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Finanzkontrolle: USA fehlt die Koordination

Barack Obama hat eine Reform des Finanzmarktes angekündigt. Nicht länger sollen Hedgefonds und Kreditderivatprodukte tun und lassen dürfen was sie wollen. Finanzmarktexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Stuttgart-Hohenheim äußerte sich über die Pläne der US-Regierung.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Christoph Heinemann: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat die Rückendeckung aller 27 EU-Staats- und Regierungschefs für eine zweite Amtszeit. Der konservative Portugiese kann jetzt gestärkt in die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament treten, wo Sozialdemokraten und Grüne allerdings die nötige Mehrheit für eine Wiederwahl verhindern wollen. Dem EU-Gipfel gelang auch ein Durchbruch bei den umstrittenen Plänen für eine schärfere Bankenaufsicht.

    Vor den europäischen Staats- und Regierungschefs hatte US-Präsident Obama eine Reform des Finanzmarktes angekündigt. Die Notenbank (die Fed) und ein Rat für Finanzaufsicht sollen die Hauptrolle spielen bei der Kontrolle des Marktes. Hedgefonds und Kreditderivatprodukte sollen nicht länger tun und lassen dürfen was sie wollen. Darüber hat mein Kollege Jürgen Liminski mit Hans-Peter Burghof gesprochen - er ist Finanzmarktexperte von der Universität Stuttgart-Hohenheim – und ihn gefragt, ob die Pläne der US-Regierung reichen.

    Hans-Peter Burghof: Zunächst mal zu der Krise, die wir haben. Ja, es gibt einige Banken, denen es schon wieder besser geht, aber es gibt auch einige andere Banken, die unverändert auch verborgen große Verluste vor sich herschieben. Also so richtig gut sind wir noch nicht raus. Und bei der Regulierung? Klar, man wird jetzt etwas tun. Die Frage ist, ob man in die richtige Richtung geht.

    Jürgen Liminski: Einige Banken haben schon zweistellige Milliardenbeträge zurückgezahlt. Wo kommt eigentlich dieses Geld her? Es ist schwer vorstellbar, dass in der Krise und in so kurzer Zeit wieder so viel Geld verdient werden kann.

    Burghof: Na ja, das Geld ist nicht wirklich knapp gewesen. Es gibt genug Geld auf dem Markt, das Anlage sucht, und wenn man jemand davon überzeugen kann, dass da eine Bank langfristig erfolgreich ist, dann findet man auch einen Investor dafür. Das ist nicht so schwierig, weil man könnte sich auch vorstellen, die eine oder andere Bank würde über die Krise scheitern, würde aus dem Markt ausscheiden, für die verbleibenden Banken würde das alles noch viel attraktiver.

    Liminski: Das heißt, wenn einige Banken pleite gehen, wäre das nicht so schlimm?

    Burghof: Für uns als Bürger ist es vielleicht weniger erfreulich, weil das unter anderem halt auch heißt, dass der Wettbewerb nachlässt. Es ist weniger Konkurrenz, es gibt Riesenbanken, teilweise haben wir ja enorme Konsolidierungsprozesse gehabt, und diese Riesenbanken – da hat der Deutsche-Bank-Chef Ackermann übrigens Recht – sind eine Gefahr für die Allgemeinheit.

    Liminski: Also nur Riesenbanken sind systemrelevant?

    Burghof: Nein, das sehe ich eigentlich nicht so. Auch wenn wir eine flächendeckende Pleite von vielen kleinen Banken haben, das würde den Bürgern auch sehr schaden. Also die Bankenaufsicht muss sich schon um beide kümmern. Nur bei der Riesenbank hat man natürlich gleich ein Riesenproblem, wenn die auch nur ein bisschen ins Schleudern kommt. Bei den kleinen Banken – Sie sehen das bei den deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken -, die sind in der Regel in der Lage, einzelne Pleiten innerhalb der Gruppe aufzufangen.

    Liminski: Ich habe in Ihrer ersten Antwort, Herr Burghof, ein bisschen Zweifel herausgehört, ob die Maßnahmen in den USA die richtigen sind.

    Burghof: Ja, nun, man muss natürlich abwarten, wie das tatsächlich nachher herauskommt, wie die USA sich wirklich entscheidet, denn das, was wir bisher haben, ist ja nur ein Vorschlag der Regierung. Der wird wahrscheinlich noch ganz schön zurechtgestutzt werden. Tatsache ist, dass die USA die Vielfalt der Aufsichtsbehörden kaum regulieren, und das ist ein großes amerikanisches Problem, dass man immer große Schwierigkeiten hat herauszufinden, wer eigentlich wofür zuständig ist, und da fehlt dann die Koordination. Also es wäre wahrscheinlich besser, wenn man einen starken Regulierer hätte.
    Dazu kommt ein anderes Problem. Wir haben eine Verstärkung des politischen Einflusses auf den Regulierer. Sie kriegen nämlich die Fed als zentralen Regulierer und die wird immer stärker an die Leine der Regierung gelegt, und das ist eigentlich auch nicht gut, denn eigentlich brauchen wir kompetente und sehr unabhängige Bankenaufseher.

    Liminski: Das heißt, wir haben zu viel Staat und zu wenig Freiheit in der Regulierung auch?

    Burghof: Richtig! Man müsste eigentlich eine Aufsichtsbehörde aufstellen, die ähnlich wie die gute alte deutsche Bundesbank funktioniert, also unabhängig in einem bestimmten Ziel verpflichtet, denn der Idee, dass die Politiker das jetzt besser wissen, in welcher Situation man welche Maßnahmen ergreifen soll, der kann ich nicht ganz folgen.

    Liminski: Auch auf dem EU-Gipfel ist die Regulierung der Finanzmarktkontrolle ein Thema, vielleicht sogar das Hauptthema. Ziehen die Europäer hier nur nach?

    Burghof: Die Europäer haben ja bereits eine Vorlage aus der Kommission, die in Teilen ja ganz ähnlich aussieht. Man hat einmal ein warnendes Gremium, was also sehr hochrangig besetzt ist, was aber eigentlich überflüssig ist, weil diese Leute, die da drinsitzen, die treffen sich eh dauernd und ständig und können sich in jedem beliebigen Rahmen über Systemrisiken austauschen. Das braucht man also nicht. Und wir haben dann eine Oberbehörde, die quasi die anderen Behörden in einer gewissen Weise kontrollieren muss, und da sind die Amerikaner ein bisschen weiter, auch ein bisschen besser. Diese Oberbehörde, in Amerika die Fed, wird sich besonders um die großen systemrelevanten Institute kümmern. Also da ist immerhin die Erkenntnis drin, dass die eine besondere Regulierung brauchen und dass das auch ein bisschen teuerer wird bei denen.

    Liminski: Das heißt, der Reformbedarf in Europa ist höher?

    Burghof: Ja. Die Europäische Union hat natürlich den Nachteil, wir sind eine Staatengemeinschaft und es wird halt auch viel schwieriger, sich auf gemeinschaftliche Regelungen zu vereinbaren.

    Liminski: Eine grundsätzliche Frage, Herr Burghof. Kommt wieder alles ins Lot, indem man einfach das alte System nur reformiert? Gab es nicht doch Systemfehler?

    Burghof: Natürlich gab es Systemfehler und die wird man auch teilweise nicht ganz beseitigen können, weil manche davon fallen unter die Kategorie des Allgemeinmenschlichen. Das heißt also, man wird nicht einfach ausschließen können, dass es in Zukunft noch mal Finanzmarktkrisen gibt; man wird halt nur versuchen, das Ausmaß rechtzeitig zu begrenzen. Das versucht man auf der einen Seite, indem man immer neue Gesetze, neue Normen erfindet. Nur Sie wissen ja: die Welt ist sehr kompliziert. Irgendwo findet man immer ein Loch. Und man versucht es auf der anderen Seite, indem man die Aufsichtsinstitutionen stärkt, und da ist man sich noch nicht ganz darüber im Klaren, wie man das genau machen will.

    Liminski: Wie würden Sie es denn machen?

    Burghof: Ich würde eine unabhängige Aufsichtsbehörde aufstellen. In Deutschland müsste die über ähnliche Kompetenzen wie die Bundesbank, über ähnliche Unabhängigkeit wie die Bundesbank verfügen, und sie müsste vielleicht auch einen Teil der Ressourcen der Bundesbank bekommen. Es sollte aber nicht die Bundesbank sein, weil die Bundesbank hat nämlich schon ein anderes Ziel, nämlich das der Geldwertstabilität. Es sollte also eine Bankaufsicht sein, die ganz explizit nur dieses eine Ziel verfolgt, nämlich die Stabilität der Finanzmärkte zu gewährleisten.