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Finanzprobleme Paralympics
Steuerzahler füllt leere Kassen

Das Olympia-Organisationskomitee Rio2016 wird umgerechnet 55 Millionen Euro öffentliche Mittel bekommen, um die Paralympischen Spiele zu bezahlen. Darüber hatte es viel Streit gegeben. Denn das OK hatte zuvor versprochen, keine Steuergelder in die Organisation zu stecken. Per Gericht sind staatliche Mittel nun freigegeben und ein weiteres Olympia-Versprechen ist gebrochen.

Von Carsten Upadek |
    Mario Andrada, Sprecher des Organisationskomitees, während einer Pressekonferenz
    OK-Sprecher Mario Andrada: "Geld landet am richtigen Ort" (picture alliance / dpa, Lukas Schulze )
    Ein Bundesgericht in Rio de Janeiro kippte am des 17. August eine wenige Tage zuvor erlassene einstweilige Verfügung: Nach der müsse das Olympia-Organisationskomitee erst einmal seine Finanzen unabhängig überprüfen lassen, bevor es öffentliches Geld bekommen könne. Doch das Komitee weigerte sich, seine Bücher offenzulegen. Nach seinem erfolgreichen Widerspruch vor Gericht geht es nun auch ohne. "Das ist ein weiteres gebrochenes Versprechen der Olympischen Spiele", verurteilt das Journalist Vinicius Konchinski, Olympia-Spezialist für das Online-Portal UOL: "Die Brasilianer sind schon frustriert, dass die Guanabara-Bucht nicht gereinigt wird, frustriert über die dreckige Lagune, frustriert über andere gebrochene Versprechen. Jetzt müssen wir auch mit diesem leben. Das ist sehr traurig!"
    Der Sprecher des Organisationskomitees, Mario Andrada, kündigte am 18. August an, man benötige umgerechnet 55 Millionen Euro, um die Paralympischen Spiele auf dem "versprochenen Niveau" durchzuführen. Auf Nachfrage des Deutschlandfunk sagte Andrada, man habe enorme Anstrengungen unternommen, keine öffentlichen Mittel verwenden zu müssen.
    Nur zwölf Prozent Eintrittskarten verkauft
    "Hätten wir etwas mehr Tickets verkauft und mehr Sponsoren gehabt, wären wir in der Lage gewesen, beide Spiele ohne öffentliches Geld zu organisieren", sagte Andrada. "Aber der Ticketverkauf für die Paralympischen Spiele ist unter unseren Erwartungen geblieben."
    Die Paralympics beginnen am 7. September. Laut Andrada seien dafür nur etwas über 300.000 der insgesamt 2,3 Millionen Eintrittskarten verkauft worden. Das sind zwölf Prozent – zu wenig, um die Kosten zu decken. Das Geld werde laut dem Sprecher vor allem für die Athleten, deren Beförderung und Essen verwendet. "Es gibt eine Reihe rechtlicher Voraussetzungen, um öffentliches Geld zu verwenden. Deshalb werden wir der Gesellschaft alles angeben, damit kontrolliert werden kann, dass das Geld am richtigen Ort landet."
    Volkskomitee: Zweifel an Glaubwürdigkeit
    Einige Dokumente des Organisationskomitees wie Jahresbilanzen sind in diesen Tagen auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht worden. Darin lässt sich zum Beispiel nachlesen, dass trotz Finanzkrise die Ausgaben für die acht Exekutiv-Direktoren zwischen 2011 und 2015 von jährlich umgerechnet 750.000 Euro auf 2,3 Millionen gestiegen sind. Vertragsinhalte mit Sponsoren, Zulieferern und staatlichen Organen sind auf der Seite jedoch nicht zu finden.
    Athletinnen mit Beinprothesen sind bereit für einen Sprintwettkampf. Sie stehen im Start. 
    Die Kasse ist leer - die Zeche für die Paralympics zahlen nun auch die Steuerzahler (picture alliance / dpa / MAXPPP)
    Deshalb kann Orlando Santos vom olympia-kritischen Bürgerkomitee in Rio über das Versprechen des OK-Sprechers zur lachen, vorsichtig mit öffentlichem Geld umzugehen: "Das ist für mich nichts als eine Art, die Leute zu beruhigen, eine Rechtfertigung, die Mittel zu verwenden. Sie generiert Zweifel, weil es bis zu diesem Moment keinerlei Transparenz gab und deshalb auch einer solchen Aussage die Glaubwürdigkeit fehlt."
    Das Bürgerkomitee hat zusammengerechnet, was die Spiele den Steuerzahler insgesamt kosten – und kommt auf ein ganz anderes Ergebnis als die Olympia-Organisatoren. Die geben an: private Geldgeber finanzierten 60 Prozent der insgesamt umgerechnet elf Milliarden Euro Gesamtkosten. Laut Volkskomitee sind es nur 38 Prozent – immerhin ein Unterschied von 2,4 Milliarden Euro. "Private Initiativen bezahlten Olympia – das ist nichts weiter als Gerede", sagt Demian Castro vom Volkskomitee. "Sie spielen mit Worten und rechnen Investitionen ein, die nichts mit Olympia zu tun haben."
    OK streicht seit Monaten am Budget
    Im Gesamtbudget sind auch die Gelder für Wettkampfstätten und Infrastruktur enthalten. Das Einzel-Budget des Organisationskomitees beträgt umgerechnet zwei Milliarden Euro. Aber das Unternehmen hat seit Monaten Finanzprobleme. Mehrfach gab es schmerzhafte Streichungen am Budget. Vor diesem Hintergrund seien die jetzt zu Ende gehenden Olympischen Spiele eine historische Marke, so Sprecher Andrada. "Wir haben die Olympischen Spiele ohne öffentliche Mittel realisiert. Das ist noch nie passiert in der Geschichte der Spiele."
    Der Trick, so Journalist Konchinski: "Ich denke, sie haben sich auf die Realisation der Olympischen Spiele konzentriert und die Paralympics für später gelassen. Das hat nun diese dringende Situation geschaffen." Heißt, für die laufenden Kosten beider Events gibt es nur eine Kasse. In der sollte eigentlich noch Geld drin sein für die Paralympics. Allerdings ist sie völlig leer. Deshalb springen nun der Brasilianische Bund und die Stadt Rio ein – auch in diesem Fall mit dem Geld der Bürger.