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Filmkritik
"Diana" - Schmonzette mit Küchenpsychologie

In Großbritannien bekam "Diana" fast ausschließlich vernichtende Kritiken. Dort war er schon im Herbst in den Kinos und der "Observer" schrieb zum Beispiel, die Prinzessin sei durch den Film ein zweites Mal einen grausamen Tod gestorben.

Von Jörg Albrecht |
    Naomi Watts als Lady Di in einer Szene des Films "Diana" von Oliver Hirschbiegel
    Naomi Watts als Lady Di in einer Szene des Films "Diana" von Oliver Hirschbiegel (picture alliance / dpa / Concorde Filmverleih)
    "Ich bin zu Tode fotografiert worden." Ein Satz von Marlene Dietrich, der am 31. August 1997 eine ganz neue Dimension bekommen sollte. Verfolgt von Paparazzi, verursachte der Fahrer von Diana Spencer in Paris einen Unfall, den die Prinzessin und ihre Begleitung, der Geschäftsmann Dodi Al-Fayed, nicht überleben sollten. Die berühmteste Frau der Welt war tot, ganz Großbritannien stand unter Schock.
    Auch mehr als 16 Jahre danach ist die "Königin der Herzen", wie Diana schon zu Lebzeiten genannt wurde, immer noch eine Art Nationalheiligtum. Dessen Demontage betreibt Regisseur Oliver Hirschbiegel hier keineswegs. Selbst wenn das die Hasstiraden der britischen Presse vermuten lassen könnten. Eher ist Hirschbiegels Filmbiografie nach dem Buch Diana: Her Last Love der englischen Autorin und Journalistin Kate Snell der Versuch, einer Heiligen ein menschliches Antlitz zu geben. Und das mithilfe einer Liebesgeschichte, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft scheint. Bereits der Titel der Buchvorlage spricht schon Bände, klingt er doch mehr nach Groschenroman als nach Biografie.
    Realität an Trivialität nicht zu überbieten
    "Bei meinen Krankenhausbesuchen bin ich ganz aufgeregt. Dann habe ich das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun. – Vielleicht kann ich Sie ja mal herumführen. – Das wäre ganz wundervoll. – Ich weiß nicht, wie ich Sie erreichen kann. – Nun, ich bin genau wie andere Menschen auch. Ich habe ein Handy. Na ja, nicht ganz wie andere Menschen: Ich habe vier. – Eine Nummer würde genügen."
    Vermutlich hätten es nicht einmal die üblichen Verdächtigen des verkitschten Liebesromans – also Rosamunde Pilcher und Co. – gewagt, eine einsame Prinzessin mit gebrochenem Herzen ausgerechnet in die Arme eines Herzchirurgen laufen zu lassen. Aber die Realität ist in diesem Fall an Trivialität nicht zu überbieten. Der Herzchirurg, dem die von Prinz Charles getrennt lebende Diana 1995 in einem Londoner Krankenhaus begegnet, ist der aus Pakistan stammende Dr. Hasnat Khan.
    "Ich hätte nicht gedacht, dass Sie einen Fernseher haben. – Aber natürlich. Ich sehe gern fern. – Was denn alles? – Na ja alles. ..."
    Die Prinzessin sieht also gern fern. Und das muss sie ab sofort nicht mehr allein tun in Kensington Palace, wo sie sich nach der Trennung von Charles eingerichtet hat. Und während die Liebesgeschichte mit Khan ihren Lauf nimmt in Szenen, die frei erfunden sind, weil von den beiden einzigen Beteiligten sie gestorben ist und er bis heute schweigt, versucht Oliver Hirschbiegel das Fiktive durch Fakten zu untermauern.
    Private Momente bleiben spekulativ
    "Hierher! ... Vor drei Wochen wäre dieser kurze Gang unmöglich gewesen. Ich wäre vollkommen zerfetzt worden. Bald kann das ganze Land hier wieder bestellt werden, können Kinder auf den Feldern spielen. Doch Räumungen sind langwierig und sehr gefährlich. Die Menschheit kann nur dann vor Landminen geschützt werden, wenn es verboten wird, sie weiterhin herzustellen."
    Dianas öffentliche, medienwirksame Auftritte wie ihr Einsatz gegen Landminen werden brav nachgestellt. Doch während die Rekonstruktion dieser Auftritte rein deskriptiv ist, bleiben sämtliche privaten Momente zwischen Diana und Khan spekulativ. Das waren auch viele Handlungsstränge in Stephen Frears "Die Queen". Während Frears und Drehbuchautor Peter Morgan aber eine kluge und geistreiche Annäherung an die britische Königin und damit eine subtile Charakterstudie gelingen, kommt "Diana" dagegen niemals über Seifenopern-Niveau hinaus.
    "Ich bin Chirurg. Ich kann nicht arbeiten, wenn ich ständig von Paparazzi verfolgt werde. ... Und was soll das heißen? – Das mit uns hat keine Zukunft. So wie dein Leben aussieht, so wie mein Leben aussieht – das bringt nichts."
    Dialoge aus dem Handbuch der Küchenpsychologie
    Nichts bringen auch die Dialoge, die den Menschen hinter der Fassade der Prinzessin herausschälen wollen und die sich genauso wohl im Handbuch der Küchenpsychologie finden lassen. Die einsame und gejagte Prinzessin, der kein Privatleben zugestanden wird. Das über- oder besser unterfordert selbst eine wunderbare Darstellerin wie Naomi Watts, der man ein besseres Drehbuch gewünscht hätte.
    "Ich habe ihn immer wieder – den Traum, von dem ich erzählt habe. – Wo du ins Dunkle fällst? – Nein, ich falle nicht. Jemand lässt mich fallen. Das macht jemand absichtlich."
    Kaum weniger plakativ geraten bei Hirschbiegel selbst die Szenen, in denen nicht geredet wird. Wenn direkt zu Beginn des Films Diana in ihrer Limousine sitzt, sehen wir, wie ihr Lächeln förmlich einfriert, nachdem die Kameras nicht mehr auf sie gerichtet sind. Ja, das Leben als Prinzessin ist eines voller Entbehrungen. Für diese Erkenntnis hätte es genügt, "Diana" auf einem der angestammten Schmonzetten-Sendplätze im Fernsehen zu versenden. Im Kino aber hat dieser Film nichts verloren.