Lagarde wurde wegen der Schadenersatzzahlung schon mehrfach befragt, zuletzt gestern. Im Mai 2013 war sie noch einem formellen Ermittlungsverfahren entgangen. Sie wurde als Zeugin mit Rechtsbeistand eingestuft, ein Zwischenstatus zwischen Zeugin und Beschuldigter.
Der Vorwurf laute auf "Nachlässigkeit", sagte Lagarde der Nachrichtenagentur AFP. Sie kündigte an, gegen das formelle Ermittlungsverfahren der französischen Justiz Berufung einzulegen. Einen Rücktritt von der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) schloss die frühere französische Finanzministerin aus und fügte hinzu: "Ich kehre diesen Nachmittag zum Arbeiten nach Washington zurück."
Jahrelanger Rechtsstreit
In der Affäre geht es um eine umstrittene staatliche Schadenersatzzahlung an den französischen Unternehmer Bernard Tapie. Ein Schiedsspruch hatte Tapie 2008 nach dem Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas im Jahr 1993 staatlichen Schadenersatz in Höhe von rund 400 Millionen Euro zugesprochen. Lagardes Finanzministerium hatte zuvor ein privates Schiedsgericht angerufen, um den langjährigen Justiz-Streit mit Tapie zu beenden. Der Geschäftsmann hatte sich von der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas geprellt gesehen und deswegen geklagt.
Diese Entscheidung wird von den Ermittlern ebenso unter die Lupe genommen wie Lagardes Beschluss, den Schiedsspruch nicht anzufechten. Es besteht der Verdacht, dass Tapie eine Vorzugsbehandlung erhielt, weil er im Präsidentschaftswahlkampf 2007 den späteren konservativen Staatschef Nicolas Sarkozy unterstützt hatte. Die französische Justiz interessiert sich auch für die Rolle des Elysée-Palasts in der Tapie-Affäre. Diese könnte damit auch für Ex-Staatschef Sarkozy noch gefährlich werden.
(sdö/tön)