Sollte das griechische linksgerichtete Bündnis Syriza die Parlamentswahl Ende Januar gewinnen und, wie angekündigt, die Reformen in Griechenland zurückfahren, seien mehrere Szenarien denkbar, so Fuchs. Eines wäre, dass das Land aus der Eurozone austritt und eine neue Währung einführt.
Die Troika wäre aus seiner Sicht nicht bereit, abgeschwächte Reformen in Griechenland zu akzeptieren und würde dann die Gelder an Athen stoppen. Die Einführung einer neuen Währung werde zwar zu Verlusten führen, die auch deutsche Steuerzahler treffen könnten - aber die gesamte Eurozone sieht Fuchs nicht gefährdet. "Die Situation hat sich völlig verändert. Vor drei, vier Jahren war die Situation wesentlich kritischer. Deswegen ist auch der Euro meiner Meinung nach durch Griechenland nicht gefährdet", sagte Fuchs. Das hänge auch mit den eingeführten Rettungsfonds in der Eurozone zusammen.
Von der Europäischen Zentralbank forderte der CDU-Politiker eine Änderung der Geldpolitik. Die derzeit niedrigen Zinsen nähmen den Druck von kriselnden Ländern wie Griechenland. Es sei daher zu überlegen, ob die EZB die Zinsen wieder erhöhe, um solche Länder zu Reformen zu bewegen. Diese seien nötig, damit die Eurozone wettbewerbsfähig werde.
Das Interview in voller Länge:
Christoph Heinemann: Am Telefon ist Michael Fuchs, CDU, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen und ein frohes neues Jahr Ihnen!
Michael Fuchs: Ihnen auch, Herr Heinemann, alles Gute!
Heinemann: Danke schön! Herr Fuchs, entscheidet der Wahltag am 25. Januar über Griechenlands Euro-Mitgliedschaft?
Fuchs: Sie haben es ja eben gehört, was Ihr Korrespondent aus Berlin gesagt hat: Ja, das kann durchaus in diese Richtung gehen, denn wenn Alexis Tsipras, also von der Syriza-Partei, der sozialistischen Partei, die Wahl gewinnen sollte und seine Forderungen wahr machen würde - weniger über die Reparationszahlungen, das ist, glaube ich, nicht das größere Problem, sondern, dass er die gesamten Reformanstrengungen, die das Land in den letzten zwei Jahren erfolgreich gemacht hat, wieder zurückfahren will -, wenn das kommen sollte, glaube ich nicht, dass die Troika weiter bereit ist, zusätzliche Gelder nach Griechenland zu schleusen.
Heinemann: Was würde dann genau passieren?
Fuchs: Man kann Szenarien aufstellen. Ein Szenario dabei ist sicher, dass Griechenland die Eurozone verlässt. Wir werden und wollen und können Griechenland nicht aus der Eurozone rausschmeißen, auch rechtlich nicht rausschmeißen, das müssen die dann selber entscheiden. Aber die könnten beispielsweise hingehen, aus der Eurozone austreten, eine neue Währung, neue Drachme oder was auch immer einführen und die massiv abwerten. Das könnte man sich als Szenario vorstellen, damit sie überhaupt zahlungsfähig bleiben, denn eins steht sicher fest: In dem Moment wird der Fluss des Geldes, so, wie er bis jetzt gewesen ist, wie er geplant war, aber immer abhängig von Reformen - das sind die sogenannten Konditionalitäten - wenn die nicht mehr eingehalten werden, sehe ich kaum einen anderen Weg.
Heinemann: Mit welchen Folgen für den Euro und die Gläubiger?
Fuchs: Es wird mit Sicherheit Geld kosten, das ist völlig außer Frage, denn wenn die Währung neu eingeführt wird, wird sie sicher gegenüber dem Euro massiv abwerten. Diese Abwertung wird natürlich bedeuten, dass diejenigen, die den Griechen Geld geliehen haben, ebenfalls Verluste haben werden. Ich hoffe, dass das nicht kommt.
Heinemann: Auch die deutschen Steuerzahler?
Fuchs: Das kann durchaus sein, denn wir sind ja in den jeweiligen Rettungsfonds beteiligt, und zwar nicht unerheblich, also bis zu 30 Prozent. In den jeweiligen Rettungsfonds ist Geld aus Deutschland, was dann unter Umständen nicht, um Gottes Willen, komplett verloren wäre, aber zumindest durch Abwertung teilweise verloren gehen könnte.
"Euro ist durch Griechenland nicht gefährdet"
Heinemann: Herr Fuchs, wir wollen uns eben anhören, was Sven Giegold bei uns im Deutschlandfunk gesagt hatte, Finanzexperte der Grünen im Europäischen Parlament:
"Was wir bisher gemacht haben, war: Wir haben Griechenland Kredite zur Verfügung gestellt, die es dem griechischen Staat ermöglicht haben, die Schulden, die Griechenland bei unseren Banken und Versicherungen hatte, zurückzubezahlen, das heißt: Das, was in der Marktwirtschaft normal ist, nämlich, dass, wenn ich übermäßig viel einem Schuldner geliehen habe, dass ich dann einen Teil des Geldes verliere, das haben wir unseren Banken und Versicherungen erspart. Jetzt ist das Risiko beim Staat. Und damit haben wir auch ein gemeinsames Problem. Das heißt, wir müssen aufhören, zu denken: Es gibt auf der einen Seite den griechischen Staat, der unnachhaltig hohe Schulden aufgenommen hat, was stimmt, aber das ist eben immer gleichzeitig auch unser Problem. Und dieses Reden über die Schulden, zu zeigen, dass es hier auch um unsere Banken, unsere Versicherungen, letztlich unsere wirtschaftliche Stabilität geht, das haben wir in Deutschland leider nicht ehrlich gemacht."
Heinemann: Herr Fuchs, warum sind die Banken so gut und der Steuerzahler so schlecht weggekommen?
Fuchs: Das kann man so nicht sagen. Ich halte das, was Herr Giegold gesagt hat, für überzogen. Ich glaube schon, dass - die Banken haben ja bei der ersten Runde, ich erinnere daran, dass es bereits einen Schuldenschnitt gab, Geld verloren, und zwar relativ massiv. Und man muss eins sehen: Wenn die Banken - und das sind ja nicht nur unsere Banken, sondern das sind alle Banken in Europa - in die Krise hineingeraten, dann sind die Steuerzahler, die bei diesen Banken engagiert sind, ebenfalls in einer Krise drin. Deswegen haben wir die ja damals gerettet. Das ist heute, meiner Meinung nach, aber nicht mehr nötig. Wir haben einen Bankenrettungsfonds aufgebaut parallel dazu. Die Situation hat sich völlig verändert. Vor drei, vier Jahren war die Situation wesentlich kritischer. Heute sind wir nicht mehr in dieser kritischen Situation - Gott sei Dank. Deswegen ist auch der Euro, meiner Meinung nach, durch Griechenland nicht gefährdet. Griechenland macht ungefähr ein Prozent, etwas mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Eurozone aus, und das zeigt, dass das nicht wirklich ein riesiges Risiko ist. Man kann das gelassen betrachten. Vor allen Dingen diejenigen, die jetzt unken, dann fällt der Euro auseinander, die haben andere Interessen daran, als man sie haben sollte.
Heinemann: Vielleicht ist ja anderes für den Euro mindestens genauso gefährlich: Georg Fahrenschon, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes, fordert von der Europäischen Zentralbank für dieses Jahr eine Zinswende. Durch die gegenwärtige Geldpolitik werde in einigen Euroländern die Krise auch noch vertieft, wenn der Reformdruck durch niedrige Zinsen weggenommen wird. Teilen Sie diese Kritik?
Fuchs: Das ist sicher durchaus berechtigt, denn es ist natürlich so: Dadurch, dass das Geld so extrem billig ist, haben viele Länder - von Frankreich über Italien et cetera - den Druck nicht, den sie hätten, wenn die Zinsen höher wären. Das gilt ja sogar für uns. Wir haben in diesem Jahr, jetzt in 2015, keine neuen Schulden mehr oder brauchen keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, aber wenn beispielsweise die Zinsen deutlich höher wären, dann würden wir Schwierigkeiten haben, dieses Ziel weiter zu erreichen. Und das zeigt also, dass der Druck, der über die niedrigen Zinsen weggenommen wurde, wieder erhöht werden könnte, und das ist durchaus überlegbar.
"Je weniger Druck da ist, desto weniger wird reformiert"
Heinemann: Die Europäische Zentralbank erwägt jetzt, Staatsanleihen der Euroländer zu kaufen auf dem Sekundärmarkt. Welche Risiken und Nebenwirkungen sind damit verbunden?
Fuchs: Das ist das gleiche Risiko: Wenn die Europäische Zentralbank hingeht und kauft Staatsanleihen auf, dann geht der Druck wieder weg von diesen Ländern, Reformen zu machen. Und wir müssen Reformen machen, Europa muss wettbewerbsfähig werden. Das zentrale Problem ist, dass diese Länder nicht wettbewerbsfähig sind, damit im internationalen Kontext nicht mitspielen können, und das führt am Ende des Tages dazu, dass die Eurozone schwach ist. Und deswegen geht es darum, wettbewerbsfähig zu werden in diesen Ländern. Das geht nur, wenn die Reformen, die wir in der Europäischen Union ja vereinbart haben - das ist ja nicht irgendwie etwas, was noch nie diskutiert wurde, nein, es ist klar vereinbart, dass Reformen gemacht werden müssen. Die müssen dann aber auch erfüllt werden, und je weniger Druck da ist, desto weniger wird natürlich reformiert.
Heinemann: Wer erklärt es Herrn Draghi? Der hält ja an seinen Staatsanleihaufkäufen fest.
Fuchs: Ich nehme an, dass es in der Europäischen Zentralbank heftige Diskussionen bei den nächsten Sitzungen geben wird. Der Bundesbankpräsident Weidmann hat ja sich sehr deutlich so geäußert. Gestern hat sich der ehemalige Chef-Volkswirt der EZB, Herr Stark, meiner Meinung nach völlig zu Recht dazu geäußert und gesagt, dass dieses nicht geht, dass die Europäische Zentralbank jetzt nun Staatsanleihen aufkauft, um zusätzliche Liquidität in die Länder zu pumpen, damit die dann de facto keine Reformen machen müssen.
Heinemann: Wäre das noch Geld- oder schon Finanzpolitik?
Fuchs: Das ist schwer auseinanderzuhalten, das geht fließend ineinander über.
Heinemann: Ist Mario Draghi für das Amt des Präsidenten geeignet, des Präsidenten der EZB?
Fuchs: Ich denke, bis jetzt ist das ja alles ganz gut gelaufen. Der Euro ist stabil, der Euro ist stark, die Inflation in Europa ist niedrig. Das ist eine der zentralen Aufgaben einer Zentralbank, für niedrige Inflation zu sorgen. Das hat ja alles funktioniert. Wir wollen es jetzt mal nicht übertreiben, aber ich glaube, dass es richtig ist, dass wir jetzt nicht mehr zusätzliche Gelder in diese Länder hineinpumpen, sondern darauf achten, dass die Reformen und der Reformkurs umgesetzt wird, und da wäre ich dankbar, wenn Herr Draghi auch in diese Richtung einige Äußerungen machen würde.
Heinemann: Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Fuchs: Wiedersehen, Herr Heinemann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.