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Finnland
Ein Milliardär als Klimaverbesserer

Immer mehr finnische Konzerne erkennen, dass es sich lohnt, in den Klimaschutz zu investieren. Der Milliardär Mika Anttonen kann und will neue Verfahren ausprobieren, um möglichst ressourcenschonend und nachhaltig zu produzieren. Der Einzelne könne nichts tun, meint er - das System müsse sich ändern.

Von Jenni Roth |
    Mika Anttonen, Chef der finnischen Tankstellenkette "st1"
    Mika Anttonen, Chef der finnischen Tankstellenkette "st1", setzt sich für Klimaschutz ein (Imago )
    Mika Anttonen steht vor einem Metalltor in Otaniemi, in Espoo, einer Satellitenstadt von Helsinki. Er trägt einen Parka, die blonden Haare zurückgegelt, sportlicher Typ. Die Zäune rund um das fast leere Gelände hat er mit riesigen Plakaten tapezieren lassen: "tosi tiippiä", steht da: "sehr tief".
    - "Da war kürzlich noch ein Riesenbohrer. Im Juni wird dann ein zweites Loch gebohrt. Siehst du das Ventil da?"
    - " Ah ja..."
    - "Dahinter das Loch, sechs Kilometer tief, durch das wir Wasser pumpen. Es macht da unten dann eine Kurve wie ein Eishockeyschläger. Da hinten wird dann ein neues Loch gebohrt, durch das wir das Wasser wieder hochholen."
    Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Wenn sich das Klima ändert - Finnland kommt ins Schwitzen" in der Sendung "Gesichter Europas".
    Das Sechs-Kilometer-Loch ist Teil eines Geothermie-Experiments. Mika Anttonen, Chef der Tankstellenkette "st1", hat große Ziele: Er will den Klimawandel stoppen, ein "gamechanger" sein, etwas entwickeln, das alles verändert.
    "Wir wollen weg von fossilen Brennstoffen. Auch die Wärmeerzeugung muss funktionieren, ohne irgendwas zu verbrennen, egal ob Kohle oder Holz. Die Energie fürs Fernwärmenetz in Helsinki kommt zum Beispiel noch aus zwei Kohlekraftwerken. Ich hoffe, dass wir unser Wasser bald in das Netz einspeisen können."
    Kleine Veränderungen reichen nicht, glaubt Mika Anttonen
    Mika Anttonen hat einen Startvorteil: Das Gestein hier in Finnland ist hart. Man muss zwar tief bohren, um an warmes Wasser zu kommen, aber dafür speichert der Stein die Wärme auch besser. 121 Grad heiß ist das Wasser in sechs Kilometern Tiefe. 80 bis 100 Millionen Euro kostet Anttonens Projekt – ohne Garantie auf Gewinn oder Anwendbarkeit. Aber als Milliardär kann er sich das Risiko leisten:
    "Es ist eine Wertefrage. Wenn wir den Folgegenerationen eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen, müssen wir neue Lösungen finden, von denen wir vielleicht noch nichts wissen. Dafür muss man risikobereit sein. Und wir haben ja gar keine Wahl."
    Damit spielt der Unternehmer auf die wachsende Energienachfrage an: für Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, technische Gadgets. Dazu kommt die wachsende Weltbevölkerung. Nach Prognosen der Vereinten Nationen werden 2050 9,8 Milliarden Menschen auf der Erde leben: Mehr als zwei Milliarden mehr im Vergleich zu heute. Und alle streben einen höheren Lebensstandard an. Heißt: Auch der Energieverbrauch wächst immens. Kleine Veränderungen, wie der Einsatz von Elektroautos, würden nicht reichen, glaubt Anttonen:
    "Wenn man Elektroautos mit Energie aus Kohle betreibt, hilft das auch nicht weiter. Außerdem: Selbst wenn sich 200 Millionen Menschen einen Tesla leisten könnten – was bringt das schon? Wenn eine finnische Familie einen Weihnachtsurlaub in Thailand macht – dafür kann sie zehn Jahre mit einem alten Auto fahren. Das ganze System muss sich ändern! Der Einzelne kann nichts tun: Wenn ich aufhöre zu fliegen, fliegt Finnair trotzdem weiter."
    Anttonen geht davon aus, dass bei den meisten der eigene Komfort mehr zählt als die Klimavernunft. Aber immerhin fliegt Finnair mittlerweile mit Biosprit – zumindest teilweise.
    Ölkonzern Neste will ökologisch korrekt dastehen
    Petri Lehmus ist Forschungschef bei Neste. Mit Schutzweste und -brille steht er im Labor des finnischen Mineralölunternehmens und Biokraftstoffherstellers: In einem zweistöckigen 60er-Jahre-Bau eine Autostunde östlich von Helsinki. Auf dem fast fußballfeldgroßen Firmengelände im Industriegebiet werden unter anderem Shell-Laster mit Neste-Sprit betankt, um ihn an Tankstellen im Land zu verteilen. Lehmus und seine Kollegen tun einiges, um – soweit das als Ölkonzern möglich ist – ökologisch korrekt dazustehen:
    "16 bis 17 Prozent unseres Portfolios sind inzwischen Erneuerbare Energien. 2030 wollen wir bei mindestens 40 Prozent nachhaltiger Rohstoffe sein. Das ist ein großer Wandel in ziemlich kurzer Zeit."
    Forschungschef Petri Lehmus im Labor des finnischen Mineralölunternehmens Neste
    Forschungschef Petri Lehmus im Labor des finnischen Mineralölunternehmens Neste (Deutschlandradio/ Jenni Roth)
    Biokraftstoff für Flugzeuge
    Der Konzern veredelt hier, in Nordeuropas größter Erdölraffinerie, Schweröl, aber eben auch Fette aus der Natur: Fettreste aus Industrieküchen, Abfälle aus der Pflanzenölindustrie, Fischfabriken oder von Schlachthöfen bilden schon heute die Grundlage für die Hälfte eines erneuerbaren Diesels. Fast drei Millionen Tonnen dieses Diesels produziert Neste inzwischen jedes Jahr. Das spare etwa so viel Kohlenstoffdioxid ein, wie drei Millionen Autos im Jahr ausstoßen.
    "Aber auch so produziert ein Dieselmotor circa 30 Prozent weniger CO2 als Benzin. Das Problem mit Diesel waren die Stickoxid-Emissionen, aber nur bei älteren Dieselmotoren."
    Dafür ist Nestes Biokraftstoff so hochwertig, dass damit auch Flugzeugtanks befüllt werden können. Allerdings nur zum Teil: Noch ist er viel zu teuer, er kostet drei bis viermal so viel wie herkömmlicher Flugkraftstoff.
    "Aber wir haben schon einige Partner: Die Flughäfen in San Francisco oder Dallas zum Beispiel. Oder Fluglinien wie American Airlines. Lufthansa, KLM oder Flugzeughersteller wie Boeing testen den Flugkraftstoff gerade."