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Finanzielle Lücken

Jeder Studierende sichert mit seinem Semesterbeitrag ab, dass AStA ordentlich arbeiten kann. Der AStA der Freien Universität Berlin kommt auf über eine halbe Million Euro im Jahr. Ob das Geld zweckgemäß ausgegeben wird, das überprüfen die Landesrechnungshöfe. Immer wieder fragt aber auch das konservative politische Lager nach.

Von Claudia van Laak | 30.09.2009
    Die Drucksache trägt die Nummer 16/13 608. Es ist die Antwort der Senatsverwaltung für Wissenschaft auf die Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Sven Rissmann. Der Jurist möchte wissen, ob die traditionell linken ASten in Berlin ihre Gelder ordentlich verwalten. "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" – hat Rissmann seine Anfrage genannt.

    "Es gibt Hinweise darauf, dass an einzelnen Universitäten jedenfalls fraglich ist, ob die den Studentenschaften zur Verfügung gestellten Mitteln richtig verwendet worden sind. Es gibt gewisse Auffälligkeiten, beispielsweise an der FU, was dort die Rechnungsabschlüsse angeht. Dort hat der Rechungshof Berlin moniert, dass offene Bürgschaftsforderungen in einer Höhe von 160.000 bis 180.000 Euro bestehen."

    Zum Hintergrund: Der AStA der Freien Universität Berlin hat etwa 15 Jahre lang bedürftigen Studierenden Bürgschaften in Höhe von einmalig 600 bis 1200 Mark gewährt. Mit dieser Bürgschaft erhielten sie ein Darlehen beim Studentenwerk. Viele Studierende zahlten ihre Darlehen allerdings nicht zurück, das Studentenwerk holte sich das Geld vom AStA– und der sitzt jetzt auf einem Schuldenberg von exakt 176.169 Euro und 88 Cent – so das Ergebnis einer Wirtschaftsprüfung. Die frühere Finanzreferentin des AStA Christina Kielblock begründet die Vergabe dieser Bürgschaften so:

    "Wenn Menschen auf sich alleine gestellt sind, eben weil sie hier keine Heimat haben, keine Verwandten, oder weil sie generell aus einem sozial schwachen Umfeld kommen, dann mussten sie auf den AStA zurückgreifen. Es wäre umgekehrt ein äußerst unsozialer und gar nicht studierendenfreundlicher Akt gewesen, diese Hilfestellung zu verweigern."

    Und doch stoppte der AStA vor etwa 10 Jahren diese Praxis – die ausgefallenen Bürgschaften in sechsstelliger Höhe waren den Studierenden nicht mehr zu vermitteln. Christina Kielblock hat versucht, das Geld wieder einzutreiben – in den meisten Fällen vergeblich.

    Ausländische Studierende waren längst zurück in ihrem Heimatland und dort nicht mehr auffindbar, andere in einer finanziell desolaten Situation, sodass sie ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten. Dem CDU-Abgeordneten Sven Rissmann reichen diese Erklärungen nicht aus. Er fordert:

    "Das wird man aufklären müssen, da muss man nachfragen, weil dahinter stehen Gelder, die jeder Student, jede Studentin zwangsweise entrichten muss, um studieren zu dürfen. Und da gibt es natürlich auch eine Verpflichtung, die auch die Politik zu interessieren hat, ob mit diesen Mitteln anständig umgegangen worden ist."

    Der 31-Jährige trägt eine randlose Brille, ein hellblaues Hemd und einen rot-weiß gestreiften Schlips. Sven Rissmann entspricht dem Klischee eines konservativen Juristen. Schon als Jurastudent an der Humboldt-Uni ärgerte er sich über Veranstaltungen des traditionell linken AStA, die über das hochschulpolitische Mandat der Studierendenvertretung hinausgingen.

    "Freiheit für Abu Jamal" oder "Kein öffentliches Bundeswehr-Gelöbnis in Berlin" – dafür wollte er seinen Semesterbeitrag nicht verwendet wissen. Der AStA der Freien Universität vermutet, dass es dem CDU-Juristen nur um einen politisch durchsichtigen Angriff auf die traditionell links ausgerichteten Studentenvertretungen in Berlin geht. Die Bürgschaftsangelegenheit sei längst aufgeklärt, sagt die frühere AStA-Finanzreferentin Christina Kielblock.

    "Auch ein Mensch von der CDU sollte einsehen, dass Bildung ein Recht für alle ist, dass es für jemanden mit sozial schwachem Hintergrund eine große Leistung ist, überhaupt an der Uni zu landen, dass aufgrund dieser Kredite es einigen möglich war, ihr Studium zu beenden, so."

    Die zuständige Senatsverwaltung für Wissenschaft hält übrigens die ganze Angelegenheit für erledigt. In der Antwort auf die Anfrage des CDU-Abgeordneten Rissmann heißt es, die 180.000 Euro seien überwiegend nicht mehr einzutreiben. Die Freie Universität hat dem AStA geraten, die Forderungen abzuschreiben.