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Finanzhilfen für Griechenland
"Jetzt muss geliefert werden"

Vor den Abstimmungen über die Verlängerung der Griechenland-Hilfen hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer Athen zur Einhaltung der Reformen aufgerufen. Nun beginne die "letzte Bewährungsphase", sagte er im Deutschlandfunk.

Andreas Scheuer im Gespräch mit Silvia Engels |
    Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
    Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. (Imago / Schreyer)
    Im April müsse die Regierung in Griechenland ihre nächsten Reformschritte vorlegen, so Scheuer. Ende Juni stünde dann die Bewertung an, "ob frisches Geld kommt" oder Griechenland die Ausfahrt ins "Nirwana" nehme. Über ein mögliches drittes Hilfspaket könne man sich erst dann unterhalten.
    Einige CSU-Abgeordnete haben bereits angekündigt, bei der morgigen Abstimmung im Bundestag gegen eine Verlängerung der Finanzhilfen zu stimmen, insgesamt wird aber mit einer Mehrheit gerechnet. Er würde auch dafür stimmen, sagte der CSU-Generalsekretär im Deutschlandfunk. Diese Entscheidung habe er sich nicht leicht gemacht, sie habe ihm "großes Bauchgrummeln" bereitet. Doch es gehe nicht um die Frage nach der Regierung, sondern die Verlängerung eines alten Programms. Und für das gölten "glasklare Kriterien".
    Das "lässige Auftreten" der Regierung in Athen um Ministerpräsident Alexis Tsipras sei inzwischen der Realität gewichen, so Scheuer. Jetzt müsse sie liefern. Und jeder weitere Schritt werde von der "Troika" überwacht.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Morgen stimmt der Bundestag über eine viermonatige Verlängerung der Unterstützung für Griechenland ab. Athen hatte ja letzte Woche zugesagt, dafür Reformauflagen weitgehend erfüllen zu wollen. Gestern nun deutete wiederum der griechische Finanzminister Varoufakis einmal mehr sein Streben nach Schuldenschnitt und einem Ende der Privatisierungen an. Bei den CSU-Abgeordneten Gauweiler und Ramsauer kam das nicht gut an:
    O-Ton Peter Gauweiler: "So wie das jetzt läuft, kann die Sache nicht funktionieren."
    O-Ton Peter Ramsauer: "Ich persönlich - das habe ich jetzt angekündigt - werde einer Verlängerung nicht zustimmen. Das heißt, ich werde mit Nein stimmen am Freitag."
    Engels: Lange hatten die EU-Partner mit Athen um die Bedingungen gerungen, die für die Verlängerung der Finanzgarantien gelten müssten. Nach der Einigung in Brüssel wird morgen nun der Bundestag über die Fristverlängerung für Athen abstimmen. Die Mehrheit gilt als sicher, doch in CDU und CSU regt sich lautstarker Widerstand. Gestern warb deshalb Finanzminister Schäuble in der CSU-Landesgruppe um Zustimmung und heute beraten die Fraktionen von SPD und Union noch einmal in Sondersitzungen. Mitgehört hat Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU. Auch er war in der Sitzung gestern mit dabei. Guten Morgen, Herr Scheuer!
    Andreas Scheuer: Guten Morgen.
    Engels: Sie haben lange mit Herrn Schäuble diskutiert und Ihren Kollegen. Was bleibt für Sie unterm Strich? Hat die neue griechische Regierung genug getan, um das Vertrauen in neue Finanzhilfen zu rechtfertigen?
    Scheuer: Jeder tut sich natürlich schwer mit der ganzen Situation. Aber es geht schlichtweg zum jetzigen Zeitpunkt um eine Verlängerung eines bestehenden Programmes, das heißt eines alten Programmes. Egal wie die Regierungskonstellation in Griechenland wäre, ob die alte wiedergewählt wäre als Regierung, oder eine neue wie jetzt, hätte auf europäischer Ebene auftauchen müssen und weiter um eine Verlängerung oder um neue Verhandlungen bitten müssen. Das heißt, wir verlängern jetzt ein altes Programm, aber natürlich mit glasklaren Vorgaben und Kriterien. Und jetzt ist, würde ich mal sagen, Bewährungsphase Schritt eins, Verlängerung. Dann werden wir bis Ende April die Konkretisierung der Programmschritte haben und dann gilt erst Ende Juni, ob die Entscheidung da ist, Geld auszuzahlen, ob sie die Ziele erreicht haben. Und es ist wichtig, dass man sagen muss, es ist vereinbart von den Euro-Finanzministern, dass die neue Regierung keine Reformen zurücknehmen darf und dass sie nicht hinter den alten vereinbarten Reformen zurückfallen darf. Das ist vereinbart und das war schlussendlich auch für mich das ausschlaggebende Argument zu sagen, okay, großes Bauchgrummeln, wir machen es uns nicht leicht, aber letzte Bewährungsphase.
    Engels: Das heißt, Sie werden zustimmen morgen?
    Scheuer: Ich werde zustimmen, aber nur aus dem einfachen Grund, weil es nur schlichtweg um eine Verlängerung geht und um kein neues Programm, und das ist für mich dann die Vorbereitung auf die letztendliche Entscheidung im Juni, Ende Juni, wo man sagen wird, entweder Ausfahrt ins Nirwana oder Weiterfahrt in der Eurozone.
    Engels: Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen, was die mittelfristige Perspektive angeht. Bleiben wir noch mal kurz bei der Situation jetzt. Vor zwei Wochen haben Sie gegenüber der "Rheinischen Post" noch gesagt: "Die aufreizende Lässigkeit der griechischen Regierung wird denen noch vergehen." Wenn man sich so anhört, was Herrn Varoufakis betrifft, der ja weiter munter von Schuldenschnitten und dem Stopp der Privatisierungen spricht, scheint das ja nun nicht der Fall zu sein, oder?
    "Natürlich stört mich diese Provokanz und diese Lässigkeit"
    Scheuer: Ich würde schon sagen, dass wir sehr, sehr streng verhandelt haben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die Große Koalition der Stabilitätsländer in der Eurozone haben es erreicht, dass dieses lässige Auftreten, dieses provokative Auftreten in Realität sich umdreht. Schauen Sie sich die Vereinbarung vom letzten Freitag an: Die ist hart, die ist streng und die ist so verdient. Wie man auftritt, na gut, das ist ein politisches Thema, aber das ist heute nicht mein Thema. Da ist die Lage zu ernst. Natürlich stört mich diese Provokanz und diese Lässigkeit. Eigentlich wären andere Töne angesagt. Aber diese linksextreme plus rechtsextreme Koalition mit diesen Darstellern in der griechischen Regierung haben halt diesen Politikstil. Da kann ich kritisieren drüber. Aber das ist mir zum jetzigen Zeitpunkt für diese sachliche Debatte und die Abstimmung in dieser Woche eher egal.
    Engels: Die Lässigkeit der griechischen Regierung hat unter anderem aber auch dazu geführt, dass nun die Zeit so knapp geworden ist und der Deutsche Bundestag innerhalb kürzester Zeit über diese Verlängerung abstimmen muss. Ist da das Parlament in seiner Würde nicht langsam an seinen Grenzen?
    "Es gibt nur deutsche Solidarität im Gegenzug von griechischen Reformen"
    Scheuer: Ja natürlich sind solche Entscheidungen nicht erfreulich. Ich bin seit 2002 im Deutschen Bundestag, wir haben mehrere solcher Entscheidungen schon gehabt, wo es schnell gehen musste, nicht nur zum Euro. Da muss man professionell Parlament organisieren, okay. Aber ich sage mal, mir geht es um die Inhalte, und die sind sehr, sehr tief und tief greifend geprüft worden von deutscher Seite. Auch die CSU hat das gemacht. Wir haben unsere Zustimmung gekoppelt an klaren Kriterien und Erwartungen. Es gibt nur deutsche Solidarität im Gegenzug von griechischen Reformen. Und diese Reformen sind erstens, dass man nicht hinter die schon getätigten Reformen zurückfallen darf, also aufweichen darf, und zweitens, dass klare Kriterien fixiert werden bis Ende April, was an nächsten Reformschritten gemacht wird. Und da ist die griechische Regierung aus Sozialisten und Rechtspopulisten in der Realität jetzt angekommen und das ist die gute Botschaft.
    Engels: Das ist der Aspekt, den Sie eben schon angesprochen haben, dass man erst in einigen Monaten dann weiter entscheiden muss, bis dann wirklich Gelder fließen. Dazu kommt aber das, was wir auch eben von unserem Korrespondenten gehört haben. Mittelfristig reden wir vielleicht auch über ein drittes Hilfspaket für Griechenland, vielleicht sogar im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro. Wie steht denn da die CSU?
    Scheuer: Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt als CSU noch keine rote Linie überschritten, ja nicht einmal berührt. Das heißt, wir haben uns Kriterien gesetzt, wo wir gesagt haben, zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Verlängerung eines alten Programms mit glasklaren Kriterien und kein Rückfall hinter alte Reformschritte schwer, aber wir machen es. Und über ein drittes Hilfsprogramm unterhalten wir uns jetzt noch gar nicht. Es wäre völlig kontraproduktiv, jetzt irgendwo schon was ab Juni/Juli ins Auge zu fassen und neu zu diskutieren.
    Engels: Aber Sie schließen das nicht aus?
    "... haben wir aber auch Lichtblicke in Europa"
    Scheuer: Nein. Für mich ist völlig klar: Jetzt muss geliefert werden! Schauen Sie, in der jetzigen Woche bittet Portugal darum, dass man zurückzahlen darf von den Hilfsprogrammen, die ihnen zuteilwurden. Jetzt haben die Portugiesen gute Reformen gemacht, jetzt kann der Deutsche Bundestag darüber abstimmen, dass die Portugiesen, ich sage mal, den nächsten positiven Schritt machen. Die sind raus aus der krassesten Krise, und von daher: Das haben wir auch in dieser Woche im Deutschen Bundestag abzustimmen, nur um Ihnen ein Gefühl zu geben, das eine ist das schwierige Thema Griechenland und zum anderen haben wir aber auch Lichtblicke in Europa. Deswegen kann ich nicht voraussagen, wie es denn Ende Juni mit Griechenland steht. Jetzt geht es darum, dass die Institutionen, die Troika mit der griechischen Regierung, auch wenn es schwer ist, jeden Schritt kontrolliert und abstimmt. Das ist auch fixiert, dass die griechische Regierung national keine Entscheidungen treffen kann ohne die Troika auf europäischer Ebene, und das war auch ein maßgeblicher Punkt zu sagen, die können nicht selbst national fuhrwerken und machen, was sie wollen, sondern sie müssen jeden Reformschritt abstimmen. Jetzt geht es darum: Jetzt Verlängerung, Ende April die Konkretisierung der Schritte und Ende Juni dann, ich sage mal, die letzte Bewertung, ob frisches Geld kommt oder nicht. Das ist dann der entscheidende Zeitpunkt, wo man sagt, wo geht die Richtung hin: Entweder Ausfahrt, oder Weiterfahrt.
    Engels: Entscheidender Zeitpunkt, sagen Sie. Aber in den letzten Jahren hat die CSU vor ähnlichen Hilfsabstimmungen für Griechenland immer gewisse Drohgebärden gezeigt und auch vor einem Ausstieg Griechenlands nicht zurückgezuckt. Am Ende haben Sie aber immer zugestimmt. Warum sollte denn das diesmal anders sein?
    Scheuer: Nein, nein. So leicht macht man es sich nicht. Wir machen ja nicht Parlament, um uns aufzuplustern oder irgendwelche Sondersitzungen zu machen, sondern es geht uns um die Sache. Und Sie können mir abnehmen, dass 56 Abgeordnete mit Wolfgang Schäuble zusammen ringen um die Inhalte. Wir haben uns wirklich viel Zeit genommen und wir haben jeden Punkt auf den Tisch gelegt. Das kann man doch nicht in ein oder zwei Sitzungen machen, sondern wir haben gestern noch mal uns sehr explizit Zeit genommen für die Sondersitzung mit Wolfgang Schäuble und haben da alle Punkte angesprochen.
    Es ist einfach so, dass jetzt die Verhandlungen auf europäischer Ebene von den Finanzministern so gemacht wurden, dass Argumente überzeugen für eine Verlängerung, und da geht es nicht um ein parlamentarisches Theater, sondern es geht darum, dass die CSU klare Argumente geliefert bekommt, warum die Abgeordneten dort zustimmen können, und das hat Wolfgang Schäuble gestern gemacht. Eine Sondersitzung einer Landesgruppe findet nicht häufig statt und da sehen Sie mal auch die Wichtigkeit der Entscheidungen dieser Woche.
    Engels: Andreas Scheuer, der Generalsekretär der CSU und Bundestagsabgeordneter. Wir sprachen mit ihm über die bevorstehenden Sondersitzungen der Fraktionen und die Abstimmung über Griechenland-Hilfen. Vielen Dank für das Gespräch!
    Scheuer: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.