mit ihren verschiedenen Töpfen und Strukturen reformieren, verändern, neu aufstellen muss?
    Allary: Ich denke, dass man das immer wieder angucken muss und immer wieder nachsteuern sollte. Ein wichtiges Thema, was aber jetzt gar nicht bloß FFA betrifft, sondern eigentlich alle Förderungen, ist, dass wir in Deutschland eine übergroße Macht dem Fernsehen zugestanden haben. Eigentlich ist es so, dass bei uns die Fernsehsender schon fast diktieren können, welche Filme gemacht werden und welche nicht, und das ist in den Nachbarländern nirgendwo der Fall. Das wäre zum Beispiel ein Punkt, in dem man sich das auf jeden Fall genauer angucken sollte.
    Barenberg: Das werden wir sehen. Vielen Dank für heute Morgen Mathias Allary, Professor an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München. Danke für das Gespräch!
    Allary: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Hinweis: Das Gespräch mit Matthias Allary können Sie mindestens fünf Monate lang als Audio-on-demand abrufen.