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Fiskal-Poker und anhaltende Schuldenkrise

Der Fiskalpakt der EU-Staaten steht – wenn auch mit einem kleinen Schönheitsfehler. Denn Großbritannien und Tschechien sind nicht dabei. Schuldenbremsen und ESM-Fonds sollen vor allem verloren gegangenes Vertrauen an den Finanzmärkten wiederherstellen. Doch geht diese Rechnung auf?

Von Michael Braun |
    Ja, auch der Euro-Gipfel gehörte heute zu den guten Nachrichten für die Börsen. Banktitel zogen an, drückten den Deutschen Aktienindex schon am Morgen nach oben, so wie nahezu alle anderen europäischen Aktienindizes auch. Das war sicher ein Lob für die Gipfelbeschlüsse, sagten Händler. Und zugleich Ausdruck der Hoffnung, dass die Umschuldungsgespräche mit Griechenland endlich abgeschlossen würden. Carsten Sommerfeld vom Handelshaus Tradegate:

    "Der Markt setzt eigentlich darauf, dass es eine Entscheidung gibt und das Thema abgeschlossen wird. Wir haben das Thema jetzt seit über einem Jahr hier an der Börse. Die Situation dort ist fatal, aber diese Situation wird ignoriert und man hofft eigentlich darauf, dass es mal ein Ende gibt."

    Den Gipfel loben Beobachter, weil mehr herauskam als bloßes Sparen. Dass schneller als der Schuldenstand die Wirtschaftsleistung einbrach, haben Volkswirte längst erkannt. Sie raten gleichwohl, auf den Reformdruck, der von der Sparpolitik ausgeht, nicht zu verzichten. Einfach mehr Geld für Konjunkturprogramme bereitzustellen, gilt nach wie vor nicht als wegweisend. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank:

    "Es gibt zwei Formen, Wachstum zu erzielen: Zum einen Anschub durch Programme. Aber die andere Säule ist eine wirtschaftliche Liberalisierung. Es gibt viele, viele einschränkende Maßnahmen und Regeln in vielen Ländern Europas, nicht nur, aber auch sehr stark in Südeuropa, die, wenn sie verändert würden, auch Wachstumskräfte freisetzen würden, was noch nicht einmal Geld kosten würde. Diese beiden Säulen müssen stehen, damit mehr Wachstum kommt. Alleine nur über staatliche Programme wird es wahrscheinlich nicht ausreichen."

    Martin Lück, Chefvolkswirt der UBS Deutschland, rät zudem, Griechenland neben Sparauflagen vor allem administrative Hilfe zu leisten, vor allem in der Finanzverwaltung:

    "Im Grunde muss man den Griechen viel stärker helfen, um die vielen Steuerhinterzieher endlich an die Kandare zu bekommen, um endlich zu verhindern, dass die wohlhabenden, teilweise reichen Griechen ihre eigenen Landsleute betrügen um die Steuereinnahmen, die dem griechischen Staat zustehen. Relativ verbürgt ist wohl die Zahl von über 200 Milliarden Euro, die griechische Personen, wohlhabende Personen, allein in der Schweiz angelegt haben."

    Trotz fester Kurse gab es auch Kritik an den Gipfelbeschlüssen: Das Klagerecht gegen Haushaltssünder sei nicht mehr als eine gut gemeinte Klausel. Ein Euroland hacke dem anderen kein Auge aus. Die Schuldenbremse müsse nicht mehr in der Verfassung stehen, ein Gesetz genüge. Und das sei leicht zu ändern. Die Vorgabe, die Staatsverschuldung von mehr als 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung abzubauen, greife erst von 2014 an.

    Und dann machte noch Sorgen, dass die Renditen der portugiesischen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit von 15 Prozent heute auf in der Spitze rund 18 Prozent stiegen. Für den Börsenhändler Carsten Sommerfeld eine Mahnung des Marktes, dass Griechenland ein Sonderfall bleiben müsse:

    "Eine private Beteiligung darf es definitiv nur dieses eine Mal geben. Sollte es noch einmal zu einer privaten Beteiligung bei Staatsanleihen innerhalb Europas kommen, dann ist das Vertrauen der Anleger letztendlich komplett dahin."