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Fingerabdruck für Kongos Blutmineralien

Die Demokratische Republik Kongo ist reich an seltenen Rohstoffen. Rebellengruppen kontrollieren manche Minen und erlösen mit dem Geld Waffen und Munition. Ein gutes Geschäft, das niemand verhindern kann – weil im Kongo niemand nachweisen kann, woher die Ladung stammt. Das soll sich nun dank deutscher Technik ändern.

Von Simone Schlindwein |
    Irgendwo in den Bergen des Ostkongo, etwa fünf Stunden Fahrzeit von der nächstgelegenen Stadt Bukavu entfernt ...

    Man hört sie hämmern und klopfen, die Männer, die sich tief unten in einer dunklen Felsspalte in die Erde graben. Sie suchen nach seltenen Erzen: Coltan, Kassiterit und Wolframit. Aus diesen Rohstoffen lassen sich Bestandteile herstellen, die für die Produktion von Handys und Computern benötigt werden.

    Auch der deutsche Geologe Uwe Näher ist auf der Suche nach diesen Rohstoffen – Erze, die in Magma und Quarz gebunden sind. Uwe Näher blickt auf den Boden, seine Augen folgen dem Trampelpfad, der an Felsspalten entlangführt. Die Spalten sind Resultat eines Auseinanderdriftens der Kontinentalplatten. Vulkane haben hier Gesteinsbrocken ausgespuckt, die tief im Erdmantel verborgen waren – darunter auch die seltenen Erze, nach denen der deutsche Geologe sucht. Er hebt einen Stein auf und begutachtet ihn. In den Magma-Stein eingebettet findet Näher winzige Wolframit-Adern. Der Wind pfeift in das Knopfmikrofon, das an seiner Jacke befestigt ist.

    "Das hier ist Magma. Wenn sie abkühlt und erstarrt formiert sie sich so. Man sieht hier das schwarze Zeug, das ist das Wolframit. Das haben die Männer gesehen und einen Gang gegraben. Testlöcher nenne ich das."

    Der Geologe von der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe - BGR - hat eine abenteuerliche Mission. Er will Proben aus den Minen entnehmen, um sie im Labor in Hannover zu untersuchen. Mit Hilfe deutscher Hightech-Geräte lässt sich das Alter einer Erzprobe bestimmen, sowie deren Begleitstoffe analysieren. Jede Mine im Kongo hat einen spezifischen, einen sogenannten geochemischen Fingerabdruck. Ein Verfahren, das dabei helfen soll, denen den Geldhahn abzudrehen, die Minen zu Unrecht unter ihre Kontrolle bringen und sich an den Rohstoffen bereichern.

    Der Hintergrund: Im Osten des Kongo herrscht seit 15 Jahren Krieg. Mit mittlerweile mehr als fünf Millionen Toten ist dies einer der brutalsten Konflikte überhaupt seit dem Zweiten Weltkrieg. In diesen Krieg involviert sind verschiedene Rebellengruppen sowie die Soldaten der Armee. Eine der Milizen ist die ruandische Hutu-Miliz FDLR. Ihr wird vorgeworfen, für die schlimmsten Verbrechen verantwortlich zu sein: Ihre Anhänger massakrieren die Bevölkerung, vergewaltigen Frauen, plündern Dörfer. Fast zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht.

    So unterschiedlich alle beteiligten Parteien sind, eines haben sie gemeinsam: Sie alle kämpfen um die Kontrolle über die Rohstoffe. Die Regierung braucht die Einnahmen aus dem Verkauf der Mineralien, um das vom Krieg zerstörte Land wiederaufzubauen. Und die Rebellen brauchen die Einnahmen, um ihren Aufstand zu finanzieren, erzählt Major Sadiki. Der Mann war bis vor wenigen Tagen ein hochrangiger Kommandeur der FDLR:

    "Wir tauschen die Mineralien gegen Waren, die die Minenarbeiter in den Bergen benötigen, Waren, die es dort nicht gibt. Zum Beispiel Bier. Für eine Flasche Bier geben sie uns einen Sack Coltan, also fünf Kilo, die wir dann ins Tal transportieren und für fünf Dollar an Händler weiterverkaufen."

    Sadiki war mit seinen 500 Kämpfern in der Berg-Region Mwenga stationiert, nicht weit von den Minen entfernt, die der deutsche Geologe besucht hat. Doch dann gingen Soldaten gegen sie vor, die Rebellen zogen sich in die Wälder zurück. Nach drei Monaten im Dschungel ergab sich Sadiki den UNO-Blauhelmen.

    In einem Innenhof in der Stadt Bukavu, direkt an der Grenze zu Ruanda. Hinter hohen Mauern ist Kassiterit aufgehäuft. Ein Dutzend Männer sitzt um den Haufen herum. Sie schütteln Blechwannen und picken die Kassiteritstkörnchen aus dem Gemisch aus Sand und Grafit. Das Problem: Sobald die Erze hier in Bukavu ankommen, werden die Lieferungen vermischt. Niemand kann dann mehr mit bloßem Auge feststellen, woher das Material stammt. Dies soll sich nun dank des deutschen Fingerabdruck-Verfahrens ändern. Eine Stichprobe von nur wenigen Körnchen reicht aus, um festzustellen, woher das Erz stammt, erkärt Uwe Näher.

    "Wir wollen uns hochauflösende Satellitenbilder beschaffen und dann eine Datenbank erstellen von allen Gruben, darin sind Konzessionen und die Produktionszahlen gespeichert, und aus diesen Gruben wollen wir Proben nehmen, die wir einspeichern. So kann man im Streitfall den Fingerabdruck analysieren. Zum Beispiel, wenn beim Transit durch Ruanda ruandisches Material dem kongolesischen beigemischt wird. Dann kann man eine Analyse machen und sagen, dass das Coltan aus zwei verschiedenen Gruben stammt."

    Mit diesem Verfahren ließe sich das Erz aus den Minen beschlagnahmen, die von Rebellen besetzt werden – langfristig soll damit den Rebellen der Geldhahn zugedreht werden. Denn der Mineralienhandel ist ein Millionengeschäft: Die amerikanische Menschenrechtsorganisation "Enough" hat ausgerechnet: 225 Millionen Dollar pro Jahr erwirtschaften Rebellen aus dem Mineralienhandel. "Enough" hat daher weltweit Kampagnen gestartet: Elektronikfirmen wie Nokia oder Apple sollen garantieren, dass in ihren Mobiltelefonen keine, "Blutmineralien" verarbeitet sind. Die Kampagne war einerseits erfolgreich: Viele Firmen haben den Import aus dem Kongo komplett eingestellt. Andererseits hat der Boykott Folgen für die, die legale Geschäfte machen wollen. Ihr Geschäft sei ruiniert, klagt Michel Defays. Der Belgische Händler bemüht sich, nicht aus Rebellengebieten zu kaufen:

    "Wir haben Probleme mit dem Absatz, denn wir sind im vergangenen Jahr regelrecht verteufelt worden. Niemand wollte uns mehr die Ladungen abkaufen. Seitdem kontrollieren wir unsere Lieferanten selbst und vermeiden Lieferungen, deren Herkunft wir nicht kennen. Dennoch, es muss auf internationaler Ebene eine Lösung gefunden werden. Wir benötigen eine Art Landkarte für den Kongo, auf der genau verzeichnet ist, aus welchen Minen wir Ware beziehen dürfen. Und wir benötigen ein Zertifikat, einen Herkunftsnachweis, der international anerkannt wird."

    Das in Deutschland entwickelte Verfahren soll da ein erster Baustein sein, denn für die deutsche Hightechindustrie sind die Rohstoffe aus dem Kongo von enormer Wichtigkeit – zu diesem Schluss kommt das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Deswegen hat Kanzlerin Angela Merkel auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm angekündigt: Deutschland werde ein Zertifizierungsschema für Kongo-Mineralien entwickeln. Doch bis diese Idee in die Praxis umgesetzt werden kann, ist es noch ein langer Weg: Die BGR plant, die Idee zuerst in vier Pilotminen im Kleinformat auszuprobieren. Finanziert wird all dies aus Deutschland: 3,2 Millionen Euro hat die Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Ein entsprechendes Labor im Kongo aufzubauen, ist bislang undenkbar: Denn dazu müsste das Land über eine solide Stromversorgung verfügen. Die größte Herausforderung besteht demnach darin, das Verfahren, das in Deutschland entwickelt wurde, im Kongo in die Praxis umzusetzen.