Das vielleicht Ungewöhnlichste an Gerrit Rietveld ist die Tatsache, dass er absolut kein Intellektueller war, sondern ein Handwerker, der alles aus dem Material heraus entwickelte. Schon mit elf Jahren ging er zum Vater in die Werkstatt, und als Schreinermeister stieß er während des ersten Weltkriegs zu der Künstlergruppe "De Stijl" um den ungemein innovativen, aber auch autoritär-despotischen Theo van Doesburg. Die Idee einer strengen geometrischen Abstraktion gefiel Rietveld sehr, aber im Gegensatz zu Doesburg war er überhaupt kein Ideologe.
Zum Beispiel: der berühmte rot-blaue Rietveld-Stuhl, den er in seiner Grundform 1917 zunächst aus naturbelassenem Holz entwickelte und 1923 dann in Schwarz und den Primärfarben wie ein in den Raum gespreiztes Mondrian-Gemälde ausführte, ist auf genial einfache Weise aus einem einzigen Brett hergestellt – das wird in Kanthölzer, Streben, Armlehnen und zwei größere Flächen zum Sitzen und Lehnen zerlegt und mit dem nunmehr berühmten Rietveld-Knoten per Dübel verbunden, eigentlich ein uralter Tischler-Trick. Aber auch angewandte, pragmatische Philosophie. Flächen in Raum verwandeln – das machte Rietveld später auch mit dem verblüffend simpel konstruierten Zickzack-Stuhl. Kuratorin Amelie Znidaric:
"Es war sein Wunsch, aus ganz schlichten einfachen Ebenen etwas Räumliches zu gestalten. Es war seine Vision, seine Idee, etwas zu nehmen und zu biegen und zu falten oder auseinanderzuschneiden und daraus dann einen Raum zu gestalten. Er hat die Revolution des Raums wirklich gestaltet. Er hat das gemacht!"
Das Versprechen, en Detail vorzuführen, wie hier einer aus Flächen immer neue, intelligente Raumlösungen schafft, als Baumeister und als Möbel-Designer, das löst die Ausstellung absolut ein. Man sieht zu Beginn natürlich den berühmten Stuhl, aber auch Seifenkisten-Autos und Kinderspielzeuge, die der junge Rietveld zusammenbastelte. Schon hier die Beschränkung auf die Grundfarben Rot, Gelb, Blau. Dann die stabförmigen Rietveld-Leuchten und, im Modell, das berühmte Utrechter Haus für die Anwaltswitwe Truus Schröder von 1924.
Rietveld hatte sich in Abendkursen Architektur angeeignet und entwarf für Schröder ein nicht nur geometrisiertes, sondern im Oberstock auch völlig offenes Haus, das die Funktionseinheiten aber streng scheidet und die Bewohner auf diese Weise diszipliniert. Das – und die aus wenigen Einheiten zusammengesetzten Möbel – ist natürlich das modernistische Gegenprogramm zu den aus lauter historischen Zitaten bestehenden Wohnkulturen der Jahrhundertwende, zu Neo-Gotik, Neo-Barock, Neo-Gemütlichkeit. Aber während die Kampfgenossen vom Bauhaus einfach ihr funktionalistisches Programm umsetzten, blieb Rietveld offen, experimentierte mit Schichtholz und Aluminium, entwarf asymmetrische Schränke und Stühle und arbeitete so an einer permanenten Umstrukturierung der Denkgewohnheiten. Und während Marcel Breuer seine Stahlrohrmöbel erfand (dieser Kontext wird auch gezeigt), werkelte Rietveld am Birza-Stuhl: vorgeschnittenes und eingeweichtes Spannholz wird aus einem Stück zum Möbel gebogen.
Das Revolutionäre an Rietveld aber ist, dass er seine Ideen quasi online stellte, den Leuten zugänglich machte: es gab verpackte Einzelteile mit Bauanleitung (wie heute bei IKEA), die man (anders als bei IKEA) neu zuschneiden und nach eigenen Bedürfnissen verändern konnte.
Amelie Znidaric: "Der Rietveld war da total offen. Der fand das großartig, wenn die Leute seine Möbel genommen haben und verbessert haben, an ihren eigenen Bedarf angepasst haben. Der hat das gemacht, was wir heute 'Open Design' nennen. Also er hat sein Design zur Verfügung gestellt."
Die Ausstellung dokumentiert ausführlich Rietvelds späten Ruhm, der 1951 mit der "de Stijl"-Ausstellung im Amsterdamer Stedelijk-Museum begann: in der Folge arbeitete Rietveld fast nur noch als Architekt, baute Ausstellungs-Pavillons und Kinderheime und kam immer wieder auf seine Lieblings-Idee des "Kernhauses" zurück - Küche, Bad, Treppe - , um das herum sich die Wohnräume nach Gutdünken gruppieren sollten. Kurz vor seinem Tod 1964 ging er noch mal back to the roots: der asymmetrisch aufgebaute Steltmann-Stuhl resümiert das Schaffen eines Designers, der aus Holzflächen, Stoffbahnen und Rohren Räume machte und der Moderne mit genialer Einfachheit zum Durchbruch verhalf.
Zum Beispiel: der berühmte rot-blaue Rietveld-Stuhl, den er in seiner Grundform 1917 zunächst aus naturbelassenem Holz entwickelte und 1923 dann in Schwarz und den Primärfarben wie ein in den Raum gespreiztes Mondrian-Gemälde ausführte, ist auf genial einfache Weise aus einem einzigen Brett hergestellt – das wird in Kanthölzer, Streben, Armlehnen und zwei größere Flächen zum Sitzen und Lehnen zerlegt und mit dem nunmehr berühmten Rietveld-Knoten per Dübel verbunden, eigentlich ein uralter Tischler-Trick. Aber auch angewandte, pragmatische Philosophie. Flächen in Raum verwandeln – das machte Rietveld später auch mit dem verblüffend simpel konstruierten Zickzack-Stuhl. Kuratorin Amelie Znidaric:
"Es war sein Wunsch, aus ganz schlichten einfachen Ebenen etwas Räumliches zu gestalten. Es war seine Vision, seine Idee, etwas zu nehmen und zu biegen und zu falten oder auseinanderzuschneiden und daraus dann einen Raum zu gestalten. Er hat die Revolution des Raums wirklich gestaltet. Er hat das gemacht!"
Das Versprechen, en Detail vorzuführen, wie hier einer aus Flächen immer neue, intelligente Raumlösungen schafft, als Baumeister und als Möbel-Designer, das löst die Ausstellung absolut ein. Man sieht zu Beginn natürlich den berühmten Stuhl, aber auch Seifenkisten-Autos und Kinderspielzeuge, die der junge Rietveld zusammenbastelte. Schon hier die Beschränkung auf die Grundfarben Rot, Gelb, Blau. Dann die stabförmigen Rietveld-Leuchten und, im Modell, das berühmte Utrechter Haus für die Anwaltswitwe Truus Schröder von 1924.
Rietveld hatte sich in Abendkursen Architektur angeeignet und entwarf für Schröder ein nicht nur geometrisiertes, sondern im Oberstock auch völlig offenes Haus, das die Funktionseinheiten aber streng scheidet und die Bewohner auf diese Weise diszipliniert. Das – und die aus wenigen Einheiten zusammengesetzten Möbel – ist natürlich das modernistische Gegenprogramm zu den aus lauter historischen Zitaten bestehenden Wohnkulturen der Jahrhundertwende, zu Neo-Gotik, Neo-Barock, Neo-Gemütlichkeit. Aber während die Kampfgenossen vom Bauhaus einfach ihr funktionalistisches Programm umsetzten, blieb Rietveld offen, experimentierte mit Schichtholz und Aluminium, entwarf asymmetrische Schränke und Stühle und arbeitete so an einer permanenten Umstrukturierung der Denkgewohnheiten. Und während Marcel Breuer seine Stahlrohrmöbel erfand (dieser Kontext wird auch gezeigt), werkelte Rietveld am Birza-Stuhl: vorgeschnittenes und eingeweichtes Spannholz wird aus einem Stück zum Möbel gebogen.
Das Revolutionäre an Rietveld aber ist, dass er seine Ideen quasi online stellte, den Leuten zugänglich machte: es gab verpackte Einzelteile mit Bauanleitung (wie heute bei IKEA), die man (anders als bei IKEA) neu zuschneiden und nach eigenen Bedürfnissen verändern konnte.
Amelie Znidaric: "Der Rietveld war da total offen. Der fand das großartig, wenn die Leute seine Möbel genommen haben und verbessert haben, an ihren eigenen Bedarf angepasst haben. Der hat das gemacht, was wir heute 'Open Design' nennen. Also er hat sein Design zur Verfügung gestellt."
Die Ausstellung dokumentiert ausführlich Rietvelds späten Ruhm, der 1951 mit der "de Stijl"-Ausstellung im Amsterdamer Stedelijk-Museum begann: in der Folge arbeitete Rietveld fast nur noch als Architekt, baute Ausstellungs-Pavillons und Kinderheime und kam immer wieder auf seine Lieblings-Idee des "Kernhauses" zurück - Küche, Bad, Treppe - , um das herum sich die Wohnräume nach Gutdünken gruppieren sollten. Kurz vor seinem Tod 1964 ging er noch mal back to the roots: der asymmetrisch aufgebaute Steltmann-Stuhl resümiert das Schaffen eines Designers, der aus Holzflächen, Stoffbahnen und Rohren Räume machte und der Moderne mit genialer Einfachheit zum Durchbruch verhalf.