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Fischerei
Nachwuchsmangel auf hoher See

Bei Wind und Wetter draußen, oft mehr als zehn Stunden täglich, Wochenenden sind selten: Die Fischerei ist ein Knochenjob. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für diesen Beruf, 2015 waren es gerade einmal 80. Für Dennis Freitag aus Travemünde völlig unverständlich. Der 22-Jährige ist Fischer aus Leidenschaft.

Von Astrid Wulf |
    Der 22-jährige Ostseefischer Dennis Freita auf seinem Boot und mit einem Fisch in der rechten Hand.
    Für Dennis Freitag ist Fischer ein Traumjob. (Deutschlandradio - Astrid Wulf)
    In den Plastikwannen auf dem Kutter zappeln Dorsche und Plattfische. Es ist früher Vormittag, das Boot liegt rund 14 Kilometer vor der mecklenburgischen Küste. Die Sonne scheint, die Ostsee ist ruhig – perfekte Bedingungen für Fischer Dennis Freitag und seinen Kollegen, um die Netze einzuholen.
    Nach und nach zieht eine Maschine an der Reling das Netz Meter für Meter aus dem Wasser an Deck, routiniert befreit Dennis einen Fisch nach dem anderen aus den Maschen. Schon der Vater des 22-Jährigen hat am Hafen gearbeitet. Seit Dennis elf Jahre alt ist, verbringt er jede freie Minute am Travemünder Fischereihafen und auf der Ostsee.
    "Das ist Gold wert. Niemand sagt dir, was du tun sollst. Und wenn man an Land sieht, was in der Innenstadt los ist, wie viele Menschen da rumlaufen, da ist Stress ohne Ende, und hier hast du halt deine Ruhe, hier fahren halt ein paar Schiffe mehr oder weniger. Stress hast du natürlich auch mal, wenn Sturm ist, dann muss man sehen, wie man hier klarkommt. Aber sonst ist das hier immer ne ruhige Sache."
    Knochenjob Fischerei
    Dennis Freitag sieht nicht gerade wie ein Seebär aus. Er hat feine Gesichtszüge, ist glattrasiert, schmächtig und verschwindet geradezu in der weiten Gummihose und den hohen Stiefeln, stemmt die vollen Fischkisten aber mit Leichtigkeit. Fischerei ist ein Knochenjob. Viele junge Leute können nicht verstehen, warum er sich das freiwillig antut.
    "Das Erste, was sie sagen: 'Verdient man da was?' Das Zweite: 'Macht das Spaß?' Wenn du dann erzählst, wie lang man arbeiten muss, dann fragen sie, ob ich nicht ganz richtig im Kopf bin.
    Da könnte man noch so viel verdienen, sagen sie, das würde ich dann nicht machen. Wir sind ja 13 bis 14 Stunden unterwegs, das ist denen dann zu lang, sechs bis sieben Tage die Woche."
    Schwierige Rahmenbedingungen
    Mit 16 hat Dennis seine Ausbildung gemacht, mit 20 sein Kapitänspatent – eine Zeit lang war er der jüngste Kapitän bundesweit. Andere wissen noch nicht einmal mit 30, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.
    Dennis hat schon längst einen Plan. In den nächsten Jahren wird er den Betrieb und den Kutter seines Chefs übernehmen und will dann am liebsten sein Leben lang rausfahren und Fische fangen – auch wenn die Rahmenbedingungen für Fischer immer schwieriger werden.
    "Wir müssen halt sehen, wie sich das bei uns politisch entwickelt. Die machen es uns ja nicht so ganz einfach. Man hört ja immer: Fangquoten gekürzt, Fischerei hat keine Zukunft mehr – das wird denen ja auch schlechtgeredet."
    Nachwuchs gibt es, es kommen allerdings nicht viele junge Fischer nach. In den vergangenen Jahren haben bundesweit im Schnitt etwa 80 junge Menschen im Jahr die Ausbildung zum Fischwirt gemacht. Wenn das so weitergeht, droht der Kutterfischerei an der Ostseeküste in den nächsten Jahren ein echtes Nachwuchsproblem, sagt Claus Ubl vom Deutschen Fischereiverband:
    "Derzeit ist der Nachwuchs in der Fischerei noch bedarfsdeckend. Aber in den nächsten zehn Jahren werden viele Fischer altersbedingt ausscheiden und für die Betriebsübernahmen steht noch nicht genug Nachwuchs zur Verfügung."
    Ein Traditionsjob im neuen Gewand
    Dabei bemühen sich die Verantwortlichen, dem traditionellen Beruf einen moderneren Anstrich zu verpassen. Gerade erst wurden die Ausbildungsinhalte auf den neuesten Stand gebracht, angehende Fischwirte können sich jetzt auch zum Beispiel für Aquakultur und Binnenfischerei oder Küsten- und Hochseefischerei spezialisieren. Ob sich künftig dadurch mehr junge Leute für den Beruf des Küstenfischers begeistern, ist ungewiss. Trotzdem ist der der Fischereiverband optimistisch.
    "Fisch wird auch in Zukunft gefangen, und es werden Leute damit Geld verdienen. Wir haben an der Küste Kutter, und diese Kutter brauchen Besatzung."
    Frische Luft statt Büro
    Und diese Kutter sind der Ort, an dem sich Dennis Freitag am wohlsten fühlt. Egal, ob bei ruhiger See wie heute oder im Winter, wenn der junge Fischer die Netze bei Sturm und Schnee an Deck zieht. Tauschen möchte er mit niemandem. Erst recht nicht mit seinen Altersgenossen, die in der Uni sitzen, an einer Karriere in der Werbeagentur oder bei der Sparkasse arbeiten.
    "Im Büro, immer eingeschlossen, keine frische Luft, immer nur auf den Bildschirm starren, nee. Das könnte ich nicht. Ich kann nicht verstehen, warum andere Leute sowas überhaupt machen."