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Finanztransaktionssteuer ist "das völlig falsche Instrument"

Da die Finanzmärkte global agieren, verhindere auch eine Transaktionssteuer sogenannte "schlechte Geschäfte" nicht, sagt Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburger Instituts für Weltwirtschaft. Wolle man die Märkte in den Griff kriegen, müsse man diese regulieren und nicht besteuern.

Thomas Straubhaar im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Doch zunächst zu der fast schon Dauerdebatte um die Einführung einer Finanz-Transaktionssteuer, in die jetzt Bewegung gekommen ist. Kanzlerin Merkel will diese Steuer notfalls im Alleingang der Eurozone einführen, auch wenn das den Finanzplatz Frankfurt schwächen könnte. – Thomas Straubhaar ist der Direktor des Hamburger Instituts für Weltwirtschaft und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Straubhaar.

    Thomas Straubhaar: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Straubhaar, die meisten Ökonomen, so war das in der Vergangenheit zumindest, äußern sich ja skeptisch zu dieser Steuer. Aber die Kanzlerin argumentiert jetzt, einer muss vorpreschen, sonst kommt diese Steuer nie. Kann man das so sehen?

    Straubhaar: Das kann man so sehen, und ich denke, dass auch die Position der Ökonomen unverändert skeptisch geblieben ist, weil letztlich ein Vorpreschen erstens wenig Sinn macht, weil Finanzmärkte global agieren, und Menschen, die dann ihre Geschäfte nicht mehr in Frankfurt machen können, werden ihre Transaktionen nach London oder in andere Steueroasen verlegen können. Und zweitens ist doch ganz grundsätzlich die Frage zu stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, Finanzgeschäfte zu besteuern, oder ob es hier nicht einfach schlicht und ergreifend darum geht, eine neue Steuer zu erheben, die dann den allgemeinen Staatshaushalt ernähren soll.

    Zagatta: Beginnen wir vielleicht mit dem Finanzplatz Frankfurt, den Sie dann geschwächt sehen. Wird der tatsächlich so geschwächt? Welche Auswirkungen befürchten Sie da konkret?

    Straubhaar: Ich denke, es geht gar nicht mal so sehr nur um die Auswirkungen auf den Finanzplatz Frankfurt. Sicher wäre das eine oder andere Geschäft auch weiterhin aus Frankfurt zu tätigen. Aber gerade ein großer Teil der Finanzgeschäfte, die auch für den Börsenplatz wichtig sind, die für die Banken, die in Frankfurt ansässig sind, wichtig sind, die würden schlicht über ihre Tochtergesellschaften in London oder in Amerika oder andernorts auf der Welt genau dieselben Transaktionen ausführen, sodass auch von der moralischen Seite, von der normativen Seite her wenig gewonnen wäre. Es würde in dem Sinne kein "Schlechtes" Finanzgeschäft, das man möglicherweise verhindern würde, tatsächlich nicht über die Bühne gehen, sondern es würde einfach nicht mehr in Deutschland passieren, sondern andernorts, aber der Fakt wäre derselbe.

    Zagatta: Die Bundesregierung erhofft sich zumindest und hat das auch im Haushalt schon eingestellt – so hat unser Korrespondent vorhin berichtet – Mehreinnahmen von zwei Milliarden Euro im Jahr. Ist das unrealistisch?

    Straubhaar: Nein, das halte ich nicht für unrealistisch, weil es wird eine ganze Menge von Menschen geben, die nicht in andere Länder ihre Transaktionen werden verlagern können. Für die ist es dann eben eine Steuer, der sie nicht entgehen können. Und damit ist doch genau auch die Frage, was ist eigentlich ein gutes Finanzgeschäft. Dazu gehören eben auch ganz reguläre Aktienkäufe von Ihnen und mir und anderen, die ihr Geld irgendwo anlegen wollen, die nicht im hohen Sinne spekulativ sind, dass sie jetzt hier etwas Unanständiges tun würden – sonst müsste man ja den Aktienhandel ganz generell verbieten. Es sind also ganz legale normale Tagesgeschäfte und die würde man besteuern, und da gibt es sicher Deutsche, die nicht abweichen würden, und für die ist es dann halt einfach eine Verteuerung und in dem Sinne eine Schmälerung ihres Einkommens und eine Schmälerung ihres Vermögens.

    Zagatta: Aber könnten Sie und ich, könnten wir unserem Bankberater sagen, wenn wir das wollten, bitte macht dieses Geschäft, wenn ich eine Aktie kaufe, kauft sie in London?

    Straubhaar: Ja natürlich! Der würde das sofort für Sie tun, und wenn Sie dieser Steuer entgehen wollen, dann haben Sie in globalen Märkten mit Leichtigkeit diese Möglichkeit, und das zeigt ja auch, dass wenn es darum gehen sollte, sogenannte "schlechte" Geschäfte oder unmoralische Geschäfte oder Geschäfte, die negative Auswirkungen haben für die reale Wirtschaft, auf den Finanzmärkten zu verhindern, dann soll man die Finanzmärkte besser regulieren und nicht höhere Steuern. Und dagegen spricht ja auch nicht, dass man diese sogenannten Externalitäten, also Effekte, die die Finanzmärkte auf unbeteiligte Dritte ausüben, dass man die eindämmt, eingrenzt, und das soll man über Regulierungen und nicht über Steuern machen, die letztlich dann auch ganz anderen Zwecken dienen.

    Zagatta: Ist da noch Spielraum, ist da nichts geschehen?

    Straubhaar: Also bei der Regulierung, denke ich, ist man weit hinter dem Zeitplan. Man hat die letzten Jahre nicht genutzt, um wirklich die Finanzgeschäfte, die tatsächlich ja alles andere als marktkonforme Wirkungen erzielen, so zu regulieren, dass sich eine Finanzmarktkrise nicht wiederholen würde. Ich denke, wir sind hier nicht viel weiter, und deshalb würde ich die Anstrengungen viel, viel stärker auf dieses Gebiet richten, dass man verhindert, dass Finanzinstitute Geschäfte tätigen, die sie letztlich nicht mehr verantworten können, und dann diese Verantwortung auf die Steuerzahlenden abwälzen. Das ist das eigentliche Kernproblem und nicht, dass ein Markt wie der Finanzmarkt besteuert werden müsste.

    Zagatta: Was konkret müsste man dann Ihrer Ansicht nach machen, auf den Weg bringen?

    Straubhaar: Ganz sicher ist, dass Banken, die so groß werden, dass sie sogenannt "too big to fail" werden, das heißt, wenn sie eben fallen würden, dass sie auch das Ganze reale Wirtschaften mitreißen würden. Das darf nicht sein und das war in der Vergangenheit eben so, dass es Banken gegeben hat, auch in Deutschland – Stichwort Commerzbank, die so groß geworden ist, dass ihr Konkurs die ganze deutsche Wirtschaft in Turbolenzen gerissen hätte, deshalb musste sie vom Staat gerettet werden, ...

    Zagatta: Aber wie lässt sich das konkret verhindern?

    Straubhaar: Es gibt verschiedene Ansätze, beispielsweise, dass man sagt, dass eine Bank, die sehr groß ist, auch mehr Eigenkapital, mehr sozusagen Rücklagen bilden muss, mehr Sicherheiten hinterlegen muss. Das kann so weit gehen, dass man die Bilanzsumme von Banken im Auge hat und reguliert und nicht zu groß werden lässt, dass man andere regulative Maßnahmen macht, dass eben Banken nicht zu groß werden können und dann genau das Geschäft provozieren, das letztlich zu ihrem Konkurs beitragen würde und damit erst recht marktverzerrende Wirkungen erzeugen.

    Zagatta: Herr Straubhaar, ein kurzer Satz vielleicht noch zum Schluss. Glauben Sie überhaupt an diese Finanz-Transaktionssteuer? Die Bundesregierung, die Kanzlerin kann ja jetzt sagen, die FDP ist dagegen, also können wir es dann doch nicht umsetzen, wir hätten es ja gerne vorgehabt. In der Vergangenheit ist die Diskussion ja oft so gelaufen.

    Straubhaar: Ich glaube einfach, dass es das völlig falsche Instrument ist, eine Finanzmarktsteuer einzuführen. Das ist eine Steuer, es ist relativ ökonomisch unsinnig, einzelne Geschäfte oder einzelne Märkte zu besteuern. Wenn man mehr Steuern braucht, dann soll man allgemeine Steuern erhöhen. Wenn man die Finanzmärkte irgendwie in den Griff kriegen will, dann muss man sie regulieren und nicht besteuern.

    Zagatta: Thomas Straubhaar, der Direktor des Hamburger Instituts für Weltwirtschaft. Herr Straubhaar, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Straubhaar: Gern geschehen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.