Im Bremerhavener Fischereihafen liegt festvertäut die 120 Meter lange Mary Arctica, ein Frachtschiff einer grönländischen Reederei. Die rot lackierte Bordwand, die aus dem Wasser ragt, das weiße Brückenhaus und die beiden Kräne an Bord werfen ihre Schatten auf das Firmengelände gegenüber der Kaje. An der Stirn der Stahlbauhalle steht in weißen, großen Buchstaben auf grünem Untergrund JHK – Johann Heinrich Kramer.
Der Großvater des heutigen Firmeninhabers gründete das Unternehmen 1901. Ingo Kramer trat 1986 das Erbe an:
"Das war die Zeit, als auf der Fischdampferflotte, die in Bremerhaven seit langer Zeit beheimatet war, aufgrund der Dampfenergie auf den Schiffen Kältetechnik an Bord stattfand. Man konnte Kälte produzieren, man musste kein Eis mehr aus Bremerhaven mitnehmen. Kupfer war ein Werkstoff, den man sehr gut formen konnte, also Heiz- und Kälteschlangen bauen, Apparate bauen. Daher wurde die Firma als Kupferschmiedehandwerksbetrieb gegründet."
Beginn als Kupferschmiedebetrieb
Sein Vater, erzählt Ingo Kramer, war ebenfalls Kupferschmiedemeister. Er selbst ist Wirtschaftsingenieur. Nach dem Studium arbeitete er für kurze Zeit bei Mannesmann und stieg Anfang der 80er-Jahre in den Familienbetrieb ein:
"Gut, wollen wir hier durchgehen? Ich geh mal vor ... "
Ingo Kramer verlässt das zweistöckige Verwaltungsgebäude, geht über das Firmengelände. Neben kleineren Lagerhallen stehen dort zwei große Montagehallen:
"Das ist der Standort, den wir seit etwa 1990 haben. Sie sehen Schiffe direkt an der Kaje. Hier können wir auch die Vorteile nutzen, die der Standort Bremerhaven gegenüber anderen Standorten hat, eben am seeschifftiefen Wasser zu liegen. Wir gehen hier jetzt rein."
Breit aufgestellt ist das Unternehmen. Nicht weniger als 21 Betätigungsfelder listet der Internetauftritt auf. Forschung und Entwicklung, Mess- und Fördertechnik, Schiffsbetriebstechnik, Industrieanlagenbau:
"Ja, aber alle Felder gehen zurück auf die vier Kernbereiche Rohrleitungsbau, Stahlbau, Behälterbau und elektrotechnische Installation, aus denen sich dann bis zu 21 verschiedene Felder aufspalten. Aber im Kern sind es die vier ursprünglichen Felder, die wir heute noch bedienen.
- Hier machen wir Großbauteile bis zu 100 Tonnen Stückgewicht, die wir mit zwei Kränen bewegen. Zum Beispiel haben wir hier bis zu einigen Wochen große Komponenten für die Windkraftanlagen gebaut. Im Moment sind wir mit der Montage solcher Tätigkeiten auf hoher See beschäftigt, dann ist hier Ruhe und das beruhigt mich sehr, weil ich weiß, wir haben viel zu tun."
- Hier machen wir Großbauteile bis zu 100 Tonnen Stückgewicht, die wir mit zwei Kränen bewegen. Zum Beispiel haben wir hier bis zu einigen Wochen große Komponenten für die Windkraftanlagen gebaut. Im Moment sind wir mit der Montage solcher Tätigkeiten auf hoher See beschäftigt, dann ist hier Ruhe und das beruhigt mich sehr, weil ich weiß, wir haben viel zu tun."
300 Mitarbeiter an drei Standorten
300 Mitarbeiter arbeiten an drei Standorten. Am Hauptsitz hier in Bremerhaven sind es 120 Mitarbeiter, die gleiche Zahl ist am Standort in Ahlhorn südlich von Oldenburg beschäftigt, 60 sind es in Hamburg-Bergedorf. Der Umsatz schwankt stark, wie es für ein Unternehmen im Anlagebau nicht ungewöhnlich sei, merkt Ingo Kramer an. In einem Jahr seien es 70 Millionen Euro, in dem darauffolgenden 30 Millionen:
"Ich habe das Glück, keine Quartalsberichte zum Maßstab meiner Entscheidungen machen zu müssen. Wir denken nicht in Quartalsberichten, sondern in Generationen, das gibt etwas mehr Möglichkeiten. Meine Aktionäre sind meine Familie. Ich kann das nicht beklagen. Ganz im Gegenteil."
Ingo Kramer möchte nicht falsch verstanden werden. Von börsennotierten Großunternehmen, die permanent unter Gewinndruck stehen, auf dem Finanzmarkt aber das nötige Kapital erhalten, um weltweit zu expandieren, würde auch der deutsche Mittelstand profitieren und somit die gesamte deutsche Wirtschaft, deren tarifpolitischen Interessen er seit einem Jahr als Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände vertritt. Genug Zeit für den eigenen Betrieb bleibt da gleichwohl. Dank E-Mail und Internet.
"Ich nehme mir vor, ein bis zwei Tage im Schnitt für das Amt zur Verfügung zu stehen. Aber die anderen drei Tage damit auch fürs Unternehmen. Das geht im Schnitt auch auf. Ich weiß nicht, ob ich Anfang der 90er-Jahre, wo es diese Technologien noch nicht gab, mit meinen Vorstellung, drei Tage im Unternehmen, das Amt hätte wahrnehmen könne, aber heute ist es technisch ganz gut möglich."
1901, als sein Großvater das Unternehmen gründete, lag das Tarifrecht, wie wir es heute kennen, noch in ferner Zukunft. Dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einen Tisch setzen und unter weitgehendem Ausschluss staatlicher Vorgaben die Löhne eigenverantwortlich aushandeln, ist für Ingo Kramer das A und O der florierenden deutschen Wirtschaft in den zurückliegenden 60 Jahren.
Vierte Generation steht in den Startlöchern
Den gesetzlichen Mindestlohn, den die Regierung über die Köpfe der Arbeitgeber hinweg bundesweit und in allen Branchen eingeführt hat, lehnt er ab. Im Unternehmen des Arbeitergeberpräsidenten werden bestehende Tarifverträge selbstverständlich strikt eingehalten.
Und in den Startlöchern wartet auch schon die nächste, die vierte Generation. Ingo Kramer ist guter Dinge, dass der großväterliche Betrieb weiterhin in Familienhand bleibt:
"Da alle Kinder eine mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung haben, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass der eine oder andere später auch in die Firma kommen wird."