"80 Prozent der Treibhausgase sind auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen", heißt es in einem Internetspot von SUEZ, dem weltweit zweitgrößten Wasserkonzern. Und bis 2050 werde die Bevölkerung der Städte um 50 Prozent zulegen. Deshalb sollte die Stadt der Zukunft mit Vorrichtungen zum Auffangen von Kohlenstoffdioxid aufgerüstet werden.
Im Spot wirbt SUEZ für seine innovative Technologie. Die lässt sich in einer klassischen Pariser Litfaßsäule verpacken: vier Meter hoch, zweieinhalb Meter Umfang, ein Kubikmeter Innenraum, im typischen Dunkelgrün gestrichen.
"Auffangleistung von 112 Bäumen"
"Die Säule ist mit Wasser gefüllt und mit dem städtischen Abwassersystem verbunden. In der Säule schwimmen Mikroalgen. Sie reproduzieren Abläufe, die im Wald und im Ozean stattfinden: mittels Fotosynthese fangen sie Kohlenstoffdioxid ein", erklärt Helene Valade, Direktorin der Abteilung Nachhaltige Entwicklung bei SUEZ, und geht ins Detail. "Die Außenluft wird angesaugt und zirkuliert im Inneren der Säulen, an den Algen vorbei."
Ihre Kollegin Marie Cecile de Chezelles ergänzt: "Unser Prototyp soll ermöglichen, pro Jahr mindestens eine Tonne CO2 zu fixieren. Das entspricht der Auffangleistung von 112 Bäumen."
Das Algenfutter Kohlendioxid kurbelt das Wachstum der Einzeller an. Regelmäßig soll der Algenüberschuss in die Kanalisation abgeleitet werden, erklärt Helene Valade von SUEZ.
Kohlendioxid kann in erneuerbare Energie umgewandelt werden
"Beim Durchlaufen der Kläranlagen wird die mit CO2 angereicherte Algenmasse in Klärschlamm verwandelt, der Biogas produziert. Aus dem Biogas wird Biomethan gewonnen, das sich in die städtischen Gasleitungen einspeisen lässt. um die Wohnungen im Umfeld mit erneuerbarer Energie zu beheizen."
In einer Kläranlage nordwestlich von Paris testet SUEZ das Verfahren schon seit Jahresbeginn. Da wird der Dampf direkt aus der Klärschlamm-Verbrennung gefiltert, und das klappe sehr gut, sagt Bertrand Camus, Direktor von SUEZ Eau France.
"Derzeit versuchen wir zu bestimmen, wie viel Methan sich aus der Algenmasse gewinnen lässt. Mit der Anlage in der Litfaßsäule, die jetzt an einem Pariser Platz den Betrieb aufnimmt, wollen wir herausfinden, ob die Technologie auch bei einer eher diffusen CO2-Zufuhr, die zudem je nach Verkehrsaufkommen schwankt, funktioniert."
Wird ingesamt wirklich weniger CO2 produziert?
Das genau sei ein Knackpunkt, weiß auch Olivier Bernard vom staatlichen Forschungsinstitut für Informatik und automatische Systeme. Seinen Berechnungen zufolge ließe sich ein massives Wachstum der Algen nur mittels konzentrierter CO2-Zufuhr erzielen. Höherer Dosen als selbst an Verkehrknotenpunkten in der Luft hingen. Einig ist sich der Forscher mit den Projektbetreibern dahingehend, dass Mikroalgen über ein enormes Potenzial verfügen, CO2 zu binden und damit zu neutralisieren. Bis eine solche Luftreinigungsanlage allerdings leistungsstark sei, müsse das Verfahren dringend weiterentwickelt werden, meint Forscher Olivier Bertrand:
"Um die Algen zum Wachsen zu bringen, braucht man Energie. Und bei deren Erzeugung entsteht CO2. Die aktuelle Herausforderung besteht also darin, beim Anlagenbetrieb weniger Kohlenstoffdioxid zu produzieren, als von der Vorrichtung aufgefangen wird."
Die "grüne und die Luft säubernde" Litfaßsäule findet in der französischen Presse ein sehr positives Echo. Sie sorgt für hohe Erwartungen. Ein Jahr Probelauf wird der Prototyp nun absolvieren. Sollten die Ergebnisse zufriedenstellend ausfallen, hofft man bei SUEZ schon auf ein boomendes Geschäft. Laut Direktor Bertrand Camus könnten solche Luftreiniger demnächst vor allem Abluftanlagen von Straßentunneln oder unterirdischen Parkplätzen bestücke, also an Orten mit hoher CO2-Konzentration.