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Finanzstabilitätsbericht
Die gefährliche Suche nach mehr Rendite

Die Europäische Zentralbank warnt, dass die Banken zu viel Geld in Staatsanleihen von wirtschaftlich schwachen Ländern investieren. Aber es gibt auch gute Nachrichten im Finanzstabilitätsbericht der EZB.

Von Michael Braun | 28.05.2014
    Ein Archivfoto zeigt, wie sich das Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main im Eurozeichen-Kunstwerk des Künstlers Otmar Hoerl spiegelt.
    Die EZB hat einen neuen Finanzstabilitätsbericht vorgelegt (dpa picture alliance / Mauritz Antin)
    Ein Risiko ist weg: Dass die Banken an nicht genügend Geld kommen, um ihr Eigenkapital aufzustocken, das hatte die Europäische Zentralbank noch vor einem halben Jahr als mögliche Gefahr für die Finanzstabilität erkannt. Diese Sorge hat sie nicht mehr. Dafür ist eine andere größer, ja massiv geworden, eine, die auch zu tun hat mit dem bei vielen bangen Blick auf die DAX-Marke von 10.000 Punkten. Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Vitor Constancio:
    "Das wichtigste Risiko betrifft die Möglichkeit, dass auf den Finanzmärkten große Kapitalströme umgelenkt werden. Denn die Suche nach Rendite hat Risikopositionen entstehen lassen, ein Prozess, der auf manchen Märkten noch anhält."
    Der Höchststand vieler Börsenindizes hat die EZB offenbar beunruhigt. Zudem weiß sie natürlich darum, dass es auf den Anleihemärken nicht anders aussieht, dass auch dort die Kurse hoch sind, selbst bei Anleihen aus Staaten wie Spanien, Portugal und Italien, so hoch, dass die damit verbundenen Risiken womöglich nicht mehr richtig reflektiert werden. Das ist nicht nur ein Problem für den einen oder anderen Anleger. Viele Banken haben sich mit Staatsanleihen ihrer Länder vollgesogen. Im Durchschnitt der Eurozone sind 5,5 Prozent der Bankvermögen in Staatsanleihen angelegt. Aber Italien seien es 10,3 Prozent, in Spanien 9,7 Prozent, sagte Constancio. Soll heißen: Fließt das Geld aus den Anleihen mal ab, weil internationale Investoren kein Vertrauen mehr haben oder keine Renditehoffnung, dann sinken die Kurse und mit ihnen die Vermögen der Banken. Und das könnte die Bankenlandschaft ins Schlingern bringen. Dabei seien die Banken schon jetzt nicht gerade stark:
    "Diese sich hinziehende Phase niedrigen Wachstums bedroht die Profitabilität der Banken, nicht nur wegen zu geringer Kreditvergabe, sondern auch als Folge vieler fauler Kredite und Anleihen."
    Immerhin hätten die Banken der Eurozone seit 2007 neues Aktienkapital für 267 Milliarden Euro eingeworben, dazu noch für 95 Milliarden Euro eigenkapitalähnliche Instrumente verkauft wie etwa die relativ neuartigen CoCo-Bonds. Und die EZB hofft offenbar, dass nach der Bilanzprüfung, die sie gerade bei 128 großen Euroland-Banken durchzieht, und nach dem Stresstest die Lage sich entspannt.
    "Sind die Bilanzen sauber, haben die Banken keinen Grund mehr, wegen ihrer eigenen Schwäche die Kreditvergabe hinauszuzögern. Das heißt, im nächsten Jahr sind die Banken sehr viel besser darauf vorbereitet, die wirtschaftliche Erholung zu finanzieren."
    Zuvor kommt aber die Juni-Sitzung der EZB. Dort werden weitere Zinssenkungen und andere geldpolitische Lockerungen erwartet. Sie könnten den Renditehunger stimulieren, vor dessen Folgen die EZB heute warnt.