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Filmgeschichte als Devotionalienkultur
Filme ohne Kino

"Easy Rider", "Odyssee im Weltraum", "Apocalypse Now" - das Kino lässt alte Klassiker aufleben, bringt wenig Neues hervor. Und obwohl immer mehr Filme produziert werden, verschwindet das Kino aus den Filmen, sagte Lars Henrik Gass, Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage, im Dlf.

Lars Henrik Gass im Corsogespräch mit Susanne Luerweg |
Lars Henrik Gass sitzt alleine in einem Kinosaal mit roten Sitzen
Leidenschaft fürs Kino: Lars Henrik Gass, Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage (dpa (Roland Weihrauch))
Superhelden, 50 Jahre alte Kultfilme und ab und zu mal etwas Neues, das dann aber nach ein bis maximal zwei Wochen wieder aus dem Kino verschwindet. So stellt sich grob skizziert die Kinolandschaft da. Die großen Blockbuster lassen noch auf sich warten, aber gefeiert werden ja gerade 50 Jahre "Easy Rider" und 40 Jahre "Apocalypse Now" - große Filme fürs Kino, die aber kaum noch im Kino stattfinden, so Lars Henrik Gass, Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage, in seinem aktuellen Buch "Filmgeschichte als Kinogeschichte: Eine kleine Theorie des Kinos".
Wir haben noch länger mit Lars Henrik Gass gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Das Hollywoodkino der 30er- bis 70er-Jahre habe nur noch ein Viertel der Kinoeintritte, und man habe auf ökonomischere Produktionsformen zurückgegriffen, sagte Lars Henrik Gass im Deutschlandfunk. "Easy Rider" zeige, dass man sehr billige Publikumserfolge produzieren könne. Erzählerisch sei der Film nicht innovativ, sondern ein Western auf Motorrädern mit Laiendarstellern und billiger Kameratechnik.
New Hollywood habe gezeigt, dass Gesellschaft ins Kino einbreche. Heute hingegen könne man beobachten, dass Filmförderstrukturen Einfluss darauf nehmen, wie Filme aussehen. Wenn Jason Bourne in Berlin herumspringe, habe das weniger mit einer erzählerischen Logik, denn mit einer Filmförderlogik zu tun.
Nostalgischer Umgang mit Filmgeschichte
Die mediengeschichtliche Besonderheit des Kinos bestünde darin, dass man für zwei Stunden zu einer Wahrnehmung von Realität gezwungen sei - und das trete nun ins gesellschaftliche Abseits. Die Konsequenz: Man setze sich nicht mehr einer anderen Wahrnehmung von Realtität aus, man wolle immer den Zugang zur Realität kontrollieren, so Gass. Die Fake-News-Debatte sei eine Folge, da man sich nicht mehr gesellschaftlich darauf verständigen könne, was das Andere sei. Insgesamt hätten wir alle immer weniger Zeit, und darunter litten alle Künste.
Derzeit gebe es einen sehr nostalgischen Umgang mit Filmgeschichte, dennoch spiele Kinokultur bildungspolitisch keine Rolle mehr - und das sei nicht richtig, so Lars Henrik Gass.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Lars Henrik Gass: "Filmgeschichte als Kinogeschichte: Eine kleine Theorie des Kinos"
Spector Books Leipzig, 2019. 116 Seiten, 14 Euro.