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"Finanzierungsbedarf in der Verkehrsinfrastruktur bundesweit"

Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen dürfe nicht zu weit auseinander gehen, sagt Ulrich Maly (SPD), Präsident des Deutschen Städtetages. Kommunen könnten anstehende Investitionen in die Infrastruktur nicht allein bewältigen. Er fordert einen Fonds, in dem existenznotwendige Infrastrukturen mit abfinanziert würden.

Ulrich Maly im Gespräch mit Gerd Breker | 30.09.2013
    Gerd Breker: Für den Erhalt der Brücken sind ab dem kommenden Jahr bis zum Jahr 2016 insgesamt bis zu 2,75 Milliarden Euro zusätzlich zum bisherigen Mittelansatz notwendig. Das geht aus einem Gutachten hervor: "Brückenertüchtigung jetzt. Ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Mobilität auf Bundesfernstraßen", ein Gutachten, das im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und anderen entstanden ist.

    Marode Brücken machen Kommunen zu schaffen, Beitrag von Verena Herb (MP3-Audio) Marode Brücken machen Kommunen zu schaffen, Beitrag von Verena Herb

    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Ulrich Maly, er ist Oberbürgermeister von Nürnberg und Präsident des Deutschen Städtetages. Guten Tag, Herr Maly.

    Ulrich Maly: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Brückensanierung kostet Geld, Geld, das die Städte und Kommunen nicht haben. Woher soll es kommen?

    Maly: Die Brücken sind ein Teil der Verkehrsinfrastruktur und wir wissen von der Daehre-Kommission und das wurde jetzt bestätigt durch die BDI-Studie, dass wir einen Finanzierungsbedarf in der Verkehrsinfrastruktur bundesweit haben, der liegt irgendwo zwischen sieben und zehn Milliarden, und ein stolzes Drittel dabei sind die kommunalen Infrastrukturen. Das heißt, alle Parteien zusammen müssen sich Gedanken machen auf Bundesebene, wie man die Infrastruktur-Finanzierung in Deutschland verbessern kann. Wir leben, kurz gesagt, seit einem knappen Jahrzehnt von unserer Substanz. Das heißt, wir haben mehr Abschreibungen, als wir tatsächlich neu investieren. Das geht nicht.

    Breker: Die Konzentration auf Aufbau Ost ging zulasten der Kommunen im Westen?

    Maly: Aufbau Ost war nötig, wird nicht infrage gestellt, aber ich finde die Diskussion richtig, dass man sagt, man muss als Bundesrepublik Deutschland, als wichtiger Wirtschaftsstandort, immer noch Industrie- und Dienstleistungsstandort, auch ein bisschen auf seine Infrastruktur achten. Und die Vorschläge, den Solidarpakt zum Beispiel weiterzuentwickeln zu einer dauerhaften Infrastruktur-Finanzierung, klingen zum Teil zumindest ganz gut. Das heißt, wir müssen in jedem Fall die Finanzierungsbedingungen für die Verkehrsinfrastruktur auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in dieser Legislaturperiode noch verbessern.

    Breker: Denn die Infrastruktur, sie wurde tatsächlich vernachlässigt?

    Maly: Ja, das ist zum Teil Vernachlässigung. Zum Teil haben wir zu kämpfen mit solchen Spannstahl-Betonbrücken, die in den 70ern gebaut worden sind. Die Bautechnik war damals State of the Art und jetzt stellt man fest, dass die leider nicht 500 Jahre wie unsere mittelalterlichen Brücken halten, sondern nur 30 oder 40 Jahre, und wir müssen da die nächsten Jahre auch sicher in allen deutschen Großstädten ran.

    Breker: Die Finanzsituation der Städte und Kommunen ist dramatisch. Ohne Hilfe kommen die da nicht raus. Wer ist denn da gefordert?

    Maly: Alle, wenn man so will. Wir haben ein deutliches Ungleichgewicht. Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht auseinander. Die reichen können sich noch Infrastruktur leisten, die bauen noch Bäder und schließen sie nicht, die sanieren noch Theater und schließen sie nicht, und die armen müssen das Gegenteil tun. Und wenn wir an die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse glauben in Deutschland, dann dürfen wir die Schere nicht zu weit auseinandergehen lassen. Was es braucht, jetzt aus kommunaler Sicht gesprochen, wäre ein Fonds, wie auch immer konstruiert, in dem solche existenznotwendigen Infrastrukturen mit abfinanziert werden.

    Breker: Ein Fonds auf Länderebene oder auf Bundesebene?

    Maly: Sinnvollerweise auf Bundesebene. Es geht hier auch um Ausgleichsmechanismen zwischen den armen und den reicheren. Ich denke, der Solidarpakt ist keine schlechte Grundidee, nur kannte der damals als Förderkriterium nur die geografische Kulisse, und wir vom Städtetag sagen, lasst uns das doch weiterdenken, aber mit einer Bedürftigkeitskulisse und nicht mit einer geografischen.

    Breker: Welche konkreten Erwartungen, Herr Maly, haben Sie an die neue Regierung, die ja, so wie es aussieht, eine Große Koalition sein wird?

    Maly: Da wissen Sie schon mehr als ich. Aber egal in welcher Koalition man zusammenkommt, in den Programmen aller Parteien ist das Thema Infrastruktur-Defizit in Deutschland drin. Das war früher nicht so, da hat man nicht so gern drüber gesprochen. Und jede neue Koalition wird sich an dieser Stelle was ausdenken müssen. Das heißt entweder, dass Mittel aus den Haushalten umgelenkt werden für diesen Zweck, oder dass man Fonds einrichtet, die aus anderen Quellen gespeist werden. Da hat die Daehre-Kommission eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht und man wird die jetzt in der Bodewig-Kommission, die sich im Moment ja damit befasst und Ende dieser Woche, glaube ich, auch noch selber was publizieren wird, wird man diese Vorschläge der neuen Bundesregierung nahebringen.

    Breker: Nun haben wir ja das Beispiel der Kindergartenplatz-Garantie. Der Bund beschließt es, umsetzen müssen es die Kommunen und der Bund finanziert das. Ist das ein Modell, wie es laufen könnte?

    Maly: Wenn es der Bund finanziert, ja. Wenn der Bund es nur beschließt und uns dann mit dem Problem alleine lässt, dann ist die Aufgabenteilung eher unerotisch. Natürlich muss der Bund mitfinanzieren. Wir wissen, dass wir unsere Eigenanteile zahlen müssen. Das müssen wir immer, wenn es um Gemeindestraßen geht. Aber dass die Kommunen diese riesige Infrastruktur-Last nicht aus den eigenen Kassen bezahlen können, weiß jeder, der Politik betreibt in Deutschland.

    Breker: Herr Maly, wenn Sie am Koalitionsvertrag mitschreiben könnten, was sind die drängendsten Probleme aus Sicht der Kommunen, was würde bei Ihnen ganz oben stehen?

    Maly: Wir brauchen, denke ich, Klarheit im Steuerrecht mit einem Erhalt der Gewerbesteuer. Wir brauchen Klarheit mit den großen Finanzierungssystemen, die alle 2019 als Verfallsdatum tragen, das ist das Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz, der Solidarpakt und der Länderfinanzausgleich. Und wir brauchen einen Einstieg des Bundes in ein Leistungsgesetz für die Eingliederungshilfe von Behinderten. Mit diesen großen Klöpsen, die tatsächlich Bund und Länder gemeinsam lösen müssen, hätte man sicherlich einen Befreiungsschlag erreicht.

    Breker: Ulrich Maly im Deutschlandfunk, er ist Präsident des Deutschen Städtetages.


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