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Fischen im Trüben

Fischkutter, die bei Sonnenuntergang im Hafen einlaufen, beladen mit fangfrischen Meeresfrüchten: Das könnte bald Nostalgie sein. Die jahrzehntelange Ausbeutung der Meere hat den Fischgründen zugesetzt. Rund 75 Prozent der kommerziell genutzten Bestände sind überfischt oder von der Überfischung bedroht. So boomt die Fischzucht wie keine andere Tierzucht weltweit.

Von Maren Schibisky |
    Es ist früher Morgen in der 'Dustaffnage Bay' an der Nordwestküste Schottlands. In der wolkenverhangenen Bucht liegt das Forschungsschiff 'Seal Mara' vor Anker.

    Drei Meeresbiologen in orange-farbenem Ölzeug gehen an Bord. In europäischer Mission stechen sie in See.

    Ziel ist eine Lachsfarm, eine von vielen an Schottlands zerklüfteter Nordatlantikküste. Wie in den Fjorden Norwegens hängen hier überall die Käfige in den Buchten. Dazu kommen Austern- und Muschelfarmen. Sogar der Dorsch wird in Netzkäfigen gemästet.

    Die jahrzehntelange Ausbeutung der Meere hat den Fischgründen zugesetzt. Rund 75 Prozent der kommerziell genutzten Bestände sind überfischt oder von der Überfischung bedroht. So boomt die Fischzucht wie keine andere Tierzucht weltweit. In Schottland ist die Aquakultur nach dem Öl zum bedeutendsten Wirtschaftszweig geworden. - Aber auch zu einem ökologischen Brennpunkt.

    Während die 'Seal Mara' durch leichte Wellen an der dünnbesiedelten bergigen Küste entlangschippert, bereitet an Bord der Schotte Thom Nickell einen Metallgreifer vor.

    " Wir werden heute die Probennahme abschließen. Wir nehmen Proben vom Meeresgrund, um die Lebewesen zu untersuchen, die dort leben. Und wählen dafür verschiedene Abstände zur Fischfarm."

    Bereits den vierten Tag steuert das Forschungsschiff die Lachsfarm der 'Scottish Sea Farms' Company im 'Loch Creran'an. Für die Meeresbiologen ist die Farm Forschungsobjekt. Wie 12 weitere Unterwasserfarmen an Europas Küsten.

    Erstmals soll ein einheitliches 'Know-How' entwickelt werden, um Umweltbelastungen, die durch Aquakultur entstehen, vom Nordatlantik bis zum Mittelmeer vergleichen zu können. Das Sammeln von Sedimentproben am Meeresgrund gehört dazu.

    Gleich neben einer roten Boje versinkt der Metallgreifer im Meer. Die Boje markiert 75 Meter Entfernung von der Lachsfarm. Nach wenigen Minuten fördert er eine sandige Probe vom Grund ans Tageslicht.

    Exkremente und Futterreste der Lachse fallen oft direkt durch die Netzkäfige und lagern sich am Grund ab. 'Der Meeresboden wird zugeschissen' - so drastisch drücken Umweltschützer die Situation seit Jahren aus. Eine Lachsfarm mit 200 000 Fischen soll soviel Abwasser wie eine Stadt mit 20 000 Einwohnern produzieren. Thom Nickell öffnet den Greifer, wirft einen ersten Blick auf die Probe und riecht daran.

    " Das ist ziemlich sauber. Da ist nicht viel organisches Material drin. Es ist leicht bräunlich, schlammiger Sand, ein paar Muschelstücke, nicht viel Ton. Es sieht ziemlich sauerstoffreich aus, es ist nicht schwarz. Es riecht gut."

    Am Vortag hatten die Wissenschaftler direkt an den Netzkäfigen Proben genommen. Die sahen anders aus.

    " An den Käfigen war alles dicht mit organischem Material bedeckt, sehr schwarz, ein starker Schwefelgeruch, eine Menge Fischfäkalien waren drin. 25 Meter weiter ist es dann sauber. "

    Die 'Seal Mara'verändert die Position. Aus vier verschiedenen Distanzen zur Farm werden die Proben nach oben geholt.

    " Wir wollen schauen, wie tief oder wie stark das Sediment mit organischem Material belastet ist. "

    Mit Elektroden misst Helmut Thetmeyer , wieviel Sauerstoff im Meeresboden steckt. Und wieviel davon durch die nährstoffreichen Abwässer der Fischfarm verbraucht wurde.

    " Wenn der Nährstoffeintrag moderat ist, können vielzellige Organismen, Würmer, Mollusken usw. das aufarbeiten, was an Abfällen von der Fischfarm auf den Boden sedimentiert. Und wenn die Lebensbedingungen für diese Organismen zu schlecht werden, dann gibt es eben Einzeller und Bakterien, die das aufarbeiten. Dann haben wir schon schlechtere Bedingungen, was den Sauerstoff angeht. "

    Wie trostlos es unter den Käfigen aussieht, bestätigt auch Shona Magill. Sie arbeitet zusammen mit Thom Nickel am Dustaffnage Marine Laboratory in Oban.

    An Bord durchforsten sie die Proben nach großen und kleinen Lebewesen. In den Proben, die aus einiger Entfernung zur Fischfarm nach oben geholt wurden, identifizieren sie etliche Tiere.

    " Hier sind eine ganze Menge Würmer und andere Molluskentiere. Wir haben hier Muscheln mit Würmern drauf, Schalentiere, hier ist ein Krustentier auf einer Jakobsmuschel, eine Menge Seesterne ... "

    In den Proben direkt unterm Netzkäfig dagegen finden die Forscher maximal fünf verschiedene Meeresbewohner. Die anderen sind verschwunden.

    Erst, wenn der Fischfarmer die Position seiner Netzkäfige wechselt, kann sich am Meeresboden wieder genug Sauerstoff bilden für eine Vielzahl von Tieren.

    Aber nur sehr langsam - weiß Helmut Thetmeyer. Der Kieler Biologe vom Institut für Meereswissenschaften GEOMAR hat solche Lachsfarmen mehrfach untertaucht.

    " Das hängt sehr stark von den Strömungsverhältnissen ab. Hier in 'Loch Creran' haben wir sehr schwache Strömungen in Bodennähe. Das bedeutet es dauert schon etliche Jahre bis das bakteriell wieder abgebaut ist. Ich würde mit einer Zeitspanne von zwei bis fünf Jahren rechnen. "

    In welchem Zustand der Meeresboden ist, lässt auch Fischfarmer Rab Mac Donald nicht mehr gleichgültig. Er managt die schottische Lachsfarm im 'Loch Creran'. Insgesamt 30 Leute arbeiten draußen bei den Fischen und in der Schlacht- und Verarbeitungshalle am Ufer. Über einen 200 Meter langen Steg gelangt Rab Mc Donald zu seinem Motorboot.

    "'Loch Creran' ist etwas ganz Besonderes, einer der wenigen Orte in Europa, wo Röhrenwürmer ein lebendes Riff um das Loch herum gebildet haben. Deswegen ist das hier ein Schutzgebiet. Früher hatten wir unsere Farm hier im flachen Wasser der kleinen Bucht betrieben, wodurch das Riff gefährdet wurde. Wir haben also unsere Farm raus ins tiefere Wasser verlegt, weiter weg von dem Riff, damit es sich weiter entwickeln kann."

    Wegen des geschützten Riffs steht seine Farm unter strenger wissenschaftlicher Beobachtung. Alle zwei Jahren muss Rab Mac Donald die Position seiner Netzkäfige verändern. So schreiben es die schottischen Umweltbehörden vor. Nur so kann sich der Meeresboden von den Abwässern der Farm erholen.

    " Wir haben 475 000 Lachse im Moment. Von 200 Gramm bis 700 Gramm schwere Fische. "

    Noch sind die Lachse klein. Ihre Fäkalien halten sich in Grenzen. Erst vor wenigen Monaten kamen sie aus der Brut- und Aufzuchtstation ins Meerwasser. Ihre Schlachtreife erreichen sie mit drei Jahren. In letzter Zeit haben schottische Lachsfarmer viel gegen ihren schlechten Ruf unternommen, haben die Fischdichte in den Netzkäfigen drastisch reduziert. Denn verschmutztes Meerwasser und wenig Sauerstoff am Grund schaden auch ihren Lachsen. Antibiotika gegen Krankheiten gibt es angeblich nicht mehr. Stattdessen werden die Tiere geimpft. Die europäischen Verbraucher verlangen ein umweltfreundliches gesundes Produkt.

    Rab Mac Donald fährt mit seinem Motorboot hinaus zu den Netzkäfigen. Das Unternehmen hat kürzlich ein völlig neues Fütterungssystem in Betrieb genommen. Es spart Futter und verrringert die Wasser- und Meeresbodenverschmutzung.

    Ein vier Meter langes Fütterungsrohr ragt über der Wasseroberfläche in jeden Käfig.

    " Jeden Tag benötigen diese Käfige, dieser hier 250 Kilogramm Fischfutter. 600 bis 700 Kilogramm größere Käfige, je nachdem wie groß die Fische sind. "

    Computergesteuert spuckt das Fütterungsrohr die Fischpellets ins Wasser. Die kleinen Lachse springen umher. Silbern glitzern sie in der Sonne.

    " Die Fische füttern sich selbst mit diesem System. Sie signalisieren dem Computer, wenn sie Futter wollen. Und weil sie wissen, dass es immer da ist, ändern sie ihre Fressgewohnheiten. Bei unserer Art zu füttern müssen die Fische nicht nach dem Futter schnappen. Sie wissen, es ist da, wenn sie es brauchen, und dadurch sind sie viel entspannter."

    Rab Mac Donald ist stolz auf das System. Durch die gezielte automatische Fütterung sinken viel weniger Futterreste auf den Meeresgrund.
    Bleibt dennoch etwas im Netzkäfig zurück, wird es vorm Absinken abgesaugt und zum Fütterungsautomaten zurückgepumpt. Der steht auf einer Meeresplattform unweit der Käfige.

    Kenneth Black sieht die schottischen Lachsfarmen auf einem guten Weg. Der Meeresforscher leitet im Dustaffnage Marine Laboratory die Forschungsgruppe für Aquakultur.

    " Die Fischfarmer in Schotland haben in letzter Zeit gutes Handwerkszeug entwickelt, um die Umweltschäden zu reduzieren. Die Mehrheit der Fischfarmer arbeitet damit. Sie wirtschaften auf einem höheren Niveau als die Gesetzgebung es vorschreibt. Ich denke, das ist eine gute Sache. "

    Doch noch immer ist es zuviel, was Europas Meeresbuchten verkraften müssen. Gerade im Mittelmeerraum, wo die Hochburgen der Wolfsbarsch- und Doradenaquakultur liegen. Kenneth Black kennt die Verhältnisse in Europa sehr gut.

    " Es gibt große Unterschiede zwischen dem Mittelmeerraum und dem Atlantik. Der Atlantik ist nährstoffreich, während der Mittelmeerraum, besonders der östliche, extrem nährstoffarm ist - zum Beispiel die Adria. Dadurch reagieren die Ökosysteme auch sehr unterschiedliche auf bestimmte Nährstoffeinträge aus den Fischfarmen. "

    Seit 2005 leitet Kenneth Black das europäische Forschungsprojekt, mit dem das beste 'Know-How' zur Erfassung von Umweltbelastungen durch Aquakultur gefunden werden soll. 'ECASA' heißt es in Kurzform. 16 Forschungsinstitute aus 13 Ländern sind beteiligt. Bis Ende 2007 wollen sie Ergebnisse vorlegen.

    Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben in letzter Zeit viele Projekte zur Aquakultur gefördert.

    " Eines der Ziele ist es zu prüfen, welche Modelle und Methoden sind die besten, welche bilden am besten die unterschiedlichen Gegebenheiten der verschiedenen Ökosysteme ab, die vom Mittelmeerraum, die der Atlantikküste. Wir wollen daraus einen Werkzeugkasten bauen, einen Leitfaden entwickeln für den Gesetzgeber und die Industrie, der sie in die Lage versetzt, einzuschätzen, an welcher Stelle Aquakultur vertretbar ist und die künftig zu überwachen. "

    Die Forscher hoffen, dass so europaweit einheitliche Umweltstandards entstehen. Bisher existieren sehr unterschiedliche Gesetze und Regelungen zur Aquakultur in den Ländern. Ein unhaltbarer Zustand bei dem Wachstum der Branche - erklärt der schottische Meeresforscher Chris Cromey. Auch er gehört der 'Aquakultur'-Forschergruppe im Dustaffnage Marine Laboratory bei Oban an.

    In den letzten Jahren hat er Modelle entwickelt, die die Folgen der Aquakultur für den Meeresboden vorhersagen können.

    " Diese mathematischen Modelle verarbeiten Informationen über die Wasserströmung um die Käfige herum, die Futtermenge, die Verschmutzung unter den Käfigen. Die Software kann die Masse an Partikel vorhersagen, die am Meeresgrund abgelagert wird und welche Auswirkungen das auf den Meeresboden und das Leben dort hat.

    Einige dieser Modelle werden bereits auf der ganzen Welt eingesetzt, um vorherzusagen, wo sind die besten Plätze für Aquakultur und wo nicht. "

    Für Lachsfarmer Rab Mac Donald ist der beste Platz immer noch die geschützte Meeresbucht. Er besteigt eine Plattform im Wasser, von der aus die Netzkäfige per Monitor kontrolliert werden. Die Netze sind doppelmaschig geknüpft.
    Die kreisrunden Käfige haben 17 Meter Durchmesser. Von der Wasseroberfläche aus reichen sie 15 Meter in die Tiefe. Bei Stürmen stoßen sie in der Bucht schnell an ihre Belastungsgrenze.

    " Das ist ein dreihundert Kilogramm schwerer Anker, der jeweils unter jedem Netzkäfig und zwischen den Netzkäfigen befestigt ist. Die werden regelmäßig durch Taucher kontrolliert. Das hilft uns, das Flüchten von Zuchtlachsen ins Meer zu verhindern. Die Farm hält stand, wenn Stürme und Wellen kommen. "

    Die Zerstörung von Netzkäfigen und das Flüchten von Zuchttieren ist ein großes Problem mit dramatischen Folgen für die wild lebenden Lachspopulationen. Mit Sorge beobachtet Kenneth Black die Entwicklung, mit den Netzkäfigen aus den geschützten Buchten hinaus ins offene Meer zu gehen.

    Off-shore sei die Zukunft - heißt es in der Aquakulturbranche. Die Farmen wollen sich des Abwasserproblems entledigen. Draußen auf dem Meer reißen starke Meeresströmungen Futterreste und Exkremente mit sich und verdünnen sie bis unter die Nachweisgrenze. Doch das Equipment für 'Off-shore' sei nicht sicher. Noch nicht.

    " Das größte Problem ist, wenn gezüchtete Lachse flüchten und im Herbst die Lachsflüsse hoch wandern, sie sich möglicherweise mit den natürlichen Populationen vermischen. Das führt zu einer genetischen Veränderung, die den natürlichen Instinkt der Lachse beeinflusst, die Flüsse zum Laichen hoch zu wandern, in denen sie geboren wurden. "

    In den USA und Kanada arbeiten Technologiefirmen und Forschungslabors an Equipment für die offene See. Sind die Hochseekäfige erst einmal sicher, wäre der Raum für Aquakultur grenzenlos. Visionen von frei flottierenden Netzen in Sporthallengröße existieren. Mit dem Golfstrom sollen sie quer über den Ozean treiben, während der Fisch seine Marktgröße erreicht.

    Alle Umweltprobleme der Meeresbuchten wäre die Branche los. Der deutsche Aquakulturforscher Uwe Waller vom Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in Kiel hält das für Augenwischerei.

    " Es ist natürlich schön zu sagen, ich nehm den Netzkäfig aus der Bucht hinaus und bringe ihn in den freien Ozean. Das macht die Industrie auch mit anderen Problemen. Man verdünnt es einfach. Oder man macht es unmessbar. Trotzdem tragen wir immer noch dieselben Stoffmengen ein. Hier muss auch eine gewisse Ehrlichkeit einsetzen und eine gewisse sachliche Betrachtung der Systeme. "

    Uwe Waller sieht ein großes Potential zur Lösung der Probleme in geschlossenen Kreislauffarmen. Als Leiter des Aquariums an der Kieler Förde forscht er seit acht Jahren an einer leistungsfähigen Technologie.

    In der Wasseraufbereitungshalle des Kieler Aquariums werden täglich große Mengen Meerwasser gereinigt: Wasser der Typen 'tropisch', 'Mittelmeer', 'Ostee', 'Atlantik'. Hier entstand die Idee für die weltweit modernste Aquakulturkreislaufanlage.

    " Eigentlich ist die Aquakulturtechnik aus dieser Technik, die wir für die Aquarien benutzen hervorgegangen, das heißt wir haben die Technologie, die wir seit 30 Jahren für die Reinigung des Wassers in den Aquarien nutzen, so umgebaut, dass es für die Aquakultur funktionierte. "

    Was so einfach klingt, war harte Forschungsarbeit, durchgeführt mit dem deutschen Elektroapparatehersteller 'Sander' aus Uetze bei Hannover. Das mittelständische Unternehmen hat seine Wasseraufbereitungsanlagen in den großen Aquarien Deutschlands laufen. Der Markt ist begrenzt. Nun will das Unternehmen in die marine Aquakultur expandieren- erklärt zuversichtlich Geschäftsführer Martin Sander.

    " Bestehende Kreislaufanlagen sind meist Teilkreislaufanlagen, wo in einem hohen Prozentsatz Meerwasser durch die Anlage hindurch geschleust wird. Üblicherweise sind das Wasseraustauschraten von 60 bis 80 Prozent pro Tag, so dass wir das für unsere Firma schon gar nicht mehr als Kreislaufanlagen, sondern eher als Durchlaufanlagen betrachten würden, obwohl sie international als Kreislaufanlagen definiert werden. "

    Die Kreislaufanlage, die Martin Sander unter wissenschaftlicher Beratung des Instituts für Meereswissenschaften GEOMAR in Kiel gebaut hat, besitzt eine Wasseraustauschrate von nur einem Prozent. Nachdem sie erfolgreich als Prototyp im Kieler Aquarium gelaufen ist, steht sie jetzt als große Forschungsanlage bei der Firma Sander in Uetze. Das Bundesforschungsministerium fördert die Pilotanlage als bundesweit einzigartiges Aquakulturprojekt mit 500 000 Euro. Teile wurden bereits nach Vietnam für die Garnelenzucht exportiert.

    Im Versuchslabor der Firma sind die Bauteile der neuen Technologie zu besichtigen. Der Abschäumer, in dem Schmutzpartikel mithilfe von Luftblasen herausgefiltert werden. Die Biofilter, in denen Bakterien auf Füllkörpern das Wasser sauber fressen. Martin Sander hat die Bauteile so miteinander kombiniert, dass sie für die Aquakultur attraktiv sind.

    " Es handelt sich im Grunde genommen um ein seit Jahren erprobtes Konzept, wo wir jetzt allerdings die Aufgabe hatten, die Energiekosten deutlich herunter zu brechen, deutlich heißt mindestens um den Faktor fünf herunter zu brechen, weil wir die Energiekosten in der Aquakultur, in der Fischzucht , im Endprodukt 'Fisch' wieder finden, können wir die Standardtechnik, die wir in der Aquarientechnik einsetzen hier nicht eins zu eins umsetzen. "

    Weltweit sind viele Kreislaufanlagen an zu hohen Energiekosten gescheitert. Bisher rentierten sich nur Anlagen, bei denen am Ende ein edles Produkt steht. Wie zum Beispiel Kaviar in der Störfabrik im vorpommerschen Demmin.

    Die Anlage in Uetze profitiert von ihrem Niedrigenergiekonzept. Jetzt muss sie noch ihre Industrietauglichkeit unter Beweis stellen.

    Deshalb ziehen in drei großen Meerwassertanks seit zwei Jahren 30 000 Wolfsbarsche ihre Kreise. Die Mittelmeerart bringt vier bis acht Euro das Kilo. Sie zählt zu den edleren Speisefischen. Jaime Orellana überwacht Wachstum und Gesundheit der Wolfsbarsche in der neuen Kreislaufanlage.

    " Der Wolfsbarsch ist ein barschartiger Fisch, der robust ist. Der kann viel ab. Den kann man von einem Salzgehalt von 10/12 pro Mille, das ist Brackwasser, bis Nordatlantik 33 pro Mille züchten. Den kann man auch züchten bei 14 Grad oder 23 Grad. Insofern ist das eine sehr attraktive Art, um Aquakultur zu betreiben. "

    Jaime Orellana ist mit der Wasserqualität sehr zufrieden. Die Wolfsbarsche sind erwartungsgemäß gewachsen ohne Krankheiten. Der chilenische Biologe verspricht eine hervorragende Fischqualität.

    " Ein Vorteil von einer solchen Anlage ist, dass sie standortunabhängig ist, das heißt wir versuchen, die Fische so nah an den Konsumenten zu bringen, wie möglich. Das heißt ich könnte vor Berlin oder im Raum Frankfurt oder München eine solche Anlage bauen, das heißt dass sie die Fische bei dem Italiener um 14.00 Uhr essen werden. Um 8.00 Uhr sind sie noch geschwommen. Eine solche Qualität und Frische kann keine andere Aquakultur weder in Griechenland noch Italien anbieten. "

    Die Anlage ließe sich auch mit Dorade, Steinbutt, Seezunge oder asiatischen Arten wie 'Red Snapper' oder 'Grooper' betreiben. Rentabel ist sie nur, wenn Fischgewinne von über zwei Euro das Kilo erzielt werden.
    Im saarländischen Völklingen will man 2010 eine erste Industrieanlage mit 500 Tonnen Wolfsbarsch jährlich bauen. Meeresfisch aus dem Binnenland.

    Vor der Küste Schottlands hat der Lachsfarmer Rab Mac Donald seinen Kontrollgang auf der Steuerungsplattform beendet. Bevor er ans Ufer zurückkehrt, kontrolliert er, ob genug Fischfutter da ist. In riesigen grauen Plastiksäcken lagern kleine braune Pellets.

    " Die bestehen aus Fischmehl und Fischöl, Vitaminen. Vieles aus nachhaltigem Fischfang. "

    Das ist Rab Mac Donald wichtig. Denn Meeresfarmen für Lachs, Dorsch und Co. stehen europaweit in der Kritik. Auch wegen ihres Futterbedarfs. Vier Tonnen zermahlener Wildfisch kommt auf eine Tonne Aquakulturfisch.

    Das erhöht den Druck auf die Futterfische der Weltmeere. Sandaal, Lodde, Blauer Wittling und Sprotten werden im Nordatlantik für die Fischmehlproduktion gefangen. Sardinenschwärme vor der südamerikanischen Küste. In manchen Ländern blüht die Raubfischerei. Im Nordatlantik gab es trotz Fangquoten bereits Engpässe bei Sandaal und Lodde. Der Kieler Meeresbiologe Uwe Waller beobachtet das mit Sorge.

    " Wenn man zum Beispiel zuviele Sandaale fängt. Der Sandaal ist der Futterfisch für den Dorsch. Dass man dann den Dorschbestand beeinträchtigt, dass sein Futterfisch aus dem System verschwindet. "

    Die steigenden Bedürfnisse der Aquakultur hinterlassen große Löcher in der Nahrungskette im Meer. Dass dies nicht so weitergehen kann, wissen auch die Futtermittelhersteller. Schon jetzt bekommen sie durch hohe Fischmehl- und Fischölpreise die Engpässe bei Futterfischen zu spüren. Außerdem befinden sich die Konzerne in starker Konkurrenz zu Schweine- und Hühnerfutterherstellern, die ebenfalls große Mengen an Fischmehl verarbeiten.

    Im dänischen Fischfutterkonzern 'Biomar' ist man mit der Situation bestens vertraut. Das Unternehmen betreibt sechs Fabriken weltweit. Von Norwegen bis Chile.

    Unter starkem Druck und hohen Temperaturen von 120 bis 130 Grad Celsius wird das Fischmehl zu drei bis zwölf Millimeter großen Pellets verpreßt und anschließend getrocknet. Danach kommen Fischöl und Vitamine dazu. Regelrechte Energiebomben enstehen, die die Fische doppelt so schnell wachsen lassen wie in der freien Natur.

    'Biomar'-Produktmanager Ole Christensen betritt eines der
    26 Silos auf dem Fabrikgelände in Brande. Dort türmen sich Berge von sandbraunem Fischmehl.

    " Ich befürchte, dass wir in Zukunft mit viel weniger Fischmehl auskommen müssen. Wir arbeiten daran, den Anteil von Fischmehl im Futter zu reduzieren. "

    'Biomar' leistet sich ein eigenes Technologiezentrum im dänischen Hirtshals. Dort laufen Versuche, Fischmehl partiell durch pflanzliche Proteine zu ersetzen. Welche das sind, da hält sich Ole Christensen bedeckt.

    " Ich bin zielmich sicher, dass wir künftig mehr pflanzliche Anteile im Fischfutter haben werden. Wir werden es uns nicht leisten können, die extrem hohen Preise zu bezahlen, die möglicherweise auf uns zukommen werden. Das ist auch nicht mehr wirtschaftlich für die Farmer.

    Im Moment versuchen wir, verschiedene Rohstoffe zu kombinieren. Wir entwickeln ein Fischfutter, das genauso gut, wenn nicht sogar besser ist, als wie wir es heute einsetzen, indem wir deutlich größere Mengen an Ersatzstoffen einsetzen. "

    Am Berliner Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei gibt es Überlegungen, Fischmehl durch Fliegenmadenmehl zu ersetzen. Erste Fütterungsversuche mit dem afrikanischen Viktoriabarsch waren erfolgreich . Ein Süßwasserfisch.

    Bei der Suche nach Ersatzstoffen für Fischöl sind die Futtermittelhersteller weiter. Im Labor bei 'Biomar'stehen neben Fischölproben auch Proben von Raps- und Sojaöl. Bis zu 20, 25 Prozent ersetzen bereits pflanzliche Öle die Fischöle bei der Pelletproduktion. Raubfische wie Lachs, Forelle und Co. werden zu Vegetariern umerzogen.

    " Wir wissen, dass es voll akzeptiert wird. Und die Fische werden keinen Unterschied im Geruch oder Geschmack festellen. Es ist uns gelungen nachzuweisen, dass das Wachstum der Fische genauso gut ist, als wenn wir reines Fischöl verwenden würden. Es gibt keine Probleme damit. "

    Nur die Mittelmeerarten wie Wolfsbarsch und Dorade tun sich schwer mit dem pflanzlichen Ölanteil im Futter.

    " Es scheint einfacher zu sein, das Fischöl im Forellen- oder Lachsfutter zu ersetzen als bei den Warmwasserarten. Inwiefern wir das auch bei den Warmwasserarten hinkriegen, wissen wir noch nicht."

    Um erwartungsgemäß zu wachsen brauchen die Mittelmeerarten eine hohe Konzentration an Omega -3- Fettsäuren. Pflanzliche Öle besitzen aber nicht so hohe Konzentrationen wie Fischöl. Lachs und Forelle können diese Omega-3-Fettsäuren zum Teil selber bilden. Deshalb vertragen sie eine Nahrungsumstellung auf partiell pflanzliche Öle besser.

    Fischverarbeitungshalle bei 'Scottish Sea Farms' am 'Loch Creran'. Sechzehn geschlachtete Lachse pro Minute werden von einer Maschine aufgeschlitzt und von Innereien befreit. Computergesteuerte Waagen registrieren das genaue Gewicht der Fische. An langen Fließbändern stehen Frauen und Männer in weißen Kitteln, waschen und verpacken die Lachse in Kisten mit gecrashtem Eis.

    Die drei Kilo schweren Edelfische werden als Räucherware oder Filet in ganz Großbritannien vermarktet. Großkunden sind auch Frankreich und Deutschland. Produktmanager John Rae lehnt eine Lachsfütterung auf partiell pflanzlicher Basis ab.

    " Einige Kunden legen großen Wert auf eine möglichst naturnahe Ernährung der Zuchtfische. Diesen Kunden ist es wichtig, nicht zu viele Ersatzstoffe im Futter zu haben. Wahrscheinlich wären sie bereit, für eine angemessene Menge an Fischöl im Futter, auch einen höheren Weltmarktpreis zu bezahlen. Wahrscheinlich finden sie auch, dass die gesundheitlichen Vorteile, die höhere Omega 3 Werte im Fisch mit sich bringen, die zusätzlichen Kosten durchaus wert sind."

    Der Lachs gilt als besonders gesundes Lebensmittel. Dank seiner Vielzahl an Omega-3-Fettsäuren, die Herz und Gefäße bei Menschen schützen.

    Es bestehen Zweifel, dass ein zum Teil pflanzlich gefütterter Lachs genauso gesund ist wie ein mit Fischöl gefütterter Lachs. Norwegische Wissenschaftler vom Osloer Risikohospital haben das in einer Studie untersucht. Sie konnten keine Unterschiede feststellen werden. Für Skeptiker gibt es einen Mittelweg - meint der Kieler Meeresbiologe Uwe Waller.

    " Eine Alternative wäre jetzt, einen Lachs mit normalen pflanzlichen Ölen aufzuziehen und erst im letzten Moment, kurz vor der Ernte über diese marinen Öle und Fette diese hochwertigen Fettsäuren in das Filet hineinzubringen. Das wird auch gemacht. Die Erfolge liegen so bei 70 Prozent im Vergleich zu 100 Prozent, wenn man den Lachs mit Fischölen durchfüttert. "

    Die Aquakultur wird den globalen Eiweißhunger der Welt in Zukunft stillen müssen. Davon ist Uwe Waller überzeugt. Bereits jetzt stamme jeder vierte Fisch, der in der Küche landet, aus einer Aquafarm. Doch wollen die Betreiber bestehen, müssen sie neue Wege gehen.

    " Es gibt nicht nur den Netzkäfig in der Bucht, es wird nicht nur die Kreislaufanlage geben, es wird nicht nur die frei flottierenden Hochseekäfige geben. Es wird eine Kombination sein. Wir werden aber hauptsächlich an den Ressourcen arbeiten müssen und wie können wir diese Aquakultur so gestalten, dass möglichst wenig dieser Stoffe ungewollt in die Umwelt entlassen werden. "