Benedikt Schulz: Die sogenannten außeruniversitären Forschungsorganisationen sind eine wichtige Säule in der deutschen Wissenschaftslandschaft, und in diese Organisationen fließt auch eine Menge Geld, unter anderem Geld, das der Bund gibt. Und der Pakt für Forschung und Innovation, der macht es möglich, diesen Einrichtungen wird eine jährliche Etatsteigerung garantiert, etwas, das den Hochschulen zumindest in dieser Form so bislang vorenthalten wird. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist die nach eigenen Angaben größte dieser Einrichtungen, und hier zeichnet sich gerade eine finanzielle Schieflage ab - und zwar bei einem Mitglied dieser Gemeinschaft, dem Helmholtz-Zentrum in München. Die Rede ist da unter anderem von 300 gefährdeten Arbeitsplätzen.
Bemerkenswert daran ist aber vor allem das: Es ist nämlich nicht das erste Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, das in Geldnot geraten ist, und offenbar hat in den vergangenen Jahren der Bund beziehungsweise das Bundesbildungsministerium strauchelnden Einrichtungen mit Millionenzahlungen aus der Patsche geholfen, teilweise bis zu zwölf Millionen Euro. Das geht aus der Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linkspartei im Bundestag hervor, die uns vorliegt. Das aktuell strauchelnde Helmholtz-Zentrum in München könnte also das nächste sein, das Geld benötigt, am Dienstagnachmittag findet da die Aufsichtsratssitzung des Zentrums statt - und ob der Bund in die Bresche springen wird oder muss, das hängt wohl auch davon ab, wie kritisch die Lage da heute eingeschätzt wird. Darüber spreche ich jetzt mit Nicole Gohlke, wissenschaftspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, von ihr stammte die schriftliche Anfrage. Frau Gohlke, hallo!
Nicole Gohlke: Schönen guten Tag!
Fünf Fälle von finanzieller Schieflage
Schulz: Es ist wie gesagt nicht das erste Mal, dass der Bund Geld gibt. Was spricht denn dagegen, dass er es tut und dass er es möglicherweise auch in diesem Fall wieder tun wird?
Gohlke: Wir sind grundsätzlich natürlich nicht dagegen, dass der Bund Gelder in die Wissenschaft gibt. Und schon gar nicht, wenn es am Ende auch der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen könnte. Die Problematik besteht darin, dass offensichtlich der Bund und auch der Freistaat Bayern, der an dieser Zuwendungsgebung ja auch beteiligt ist, dass die im Folgenden dann nicht so richtig hinschauen, was eigentlich mit dem Geld passiert und ob es denn auch so eingesetzt wird, dass zum Beispiel die Arbeitsplätze erhalten werden können. Das ist eigentlich die Problematik. Und wir wissen jetzt eben durch unsere schriftliche Anfrage an die Bundesregierung, dass es seit 2011 mindestens fünf Fälle gegeben hat, in denen Helmholtz-Einrichtungen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Ich finde, das ist dann schon der Moment, wo man als Gesellschafter dieser Einrichtung und als größter Mittelgeber noch einmal genauer hinsehen muss und eigentlich auch gucken muss: Stimmen denn die Ansagen, die Richtlinien hinsichtlich der Mittelverwendung? Und das ist de facto einfach nicht passiert beziehungsweise, wenn es heute vielleicht passiert, dann passiert es sehr, sehr spät und geht eventuell zulasten von Mitarbeitern und von Beschäftigten in München.
Förderung in dreistelliger Millionenhöhe
Schulz: Als Außenstehender kann man sich aber schon auch die Frage stellen bei diesen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, von denen die Helmholtz-Gemeinschaft ja eine ist: Wie kann es da sein, dass es bei diesen Einrichtungen überhaupt zu finanziellen Schieflage kommt, gerade weil wir ja den dynamischen Anstieg der Fördermittel haben? Es ist ja kein Unternehmen, wie kommt das zustande, dass diese Einrichtungen in Geldnot geraten?
Gohlke: Das ist in der Tat eben auch die entscheidende politische Frage bei dem ganzen Vorgang. Die Kritik, die wir als Linke momentan sagen und deutlich machen können, betrifft zum einen natürlich die Geschäftsführung, ganz konkret des Helmholtz-Zentrums in München, bei der wir einfach das Gefühl haben, die ist schlichtweg getrieben von einer recht blinden Wachstumsideologie nach dem Motto höher, schneller, weiter. Und die zweite Kritik geht natürlich an Bund und Land, das Forschungs- und Bildungsministerium und den Freistaat Bayern, die eben nicht hinschauen, wenn sie so hohe Summen verteilen. Das tun sie eben bei den außeruniversitären Einrichtungen, es geht ja konkret um einen dreistelligen Millionenbetrag. Und da finden wir eben schon, da hat natürlich dann auch der Bund eine Aufsichtspflicht, was mit diesen öffentlichen Geldern und diesen Steuergeldern weiter passiert. Und wenn es eben bereits schon Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei anderen Einrichtungen gegeben hat, dann hat man diese Pflicht erst recht. Und der sind Bund und Land bislang nicht genügend nachgekommen.
Gohlke: Große Schieflage bei der Wissenschaftsförderung
Schulz: Jetzt reden wir die ganze Zeit über die Helmholtz-Gemeinschaft - was ist denn mit den anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, ist das ein grundsätzliches, strukturelles Problem, was diese Säule der Wissenschaftslandschaft angeht, oder betrifft das jetzt wirklich nur Helmholtz?
Gohlke: Momentan liegen mir jetzt keine anderen Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in anderen Bereichen vor. Wir müssten das sicherlich auch noch mal ganz strukturiert, systematisch angehen. Die große Schieflage, die aber im deutschen Wissenschaftssystem existiert, ist ja die zwischen den außeruniversitären Einrichtungen, die eben gerade auch durch die öffentliche Hand und vom Bund oder auch den Bundesländern mit sehr, sehr viel Mitteln versehen werden, eben auch mit einem dynamischen Wachstum an Mitteln versehen werden, und auf der anderen Seite den Hochschulen und Universitäten, die eigentlich viel größere Aufgaben haben, weil bei ihnen auch der ganze Bildungs-, Ausbildungs- und Lehrbereich eben liegt, die aber von solchen Mittelzuwächsen nur träumen können. Und mein Eindruck ist ein bisschen, dass das BMBF, die Bundesregierung oder eben das Ministerium, das Bildungsministerium, nur sehr einseitig nach Spitzenforschung schielt, es schielt nach prestigeträchtigen Projekten und großen Namen. Aber ob es am Ende eben auch untersetzt ist, ob es nachhaltig ist, ob es wirtschaftlich ist, das interessiert eigentlich gar nicht so richtig, da wird gar nicht so genau hingesehen. Ich glaube, das ist wenig verantwortungsvoll, weil es spielt eben mit Arbeitsplätzen, es spielt mit Steuergeldern, aber es bringt natürlich auch Wissenschaft in Misskredit.
Schulz: Vielen herzlichen Dank!
Gohlke: Danke Ihnen!
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