Auf einem 20 Meter langen Fischkutter vor der portugiesischen Küstenstadt Peniche ziehen Männer in Ölanzügen ein Netz ein. Kurz zuvor hatten die Fischer in der Abenddämmerung ein ringförmiges Netz in das kühle Atlantikwasser geworfen und wieder eingeholt. Jetzt blinken die ersten silbernen Sardinen im Scheinwerferlicht und die Crew holt mit einem großen Kescher die Fische an Bord.
"Das sind mehr als 10 Tonnen Fisch," sagt der Kapitän und Bootsbesitzer Paulo Leitão. Doch er dürfe nur 3,7 Tonnen an Land bringen, deshalb schmeiße er nachher den Rest wieder über Bord.
Die Fischer halten das Fangverbot für Sardinen für sinnlos
Leitão ist seit 24 Jahren als Kapitän vor der portugiesischen Küste auf Fischfang. Der stämmige Mann mit dem kurzen angegrauten Backenbart ist der Überzeugung, dass die Sardinenbestände keine 15-jährige Ruhepause brauchen, um sich zu erholen:
"Diese Idee ist doch sinnlos. Die Realität sieht hier ganz anders aus. Der Bestand ist in den letzten Jahren sogar leicht gestiegen. Natürlich haben wir noch nicht den Idealpunkt erreicht, aber wir sind auf einem guten Weg. Es ist bereits viel reguliert: Wir respektieren die biologische Uhr des Ozeans und wir haben die Fangquoten. Das reicht. Früher haben wir im Winter nur ein oder zwei Monate nicht gefangen. Jetzt sind es bereits vier bis fünf Monate, damit die Sardinen ihre Eier legen und die Jungtiere richtig heranwachsen können."
Die Wissenschaftler des Internationalen Rats für Meeresforschung sehen das anders. Seit 2006, so das unabhängige Forschungsinstitut, sei der Bestand der Sardine vor der portugiesischen Küste drastisch zurückgegangen. Erst nach einer 15-jährigen Fangpause, so die Wissenschaftler, würde der Minimalbestand erreicht werden, um den Erhalt der Sardine in Südwesteuropa nachhaltig zu stärken.
Der Sardinenfischer Paulo Leitão vermutet jedoch hinter dieser Empfehlung die Interessen anderer großer Fischereinationen:
"Die Sardinenschwärme tauchen ja auch in französischen Gewässern oder vor der Südwestküste Englands auf. Selbst Russland ist mittlerweile stark im Geschäft. Und für diese großen Nationen wäre das ja ganz fantastisch, wenn wir Portugiesen und Spanier keine Sardinen mehr fischen dürften."
Fischfang hat hohe symbolische Bedeutung
Die Empfehlungen des internationalen Gremiums sind nicht rechtsbindend. In Portugal hat sich deshalb die Regierung beeilt, der Idee eines 15-jährigen Fangverbots schnell zu widersprechen. Die Fischerei und Fischindustrie machen nicht einmal ein Prozent der portugiesischen Wirtschaftsleistung aus und beschäftigen rund 25.000 Portugiesen. Doch der Schutz der Fischer, die für die ehemals große Seefahrernation Portugal immer noch eine hohe symbolische Bedeutung haben, ist den Regierenden in Lissabon scheinbar wichtiger als eine grundlegende Debatte um einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen des Meeres. Daher präsentieren die zuständigen portugiesischen Minister nach den jährlichen Verhandlungen in Brüssel eine Erhöhung der Fangquoten für Portugal als politischen Erfolg. Im vergangenen Herbst hat die EU die gesamte Fangquote für Portugal im Jahr 2017 um 11 Prozent auf 121.000 Tonnen Meerestiere erhöht.
Trotz dieser Unterstützung seitens der Politik blicken viele Fischer mit großem Misstrauen nach Lissabon und Brüssel. Immer wieder erinnern sie daran, dass mit dem Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft in den 80er-Jahren ein großer Teil der Fischerboote eingestampft wurde. Um die größtenteils überalterte Flotte zu modernisieren, hatten Unternehmer damals Prämien erhalten für jedes Boot, das sie aus dem Verkehr zogen. Viele Fischer machen noch heute sowohl die EU als auch die portugiesischen Politiker verantwortlich für den Niedergang der ehemals großen Fischergemeinden entlang der portugiesischen Küste.
Auf seinem Kutter im Atlantik malt Paulo Leitão deshalb ein düsteres Bild, wenn er an die Folgen eines möglichen Fangverbots für Sardinen denkt. Denn andere Fischarten an der portugiesischen Küste wie die Bastardmakrele würden zu wesentlich geringeren Preisen verkauft werden:
"Wir Unternehmer müssten unsere Boote verkaufen und die Firmen schließen. Und die Besatzung säße auf der Straße. Und viele würden wahrscheinlich auswandern, denn keiner glaubt hier daran, dass die Fischer 15 Jahre lang vom Staat unterstützt würden, bis sie wieder Sardinen fangen können. Nein, das wäre das Ende der Fischerei hier in Peniche."