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Finanzbetrug
Schick: "Cum-Ex ist eindeutig kriminell"

Mit Cum-Fake ist eine neue Variante von Finanzbetrug aufgedeckt worden. Die Schadenshöhe für den Steuerzahler sei noch unbekannt, sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick im Dlf. Um solche Machenschaften zu verhindern, müssten Finanzaufsicht und Steuerbehörden künftig enger zusammenarbeiten.

Gerhard Schick im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Gerhard Schick, Bündnis 90 Die Grünen, auf dem Länderrat der Parteitag in Berlin.
    Gerhard Schick, Bündnis 90 Die Grünen, auf dem Länderrat der Parteitag in Berlin. (imago / IPON)
    Jürgen Zurheide: Cum-Ex, Cum-Cum, Cum-Fake – hinter diesen Begriffen verbergen sich Tricksereien und kriminelle Machenschaften – anders kann man das wohl nicht bezeichnen - die vor allen Dingen ein Ziel haben: den Staat um Milliarden-Beträge zu prellen und umzuverteilen von ehrlichen zu unehrlichen Steuerzahlern. Wenn dann ein Schlupfloch geschlossen wird, dann finden windige Akteure immer wieder neue.
    Über all das wollen wir reden mit einem, der sich auskennt – ich sage auch fast "leider", denn das macht man nicht gerne. Gerhard Schick von den Grünen, der ist jetzt am Telefon. Ich sage schönen guten Morgen!
    Gerhard Schick: Guten Morgen!
    Cum-Fake - Phantomaktien
    Zurheide: Herr Schick, gerade in dieser Woche ist noch mal über so etwas wie Cum-Fake gesprochen worden. Worum geht es? Diese Phantomaktien, was verbirgt sich dahinter?
    Schick: Bei diesen sogenannten Preliminary American Depositary Receipts geht es um Wertpapiere, die in den USA ausgegeben werden, damit man bei deutschen oder auch anderen ausländischen Aktien nicht die Aktien über den Atlantik schippern muss, sondern dass man die dort stellvertretend für die Aktien, die hier irgendwo in einem Depot liegen, handeln kann. Aber in dem Fall sind nicht für eine Aktie in Deutschland ein so ein Wertpapier ausgegeben worden, sondern offenbar mehrere – mit dem Ziel, dass man dann eine Steuerrückerstattung erschleichen kann, auf die man keinen Anspruch hat. Es ist eindeutig in diesem Fall ein Griff in die Staatskasse, in unser aller Geldbeutel.
    Zurheide: Weiß man schon, wie hoch der Schaden ist bei dieser neuen Variante? Denn eigentlich glaubte man ja, die anderen Schlupflöcher mit Cum-Cum und Cum-Ex geschlossen zu haben.
    Schick: Wir kennen die Schadenshöhe nicht. Es gibt ein sogenanntes Settlement, eine Vereinbarung der Deutschen Bank mit der amerikanischen Wertpapier-Aufsichtsbehörde SEC. Da ist es ein höherer zweistelliger Millionenbetrag. Aber das ist natürlich ein Akteur. Wir wissen nicht, wieviel insgesamt am Markt stattgefunden hat. Aber was das Beunruhigende ist, ist, dass diese Art Geschäfte auch dann noch stattgefunden haben, als man im Finanzministerium in Deutschland meinte, das geht gar nicht, das kann gar nicht sein, wir haben doch mit Cum-Ex alles beendet, was da an üblen Tricks ist, und man hat sich da in der Zeit von Wolfgang Schäuble dummerweise darauf verlassen.
    Defizite im Geschäftsbereich des Finanzministeriums
    Zurheide: Wie ist denn die Reaktion aktuell des neuen Finanzministers? Sie haben diese Woche, glaube ich, gesagt, der tut zumindest etwas mehr, oder er tut so, als wenn er mehr tut. Wie ist die richtige Beschreibung?
    Schick: Zunächst mal ist da noch mal einiges schiefgegangen, auch in der Amtszeit von Olaf Scholz. Die Finanzaufsichtsbehörde BAFIN hatte Kenntnis von dieser Vereinbarung der Deutschen Bank mit den amerikanischen Behörden und hat das aber nicht genutzt, mal zu schauen, warum haben die da eigentlich Ärger mit der Justiz in den USA, hat das auch was mit dem deutschen Fiskus zu tun. Das hat die Finanzaufsicht nicht interessiert und es gab zunächst mal weiterhin im Finanzministerium diese Fehleinschätzung, das kann gar nicht funktionieren, wir müssen da nichts tun. Erst als Journalisten das Finanzministerium konfrontiert haben mit neuen Erkenntnissen, ist man dann losgegangen und hat versucht, das zu stoppen.
    Was ich jetzt gelobt habe, auch nach der Ausschuss-Sitzung mit Olaf Scholz, ist, dass er jetzt versucht, auch die strukturellen Defizite im Geschäftsbereich seines Ministeriums anzugehen. Denn das kann ja nicht sein, dass die Finanzaufsichtsbehörde sich nicht dafür interessiert, wenn es Steuertricks gibt, die möglicherweise kriminell sind. Sie muss ja schon gucken, dass es am Finanzmarkt sauber zugeht, und da will er jetzt die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden in seinem Geschäftsbereich verbessern und hat eine Task Force gebildet. Das ist genau eine Forderung, die ich seit Abschluss des Untersuchungsausschusses an das Ministerium gerichtet habe: Wir müssen endlich die Zusammenarbeit zwischen der Finanzmarktexpertise und der Steuerexpertise sicherstellen. Denn solche Tricks kann man nur durchführen, wenn man beides Knowhow zusammenführt, Finanzmarkt-Knowhow und Steuer-Knowhow. Das machen die Trickser, aber auf der staatlichen Seite hat man das bisher nicht systematisch gemacht. Deswegen finde ich das jetzt einen guten Ansatz und es soll auch versucht werden, besser zu analysieren, wieviel Steuererstattung geht eigentlich raus, um zu sehen, wo wird da auch zu viel erstattet. Von daher gute Schritte. Wir werden das verfolgen müssen, ob da auch was Gutes rauskommt. Aber der Ansatz ist jetzt erst mal richtig.
    Organisierte Kriminalität
    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade auch von Tricksereien gesprochen. Ich habe es vorhin auch getan. Ist der Begriff nicht eigentlich viel zu schwach? Ich spitze es mal hart zu: Haben wir es hier nicht mit Bandenkriminalität zu tun? Und anders kann man das ja vermutlich nicht bezeichnen. Und übrigens: Müsste man da nicht auch genauso hart zuschlagen, wie man bei Banden im Moment zuschlägt – sei es ausländische oder inländische Banden?
    Schick: Genauso ist es. Der frühere Abteilungsleiter Steuern im Finanzministerium hat auch von Organisierter Kriminalität gesprochen, als wir im Untersuchungsausschuss ihn befragt haben, und das halte ich auch für richtig. Wir sind alle mit den konkreten Begriffen immer etwas vorsichtig, weil wir es hier mit sehr finanzstarken Leuten zu tun haben, die sobald man einen Einzelnen dort als Kriminellen oder Betrüger bezeichnet auch richtig kräftig einen rechtlich unter Druck setzen. Deswegen sind wir da alle ein bisschen vorsichtig. Aber Tatsache ist für mich, dass Cum-Ex eindeutig kriminell ist. Wenn man sich etwas erstatten lässt, was man nie gezahlt hat, dann ist das kriminell. Das ist Betrug.
    Zurheide: Das weiß ja auch jeder von denen, der es tut übrigens.
    Schick: Das wissen die Leute auch. Die haben zwar versucht, dem einen Mantel der Legalität anzuziehen, aber das sind schon sehr windige juristische Konstruktionen.
    "Verbrechen mit polizeilichen Mitteln stoppen"
    Zurheide: Und sie finden dann Anwälte, die sogar im Bundestag sitzen, im Bundestagspräsidium.
    Schick: Genau! Das ist nur möglich gewesen, weil Anwälte das auch unterstützt haben, aus Wirtschaftskanzleien, und auch Professoren an deutschen Hochschulen entsprechende Gefälligkeitsgutachten geschrieben haben.
    Bei Cum-Cum ist es nicht so, dass man das als kriminell bezeichnen kann. Es ist meines Erachtens eine missbräuchliche Steuergestaltung. Das ist auch nicht in Ordnung. Das darf man auch nicht machen. Aber es ist eher ein Fall für die Steuerbehörden als für den Staatsanwalt.
    Bei den neuen Cum-Fake-Fällen mit diesen amerikanischen Wertpapieren halte ich das auch eindeutig für Betrug, also für wirklich kriminell. Und – das meint dieser Begriff Organisierte Kriminalität, oder Sie haben jetzt von Banden gesprochen: Das funktioniert alles nur, wenn mehrere Akteure systematisch zusammenwirken und sich absprechen. Insofern finde ich es auch richtig, dass wir da endlich bei dieser Finanzkriminalität genauso reingehen wie auch sonst bei Organisierter Kriminalität, nämlich wirklich mit polizeilichen Mitteln versuchen, diese Verbrechen zu stoppen. Bisher ist der Staat da viel zu sehr mit den Mitteln des Steuerrechts rangegangen, die dann greifen können, wenn Leute mal ein bisschen zu wenig angeben bei ihrer Steuerhinterziehung, aber nicht bei dieser Art von Kriminalität.
    Bürgerbewegung "Finanzwende"
    Zurheide: Sie haben bisher im Parlament dagegen gekämpft. Sie waren einer derjenigen, der das vehement vorangetrieben hat, auch über den Untersuchungsausschuss. Jetzt gehen Sie in die Außerparlamentarische Opposition mit der Bürgerbewegung "Finanzwende". Warum glauben Sie, dass Sie da mehr erzielen können als im Parlament?
    Schick: Ich selbst habe im Parlament, glaube ich, viel machen können und bin sehr dankbar für diese Zeit. Und ich glaube auch, dass ich weiter im Parlament viel Sinnvolles tun könnte und viel erreichen könnte. Aber das ist nicht die entscheidende Frage, sondern es gab bisher keine Nichtregierungsorganisation, keinen zivilgesellschaftlichen Akteur, der mit solchen Fragen sich beschäftigt hat, der Bankenregulierung oder Steuertricks am Finanzmarkt. Es ist jetzt gelungen, unter mehreren Akteuren, die seit Jahren dieses Defizit beklagen, dass wir gemeinsam diese Bürgerbewegung "Finanzwende" auf den Weg bringen, und durch meinen Wechsel aus dem Bundestag in die Leitung dieser Organisation ermögliche ich, dass wir diese Lücke in der deutschen Zivilgesellschaft schließen.
    Es gibt Organisationen zu Umweltfragen, zu Ernährung, im Verkehrsbereich, im Sozialbereich, aber im Finanzmarktbereich nicht, und diese Lücke zu schließen, das halte ich jetzt für so wichtig. Denn wir werden ein Gegengewicht zur Finanzlobby nicht schaffen, wenn da und dort Einzelne im Parlament und außerhalb versuchen, dagegenzuhalten, sondern nur, wenn es eine schlagkräftige zivilgesellschaftliche Organisation ist, wo viele tausende Bürgerinnen und Bürger mitmachen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.