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Fischfang

Die Europäer essen immer mehr Fisch: Mittlerweile sind es im Schnitt 22 Kilo pro Kopf und Jahr. Doch die Meere der EU sind längst überfischt. Streng reglementierte Fangquoten schützen die Bestände von Scholle, Rotbarsch, Kabeljau und anderen Meerestieren. Die Arbeitsplätze von 300.000 Fischern stehen auf dem Spiel. Dringend braucht die Union neue Fanggründe. Fündig geworden ist sie ausgerechnet in den ärmsten Ländern der Welt. Mit 15 der sogenannten AKP-Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik unterhält sie Fischereiabkommen. Cash gegen Fisch lautet das Geschäft. Doch seit riesige EU-Trawler die Bestände wegfischen, kommen die einheimischen Fischer immer häufiger mit leeren Netzen nach Hause.

von Claudia Ruby | 25.08.2000
    Nosy Faly ist eines von über 1.000 Fischerdörfern an der madagassischen Küste. Die Fischer arbeiten mit einfachsten Methoden, oft reicht der Fang kaum zum Überleben. Immer mehr Familien geben deshalb auf und wandern in die Slums der großen Städte ab. Um diesen Trend zu stoppen, betreibt die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ im Norden Madagaskars ein Ausbildungszentrum für Fischer. Die Teilnehmer lernen moderne und nachhaltige Fangtechniken. Es geht um biologische Grundlagen und eine bessere Vermarktung. Der Andrang ist groß, erzählt der Fischer Said. Er hat bereits vor einigen Jahren einen Kurs absolviert.

    "Meine Erträge sind gestiegen. Ich arbeite jetzt mit anderen Netzen und einem kleinen Außenbordmotor an der Piroge. Seitdem kann ich weiter rausfahren und den Fischschwärmen besser folgen. Ich fange auch viel größere Fische. Alles ist besser geworden. Im Dorf gibt es jetzt sogar einen Kühlschrank."

    Doch je erfolgreicher die Küstenfischer sind, umso größer wird die Konkurrenz mit der industriellen Fischerei. Sie ist auf Madagaskar vor allem in ausländischer Hand. Der unmittelbare Küstenbereich ist für die Pirogen der traditionellen Fischer reserviert. Trotzdem dringen die Krabbenkutter des französisch-madagassischen Konsortiums "Pêcheries de Nosy Be" regelmäßig in diesen Bereich ein. Sie fischen Garnelen für den Export. Nachts kommt es immer wieder zu Unfällen zwischen den ungleichen Konkurrenten, erzählt Alain Michel vom Ausbildungszentrum der GTZ.

    "Es werden Netze und Boote zerstört. Einmal gab es sogar einen Todesfall. Die Piroge eines traditionellen Fischers wurde nachts einfach über den Haufen gefahren. Das Problem betrifft die ganze Westküste Madagaskars. Es ist unbegreiflich: Auf der einen Seite heißt es, dass sich die traditionelle Fischerei entwickeln muss, auf der anderen Seite geschieht nichts, um die Fischer zu schützen."

    Nicht nur die Garnelenkutter dringen in die Fanggründe der traditionellen Fischer ein. Überall vor der afrikanischen Küste fangen riesige EU-Trawler Thunfisch. Eigentlich müssten sie außerhalb der 10-Seemeilen-Zone bleiben. Doch weil es so gut wie keine Kontrolle gibt, hält sich daran niemand. Die Folgen sind fatal: Immer häufiger kommen die einheimischen Fischer mit leeren Netzen nach Hause. Eine absurde Situation, findet Martina Schaub, Handelsreferentin bei der Nord-Süd-Initiative Germanwatch. "Auf der einen Seite fischt die EU den afrikanischen Fischern die Bestände weg, auf der anderen Seite unterstützt sie gerade die kleinen lokalen Fischer." Madagaskar ist dafür nur ein Beispiel.

    "Im Senegal zum Beispiel sind es 21 verschiedene Projekte, die dort vor allem handwerkliche Fischer unterstützen. Diese Praxis ist typisch für die inkohärente Politik der EU. Den Fischern wird somit mit der einen Hand genommen, was ihnen praktisch mit der anderen Hand gegeben wurde. Nämlich genommen mit dem Kauf von Fangrechten und gegeben wurde es ihnen durch die Entwicklungsprojekte."

    Germanwatch fordert mehr Kohärenz in der europäischen Politik. Die EU müsse den afrikanischen Ländern dabei helfen, eine effektive Fischereikontrolle aufzubauen. Nur so können Fischbestände und traditionelle Fischer auf Dauer überleben.