Finanzpolitik in der Coronakrise
Schwarze Null ade - jetzt kommen Haushalte mit großen Löchern

Auch 2021 wird Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie neue Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen. Dafür wird die Große Koalition zum zweiten Mal die Schuldenbremse aussetzen. Wie hoch ist die Neuverschuldung und welche Auswirkungen sind von dem Bundeshaushalt zu erwarten? Ein Überblick.

Von Theo Geers |
Olaf Scholz (SPD), Bundesminister der Finanzen, nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt am 23.9.2020 teil.
Am 23. September legte der Bundesfinanzminister den Haushaltsenwurf dem Bundeskabinett vor (picture alliance/Kay Nietfeld/dpa)
Das Bundeskabinett hat den Haushaltsentwurf für 2021 von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beschlossen. Der Kabinettsbeschluss bedarf noch der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Die Haushaltspläne sollen im Dezember endgültig verabschiedet werden.
Haushalt 2021 und Finanzplan bis 2024 - was sind die wichtigsten Punkte?
Der Blick auf die Zahlen zeigt: Nach dem Corona-Ausnahmejahr 2020 fährt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Ausgaben deutlich zurück: Nach 508 Milliarden Euro in diesem Jahr will der Bund im kommenden Jahr 413,4 Milliarden Euro ausgeben. Das sind zwar knapp 100 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr, aber immer noch 60 Milliarden mehr als 2019. So gesehen wird auch 2021 ein Ausnahmejahr: Es steht in punkto Rekordausgaben und Rekordschulden nach 2020 gewissermaßen auf Platz 2 in der ewigen Bestenliste. Weil die Zeiten nicht normal sind, zieht die Koalition auch zum zweiten Mal die Option, die Schuldenbremse wieder auszusetzen. Die Finanzplanung für die Folgejahre 2022 bis 2024 sieht vor, dann die Schuldenbremse aber wieder einzuhalten.
Eckhardt Rehberg (CDU) während einer Plenarsitzung des deutschen Bundestags am 25.03.2020am Rednerpult
Rehberg (CDU): "Schuldenbremse weiter Bestandteil des Grundgesetzes"
Ziel der Union sei es, die Schuldenbremse ab 2022 wieder einzuhalten, sagte Eckhardt Rehberg (CDU) im Dlf. Eine schwarze Null werde man bis 2025 aber wohl nicht mehr erreichen.
Wie hoch ist die Neuverschuldung für 2021?
Im Vergleich zu 2020 mit 217,8 Milliarden fährt Olaf Scholz die Neuverschuldung erst einmal deutlich zurück - auf 96,2 Milliarden Euro. Wären die Zeiten normal, würde die Schuldenbremse dem Bund aber nur neue Kredite von zehn Milliarden Euro erlauben. Diese - in normalen Zeiten - zulässige Kreditaufnahme wird also noch einmal deutlich um 86 Milliarden Euro überschritten - weil die Zeiten eben nicht normal sind. Im Behördendeutsch des Finanzministeriums heißt es dazu: "Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und die umfangreichen Maßnahmen, die im Hinblick auf die Bekämpfung der unmittelbaren und mittelbaren Gefahren der Pandemie erforderlich und auch geboten sind, um die deutsche Volkswirtschaft schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, machen es erneut erforderlich, die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen nach Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 Grundgesetz in Anspruch zu nehmen," also die Schuldenbremse erneut für ein Jahr auszusetzen. Dies muss der Bundestag ausdrücklich erlauben, erforderlich dafür ist die Kanzlermehrheit von aktuell 355 Stimmen.
Wie sieht der Haushalt im Vergleich mit 2020 aus?
Auch der nächste Bundeshalt ist vor allem geprägt durch den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Dies zeigt sich an den anhaltend hohen Sozialausgaben, ihr Anteil liegt bei über 50 Prozent. Der mit Abstand größte Einzeletat ist und bleibt (mit 164 Milliarden Euro) der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Typische Pandemie-bedingte Ausgaben sind das Kurzarbeitergeld oder auch ein Zuschuss von fünf Milliarden Euro, mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die sonst steigenden Krankenkassenbeiträge stabilisieren kann. Es gibt aber kleinere Corona-Posten im Haushalt: So kann zum Beispiel Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) 200 Millionen Euro zusätzlich ausgeben für ein spezielles Förderprogramm zum infektionsschutzgerechten Lüften.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Welche weiteren Schwerpunkte setzt die Große Koalition mit dem Haushalt 2021?
Ganz wichtig sind der Regierung weiterhin hohe Investitionen. Hierfür sind im nächsten Jahr 55,2 Milliarden Euro eingeplant. Auch hier gilt: Es ist weniger als 2020, aber krisenbedingt mehr als 2019. Die Gelder fließen unter anderem in klassische Bereiche wie den Verkehr, mit hohen Milliardenbeträgen werden aber auch die Länder und Kommunen beim Ausbau von Kitas unterstützt. Weiter Schwerpunkte sind Bildung und Forschung, der Ausbau der digitalen Infrastruktur und der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft.
Wie soll die Neuverschuldung finanziert werden?
Die neuen Schulden nimmt der Bund über Bundesanleihen am Kapitalmarkt auf. Für ihn ist das ein gutes Geschäft, denn derzeit ist der Zins für Bundesanleihen negativ. Anleger zahlen also drauf. Sie zeichnen die Anleihen dennoch gerne, weil der Bund als sicherer Schuldner gilt, der seine Anleihen auch in unsicheren Zeiten zurückzahlt.
Werden die Schulden jemals zurückgezahlt?
Das ist geplant – zumindest für die wegen der COVID-19-Pandemie zusätzlich aufgenommenen Schulden der Jahre 2020 und 2021 gibt es dafür auch einen festen Plan. In diesem Jahr gelten 118 Milliarden Euro (von 217,8 Milliarden) als "coronabedingt", sie sollen ab 2023 über 20 Jahre verteilt zurückgezahlt werden. Im Haushaltsjahr 2021 trifft dies auf die "überschüssigen" 86,6 Milliarden Euro zu, die oberhalb der Schuldenbremse liegen. Für den Bund heißt dies, dass er bis 2042 rund 200 Milliarden Euro zurückzahlen muss. Einschließlich der Zinsen sind das ab Mitte des Jahrzehnts etwa elf Milliarden Euro pro Jahr, die dann jedes Jahr, wenn der Haushalt aufgestellt wird, immer schon verplant sind. Das engt die Spielräume für andere Ausgaben natürlich ein.
Wie sind die Steuereinnahmen im Vergleich zum Vorjahr?
Die Steuereinnahmen spiegeln deutlich wieder, wie sehr die Pandemie auf den Fiskus durchschlägt. Das zeigt vor allem der Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie: 2019 nahm allein der Bund 329 Milliarden Euro an Steuern ein, in diesem Jahr rechnet das Finanzministerium nur mit 264 Milliarden Euro und im kommenden Jahr mit 292 Milliarden Euro. Das Vorkrisenniveau wird erst 2023 wieder erreicht. Eine Fußnote dabei: die Teilabschaffung des Soli. Ab 2021 werden die unteren 90 Prozent der Steuerzahler davon komplett befreit. Obwohl der Staat knapp bei Kasse ist wird daran nicht gerüttelt, der Einnahmeverlust hieraus liegt bei zehn Milliarden Euro.
Welche Auswirkungen hat der Haushalt 2021 auf die nächsten Jahre?
Eine ganz drastische: Die schwarze Null, also Haushalte ohne neue Schulden, ist erst einmal passé. Denn für die Jahre 2022 bis 2024 steht jetzt schon fest, dass die Steuer- und sonstigen Einnahmen hinten und vorne nicht reichen. Auch in der Koalition gibt es aktuell keine Idee, wie diese – erheblichen – Löcher im Etat geschlossen werden können. Dem Bund fehlen für die Jahre 2022 bis 2024 über 131 Milliarden Euro. Auf der Haben-Seite stehen dem nur 48 Milliraden Euro gegenüber. Sie stammen aus den Haushaltsüberschüssen der Jahre bis 2019. Diese Rücklage soll ab 2022 zum Haushaltsausgleich aufgebraucht werden. Damit fehlen derzeit jedes Jahr über 25 Milliarden Euro. Deshalb steht jede Regierung nach der nächsten Wahl vor die Frage, wie dieses verbleibende Loch gestopft werden soll.

Nach der Schuldenbremse, die dann ja wieder beachtet werden soll, dürfte der Bund jedes Jahr nur zwischen fünf und zehn Milliarden Euro an Krediten aufnehmen. Es bestünde also immer noch "Handlungsbedarf", wie das Finanzministerium einräumt, um die Löcher zu stopfen. Ab 2022, also nach der nächsten Bundestagswahl, sind Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen deshalb nicht ausgeschlossen. Und wenn beides vermieden werden soll, bliebe wohl nur ein Ausweg: Dann müsste die Schuldenbremse des Grundgesetzes gelockert werden.
Olaf Scholz soll SPD-Kanzlerkandidat werden
Scholz will höhere Steuern für Besserverdienende
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat im Falle einer Regierung unter seiner Führung Steuererhöhungen für Besserverdienende angekündigt. Angesichts der Folgen aus der Coronakrise, sollten "Leute, die ein paar Hunderttausend Euro verdienen", mehr an den Fiskus abführen.