Christoph Heinemann: In Irland hat die Abstimmung über die Teilnahme des Landes am europäischen Fiskalpakt begonnen. Mit diesem Abkommen wollen sich 25 EU-Staaten neue, diesmal auch bindende Regeln für die künftige Haushaltspolitik geben. Irland ist das einzige Land in der EU, das wegen seiner Verfassung das Volk über das Vertragswerk zur Haushaltsdisziplin abstimmen lassen muss. 3,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind wahlberechtigt. Umfragen deuten eine Zustimmung an, der Abstand zwischen Ja und Nein ist in den letzten Tagen allerdings geschrumpft.
Mitgehört hat Burkhard Balz (CDU), er ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments und dort Mitglied des Ausschusses Wirtschaft und Währung. Guten Tag.
Burkhard Balz: Guten Tag, Herr Spengler.
Heinemann: Christoph Heinemann immer noch, macht aber nichts. – Größte Krise, haben wir gerade eben gehört. Herr Balz, denken wir laut über das Unaussprechliche nach. Welche Folgen hätte ein irisches Nein zum Fiskalpakt?
Balz: Na ja, zunächst einmal würde ein Nein den Fiskalpakt europaweit ja nicht zwingend kippen, weil zwölf von 17 Mitgliedern der Eurozone nur zustimmen müssten. Das Signal allerdings, das natürlich an die anderen Länder, die gerade im Ratifizierungsverfahren sind, gesendet werden würde, wäre sicherlich kein positives, möglicherweise sogar ein fatales.
Ob die Iren sich selber mit einem Nein wirklich einen Gefallen tun würden, da bin ich mir natürlich nicht so sicher, denn auch bei einem Nein müsste Irland bei einer Beantragung von weiteren Mitteln aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus natürlich den Auflagen dieses Fiskalpaktes folgen, und das würde eben auch bedeuten, dass bei einem Nein die Regierung selber nicht unbedingt dementsprechend neue ESM-Mittel beantragen könnte.
Heinemann: Sie haben von den Auflagen gesprochen. Bedeutet der Fiskalpakt de facto, dass die Haushaltspolitik der nationalen Parlamente nach Brüssel abgegeben wird?
Balz: Das würde ich nicht so sehen. Es webt einfach nur jetzt einen klar definierten Rahmen durch den Fiskalpakt, was zukünftig haushaltstechnisch noch möglich ist, und ich glaube, dass wir klare Haushaltsregeln für die gesamte Eurozone dringend benötigen, weil letztendlich ein Großteil der Finanzkrise, die wir jetzt in den letzten zwei Jahren in Europa gesehen haben, eben natürlich durch die Überschuldung der Mitgliedsstaaten oder vieler Mitgliedsstaaten der Eurozone gekommen ist.
Heinemann: Aber in der Tat würde doch die Europäische Kommission den Finanzministern auf die Finger hauen?
Balz: Natürlich wird man zukünftig dem einen oder anderen Minister auf die Finger hauen müssen. Ich persönlich bin der Meinung, es wäre gut gewesen, wenn das schon früher geschehen wäre, dann wären wir vielleicht gar nicht erst in diese Situation gekommen.
Heinemann: Stichwort früher geschehen. Wird in Ihrem Ausschuss im Europäischen Parlament inzwischen laut über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nachgedacht und diskutiert?
Balz: Sie meinen, ob die Europäische Union einen Plan B hat?
Heinemann: So ist es.
Balz: Unsere Priorität, Herr Heinemann, ist nach wie vor natürlich, dass Griechenland im Euro bleibt. Ich glaube aber, dass es nun in den Händen der Griechen liegt zu entscheiden, ob sie den Euro noch weiter wollen oder nicht. Ich glaube, da ist hauptsächlich nun das griechische Volk, die Bevölkerung bei den Wahlen am 17. Juni gefragt.
Heinemann: Und wenn dort ... - Bitte!
Balz: Ein Plan B, so wie wir es jetzt gerade besprochen haben, käme dann nur infrage, wenn Griechenland wirklich austreten würde, und das ist aus meiner Sicht nach wie vor fraglich.
Heinemann: Aber an diesem Plan B wird gearbeitet?
Balz: Natürlich bereitet man sich auch auf alle denkbaren Fälle vor, und ich glaube, es wäre fahrlässig, wenn die Institutionen der Europäischen Union, insbesondere auch die Europäische Zentralbank, sich nicht auf einen solchen Fall vorbereiten würden. Konkrete Inhalte eines solchen Plan B stehen aber meines Wissens noch nicht fest.
Und vielleicht ein letztes Wort: Ich bin auch ausdrücklich hier mit dem Bundesbankpräsidenten Weidmann einer Meinung. Wir werden sicherlich die Lage, wie sie auch immer nach den Wahlen am 17. Juni kommen wird, meistern und wir wollen natürlich hier von Seiten des Parlaments, aber auch der anderen europäischen Institutionen versuchen, weiterhin nach Plan A zu arbeiten. Das bedeutet eben, dass die Griechen weiterhin in der Eurozone bleiben.
Heinemann: Und wenn nicht, welches Ausstiegsszenario befürworten Sie?
Balz: Na ja, wenn, dann müsste man sicherlich mit den Griechen reden, wie ein solches Szenario aussehen könnte. Da gibt es ja verschiedene Optionen und ich glaube, dass man dann lieber relativ zügig einen solchen Schritt machen müsste – mit Folgen, die natürlich für die Griechen wahrscheinlich deutlich schwerwiegender sein dürften als für den Rest der Eurozone.
Heinemann: Eine Möglichkeit hat ja Thomas Mayer entwickelt, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank: die Einführung eines Geuro, also eines Euro mit einem G davor, einer Art Schuldschein, der die Währung ersetzen könnte, so wie Argentinien es vor zehn Jahren vorgemacht hat, als der Peso vom Dollar entkoppelt wurde. Ist das ein gutes Rezept?
Balz: Na ja, das ist zumindest eine denkbare Variante, die ich persönlich ganz interessant finde, weil es ist ja auch nicht so, dass die Griechen in ihren Kellern und Tresoren quasi eine neue Währung sofort liegen haben. Das heißt, man müsste erst mal überlegen, wie man in einer Übergangszeit in der Tat eine dann neue Währung wieder (oder auch alte Währung von Griechenland, die Drachme) gestaltet. Insofern ist das sicherlich ein interessanter Vorschlag, den Thomas Mayer, ein wirklich ja hoch geschätzter Ökonom, hier gemacht hat.
Heinemann: Herr Balz, wie schwer wiegt in der gegenwärtigen Krise, dass Franzosen und Deutsche hörbar, jetzt im übertragenen politischen Sinne gemeint, eine unterschiedliche Sprache sprechen?
Balz: Na ja. Ich glaube, das wiegt nicht so schwer momentan. Frankreich befindet sich nach wie vor im Wahlkampf, die Präsidentschaftswahlen sind gelaufen, es gibt einen neuen sozialistischen Präsidenten mit Francois Hollande, aber es finden eben auch am 10. und 17. Juni noch Parlamentswahlen statt. Und dass dort natürlich ein neuer Präsident versucht, eben auch eine eigene Mehrheit dann im Parlament zu erreichen, das heißt eben auch, dass er bis dahin noch Akzente setzen muss. Ich glaube, dass Merkel und Hollande relativ schnell nach diesen Wahlen Mitte Juni zueinander finden werden, und wenn ein französischer Präsident nun hier auch sehr stark in Richtung Wachstumsstrategien geht, dann ist das sicherlich ein richtiger Ansatz und da wird man mit Deutschland auch drüber reden können.
Heinemann: Sie waren, Herr Balz, Mitglied des Sonderausschusses des Parlaments für Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise. Welches Element ist für Sie das bedrohlichste, die Finanz-, die Wirtschafts- oder die Sozialkrise?
Balz: Na ja, momentan, wenn ich ganz ehrlich bin, die Finanzkrise nach wie vor. Aber wenn man gerade auch in Richtung Griechenland schaut, oder auch Spanien, dann muss man immer mehr attestieren, dass diese Finanzkrise sich auch zu einer leider sehr, sehr starken Sozialkrise entwickelt hat und ausgewirkt hat, und da mache ich mir besondere Sorgen. Wenn man sieht, wie die Zustände mittlerweile gerade in diesen Ländern sind, dann muss man sicherlich fragen, was man gerade auch dort tun kann, um die Menschen wieder mitzunehmen, um die Menschen auch dementsprechend mit Arbeitsplätzen zu versorgen, damit sie auch von dem Einkommen, das sie dann haben, selbst leben können.
Heinemann: Burkhard Balz (CDU), Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Balz: Ja auf Wiederhören! Herzlichen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mitgehört hat Burkhard Balz (CDU), er ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments und dort Mitglied des Ausschusses Wirtschaft und Währung. Guten Tag.
Burkhard Balz: Guten Tag, Herr Spengler.
Heinemann: Christoph Heinemann immer noch, macht aber nichts. – Größte Krise, haben wir gerade eben gehört. Herr Balz, denken wir laut über das Unaussprechliche nach. Welche Folgen hätte ein irisches Nein zum Fiskalpakt?
Balz: Na ja, zunächst einmal würde ein Nein den Fiskalpakt europaweit ja nicht zwingend kippen, weil zwölf von 17 Mitgliedern der Eurozone nur zustimmen müssten. Das Signal allerdings, das natürlich an die anderen Länder, die gerade im Ratifizierungsverfahren sind, gesendet werden würde, wäre sicherlich kein positives, möglicherweise sogar ein fatales.
Ob die Iren sich selber mit einem Nein wirklich einen Gefallen tun würden, da bin ich mir natürlich nicht so sicher, denn auch bei einem Nein müsste Irland bei einer Beantragung von weiteren Mitteln aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus natürlich den Auflagen dieses Fiskalpaktes folgen, und das würde eben auch bedeuten, dass bei einem Nein die Regierung selber nicht unbedingt dementsprechend neue ESM-Mittel beantragen könnte.
Heinemann: Sie haben von den Auflagen gesprochen. Bedeutet der Fiskalpakt de facto, dass die Haushaltspolitik der nationalen Parlamente nach Brüssel abgegeben wird?
Balz: Das würde ich nicht so sehen. Es webt einfach nur jetzt einen klar definierten Rahmen durch den Fiskalpakt, was zukünftig haushaltstechnisch noch möglich ist, und ich glaube, dass wir klare Haushaltsregeln für die gesamte Eurozone dringend benötigen, weil letztendlich ein Großteil der Finanzkrise, die wir jetzt in den letzten zwei Jahren in Europa gesehen haben, eben natürlich durch die Überschuldung der Mitgliedsstaaten oder vieler Mitgliedsstaaten der Eurozone gekommen ist.
Heinemann: Aber in der Tat würde doch die Europäische Kommission den Finanzministern auf die Finger hauen?
Balz: Natürlich wird man zukünftig dem einen oder anderen Minister auf die Finger hauen müssen. Ich persönlich bin der Meinung, es wäre gut gewesen, wenn das schon früher geschehen wäre, dann wären wir vielleicht gar nicht erst in diese Situation gekommen.
Heinemann: Stichwort früher geschehen. Wird in Ihrem Ausschuss im Europäischen Parlament inzwischen laut über ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nachgedacht und diskutiert?
Balz: Sie meinen, ob die Europäische Union einen Plan B hat?
Heinemann: So ist es.
Balz: Unsere Priorität, Herr Heinemann, ist nach wie vor natürlich, dass Griechenland im Euro bleibt. Ich glaube aber, dass es nun in den Händen der Griechen liegt zu entscheiden, ob sie den Euro noch weiter wollen oder nicht. Ich glaube, da ist hauptsächlich nun das griechische Volk, die Bevölkerung bei den Wahlen am 17. Juni gefragt.
Heinemann: Und wenn dort ... - Bitte!
Balz: Ein Plan B, so wie wir es jetzt gerade besprochen haben, käme dann nur infrage, wenn Griechenland wirklich austreten würde, und das ist aus meiner Sicht nach wie vor fraglich.
Heinemann: Aber an diesem Plan B wird gearbeitet?
Balz: Natürlich bereitet man sich auch auf alle denkbaren Fälle vor, und ich glaube, es wäre fahrlässig, wenn die Institutionen der Europäischen Union, insbesondere auch die Europäische Zentralbank, sich nicht auf einen solchen Fall vorbereiten würden. Konkrete Inhalte eines solchen Plan B stehen aber meines Wissens noch nicht fest.
Und vielleicht ein letztes Wort: Ich bin auch ausdrücklich hier mit dem Bundesbankpräsidenten Weidmann einer Meinung. Wir werden sicherlich die Lage, wie sie auch immer nach den Wahlen am 17. Juni kommen wird, meistern und wir wollen natürlich hier von Seiten des Parlaments, aber auch der anderen europäischen Institutionen versuchen, weiterhin nach Plan A zu arbeiten. Das bedeutet eben, dass die Griechen weiterhin in der Eurozone bleiben.
Heinemann: Und wenn nicht, welches Ausstiegsszenario befürworten Sie?
Balz: Na ja, wenn, dann müsste man sicherlich mit den Griechen reden, wie ein solches Szenario aussehen könnte. Da gibt es ja verschiedene Optionen und ich glaube, dass man dann lieber relativ zügig einen solchen Schritt machen müsste – mit Folgen, die natürlich für die Griechen wahrscheinlich deutlich schwerwiegender sein dürften als für den Rest der Eurozone.
Heinemann: Eine Möglichkeit hat ja Thomas Mayer entwickelt, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank: die Einführung eines Geuro, also eines Euro mit einem G davor, einer Art Schuldschein, der die Währung ersetzen könnte, so wie Argentinien es vor zehn Jahren vorgemacht hat, als der Peso vom Dollar entkoppelt wurde. Ist das ein gutes Rezept?
Balz: Na ja, das ist zumindest eine denkbare Variante, die ich persönlich ganz interessant finde, weil es ist ja auch nicht so, dass die Griechen in ihren Kellern und Tresoren quasi eine neue Währung sofort liegen haben. Das heißt, man müsste erst mal überlegen, wie man in einer Übergangszeit in der Tat eine dann neue Währung wieder (oder auch alte Währung von Griechenland, die Drachme) gestaltet. Insofern ist das sicherlich ein interessanter Vorschlag, den Thomas Mayer, ein wirklich ja hoch geschätzter Ökonom, hier gemacht hat.
Heinemann: Herr Balz, wie schwer wiegt in der gegenwärtigen Krise, dass Franzosen und Deutsche hörbar, jetzt im übertragenen politischen Sinne gemeint, eine unterschiedliche Sprache sprechen?
Balz: Na ja. Ich glaube, das wiegt nicht so schwer momentan. Frankreich befindet sich nach wie vor im Wahlkampf, die Präsidentschaftswahlen sind gelaufen, es gibt einen neuen sozialistischen Präsidenten mit Francois Hollande, aber es finden eben auch am 10. und 17. Juni noch Parlamentswahlen statt. Und dass dort natürlich ein neuer Präsident versucht, eben auch eine eigene Mehrheit dann im Parlament zu erreichen, das heißt eben auch, dass er bis dahin noch Akzente setzen muss. Ich glaube, dass Merkel und Hollande relativ schnell nach diesen Wahlen Mitte Juni zueinander finden werden, und wenn ein französischer Präsident nun hier auch sehr stark in Richtung Wachstumsstrategien geht, dann ist das sicherlich ein richtiger Ansatz und da wird man mit Deutschland auch drüber reden können.
Heinemann: Sie waren, Herr Balz, Mitglied des Sonderausschusses des Parlaments für Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise. Welches Element ist für Sie das bedrohlichste, die Finanz-, die Wirtschafts- oder die Sozialkrise?
Balz: Na ja, momentan, wenn ich ganz ehrlich bin, die Finanzkrise nach wie vor. Aber wenn man gerade auch in Richtung Griechenland schaut, oder auch Spanien, dann muss man immer mehr attestieren, dass diese Finanzkrise sich auch zu einer leider sehr, sehr starken Sozialkrise entwickelt hat und ausgewirkt hat, und da mache ich mir besondere Sorgen. Wenn man sieht, wie die Zustände mittlerweile gerade in diesen Ländern sind, dann muss man sicherlich fragen, was man gerade auch dort tun kann, um die Menschen wieder mitzunehmen, um die Menschen auch dementsprechend mit Arbeitsplätzen zu versorgen, damit sie auch von dem Einkommen, das sie dann haben, selbst leben können.
Heinemann: Burkhard Balz (CDU), Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Balz: Ja auf Wiederhören! Herzlichen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.