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Filmkritik
Liebe und Leben von Vampiren heute

Es ist schon lustig, wenn ein Vampir dem anderen erklärt, wofür es sich zu leben lohnt: für Natur und Kultur und echte Freundschaften und vor allem fürs Tanzen. Und so lässt der Vampir von seinem Selbstmordversuch ab und unterhält in Jim Jarmuschs neuem Film "Only Lovers Left Alife".

Von Josef Schnelle | 21.12.2013
    "Könnten Sie nicht in Betracht ziehen, dass wir uns mal außerhalb des Krankenhauses treffen, statt einfach so unerwartet aufzutauchen, wie ein Phantom?"
    Es ist nicht leicht ein Vampir zu sein, wenn man nicht gerade romantische Jugendgeschichten verfilmt wie "Biss zum Ende der Nacht". Regisseur Bill Condon hat mit seiner Verfilmung der Bücher von Stephanie Meyer alles Blut aus dem Menschheitsmythos der schrecklichen Sauger herausgefiltert. Die Gefährlichkeit der Draculas und Nosferatus, die die Literatur des 19. Jahrhunderts geprägt haben und dem frühen Stummfilmkino wie auch der Hollywood-Filmfabrik ihren Stempel in Hunderten von Filmen aufgedrückt haben, hat sich längst verflüchtigt. Wer hat schon noch Angst vor nächtlichen Blutsaugern, wenn die alltägliche Umweltverseuchung längst überhand genommen hat. In Jim Jarmuschs Film trauen sich die Vampire schon gar nicht mehr, mit ihren spitzen Zähnen menschliches Blut direkt aus den Hauptschlagadern zu saugen.
    "Jetzt ist es ihnen auch gelungen, ihr Blut zu verseuchen, ihr eigenes Blut. Erwähnen wir mal nicht ihr Wasser."
    Adam und Eva sind die Liebenden dieser Geschichte mit Vampiren, die sich um die Menschheit sorgen und sowieso das Wissen der Welt aufgesogen haben und die das Menschenblut nur noch aus Ampullen und Präparaten genießen, wie eine besondere Art von Rotwein, den man auf der Website des Verleihs Pandora übrigens tatsächlich bestellen kann. Außerdem sind die im Verborgenen hausenden Vampire zu so etwas wie dem Gewissen der Welt geworden: In den Ruinen von Detroit und in der Kasbah von Tanger sind sie eher daran interessiert, was verloren gegangen ist an menschlicher Kultur, als daran, deren physische Existenz zu zerstören. Eva besucht Adam, der sich zum Avantgarde-Musiker stilisiert hat und entdeckt die geheimen Sehnsüchte ihres ewig lebenden Liebhabers.
    - "Mir gefällt, was du aus all dem hier gemacht hast. Und mir gefällt auch deine neuste Musik. Ich musste sofort an Schubert denken und dieses Streichquartett, das du ihm gegeben hast und das er dann als sein eigenes präsentiert hat."
    - "Dazu hatte ich ihn allerdings gebeten, und es war auch nur das Adagio. Nur um mal irgendwas nach draußen zu geben."
    - "Hast du deshalb die neuen Sachen veröffentlicht?"
    - "Ich brauchte eine Reaktion."
    Vampire als unerkannte heimliche Künstler, die die Hochkultur seit Jahrhunderten begleiten, eigentlich der Garant aller kulturellen Entwicklungen sind. Darauf kann man nur kommen, wenn man Independent-Filmemacher in New York ist, dort Musik macht und seit 30 Jahren so unamerikanische Filme macht, dass sie sich am Ende nur mit europäischem Geld finanzieren lassen. Auch "Only lovers left alive" wurde mit Unterstützung der deutschen Filmförderung realisiert. Ganz ohne Humor und Pointen kommt der Film allerdings nicht, wobei das "Blut am Stil" aus dem Tiefkühlfach zu den verrücktesten Einfällen zählt:
    - "Was ist das?"
    - "Null negativ."
    - "Blut am Stil."
    - "Gar nicht übel."
    - "Ich finde es sehr erfrischend vor allem dann, wenn es gerade brenzlig wird."
    In Jim Jarmuschs Film sind die uralten Vampire dunkle Engel, die uns begleiten. Außerdem: Wie einsam mögen sich all die Kreativen dieser Welt wohlfühlen in einer Kultur des Erfolgs. Im düsteren Schein der Wohlfühllampen ganz ohne Aussicht auf die große Wende des Lebens. Jim Jarmusch hat das mit filmischem Licht ohne jede Helligkeit als eine Art Rockmusical und als elementare Liebesgeschichte eben zwischen Adam und Eva eingefangen. Und deswegen hat der Film auch einen Titel, der klingt wie der Titel eines Pop-Albums: Only lovers left alive. Klar doch, wer könnte sonst noch überleben außer den Liebenden.