In den Ballungsgebieten wird dringend mehr Wohnraum gebraucht, gleichzeitig ist Flächenversiegelung eine der größten Herausforderungen für die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz in Deutschland.
Durch die Bebauung staut sich im Sommer die Hitze in den Städten, gleichzeitig erhöht sich die Gefahr von Überschwemmungen durch Starkregen, weil das Wasser nicht versickern kann. Die Bundesregierung hat zwar Maßnahmen gegen den Flächenfraß eingeleitet, die ursprünglichen Ziele wurden bisher jedoch abgeschwächt. Wie ließen sich die Probleme eindämmen? Ein Überblick:
Wo stehen wir in Flächenverbrauch/Flächenversiegelung?
Die Ziele aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, den Flächenverbrauch zu reduzieren, rücken in immer weitere Ferne. Derzeit werden täglich 52 Hektar in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Die Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 sah vor, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar täglich zu reduzieren. Als 2016 absehbar war, dass das nicht zu schaffen ist, wurde beschlossen, dieses Ziel 2030 zu verschieben. Bis dahin soll der Verbrauch auf 30 Hektar reduziert werden. Bis 2050 soll keine Fläche mehr zu verbraucht werden. Das, so schätzen es Experten unter anderem des Umweltbundesamtes ein, ist nicht mehr zu schaffen.
Flächenverbrauch und Versiegelung ist dabei nicht dasselbe. Auch Parks, Friedhöfe und Gärten sind Siedlungs- und Verkehrsfläche aber kaum versiegelt. Allerdings steigt auch der Versiegelungsgrad an. Das Problem ist, dass es keine einheitliche Berechnung und demnach auch keine offiziellen Zahlen dazu gibt. Das Statistische Bundesamt arbeitet aber derzeit daran. Bei der Bund-Ländergruppe Bodenschutz hat man Satellitenaufnahmen ausgewertet, um den Versiegelungsgrad zu schätzen. Danach geht man von einer Zunahme der Versiegelung von 4,2 Prozent des Bodens im Jahr 2006 auf 5,2 im Jahr 2018 aus. Das entspricht im betrachteten Zeitraum einer Zunahme an versiegelter Fläche von über 3500 Quadratkilometern – das entspricht mehr als der Fläche der Länder Berlin und Saarland zusammen.
Welche Auswirkungen haben die zunehmend versiegelten Flächen?
Der Boden erfüllt sehr viele Funktionen, die durch die Versieglung eingeschränkt oder aufgehoben werden. Ein versiegelter Boden kann kein Wasser mehr aufnehmen, die Grundwasserneubildung wird behindert. Gleichzeitig bleibt gerade bei zunehmendem Starkregen mehr Wasser an der Oberfläche, es versickert nicht. Das begünstigt Hochwasser und verstärkt sie. Deshalb hat der Bundesverband der Versicherungswirtschaft mehrere Studien erstellt, um den Versiegelungsgrad der Kommunen zu ermitteln und so das Risiko für Hochwasser einzuschätzen. Daran können sich die Versicherer mit ihren Policen orientieren. Durch den Klimawandel wird das noch wichtiger, weil es mehr Starkregenereignisse geben wird.
Außerdem schränkt versiegelter Boden die Biodiversität ein, es können keine Tiere und Pflanzen darauf leben. Und: Versiegelter Boden erhöht im Sommer die Temperaturen in den Städten. Ludwigshafen hat einen sehr hohen Grad an Versiegelung, hier ist es an manchen Orten der Innenstadt in Sommernächten um bis zu acht Grad heißer als am Stadtrand.
Warum werden immer mehr Flächen versiegelt?
Gerade in den wachsenden Städten ist der Druck gewaltig. Die Mieten steigen immer weiter, deshalb sollen mehr Wohnungen gebaut werden, um das Angebot zu erhöhen. Dazu braucht man Flächen. Außerdem braucht die Wirtschaft Flächen für Hallen und Produktionsanlagen. Zwischen den Kommunen gibt es einen Wettbewerb um neue Bürgerinnen und Bürger und um die Unternehmen. Beides bringt Steuereinnahmen.
Deshalb weisen die Kommunen Bauland aus, auch im Außenbereich. Das sind meist landwirtschaftliche Flächen am Stadtrand, wo erst einmal einfach gebaut werden kann. Die Gebiete müssen nur erschlossen, also Strom und Wasser gelegt und an eine Straße angeschlossen werden. Allerdings gibt es auch Folgekosten, neue Bürger am Stadtrand brauchen auch Infrastruktur wie Kitas und Schulen. Daher ist nicht klar, ob sich das für die Kommunen immer rechnet.
Es gibt auch noch viele Flächen im Innenbereich, in den Städten, die erschlossen werden können. Brachen wie alte Fabrikareale zum Beispiel, die aber erst saniert werden müssen. Das kostet Geld. Die Potenziale sind aber da, eine Studie des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung hat fast 100.000 Hektar Bauland für zwei Millionen Wohnungen ermittelt.
Wie ist die Situation in den Kommunen?
Die Stadtplaner in den Städten stehen unter hohem Druck. Einerseits sollen sie das Stadtklima verbessern oder zumindest die steigenden Temperaturen abfedern und vor Hochwassern schützen. Andererseits gibt es Bedarf nach neuen Wohnungen und Gewerbe. Um die steigenden Temperaturen in der Stadt abzufedern, bedienen sie sich auch vieler kleinteiliger Maßnahmen: Es werden Gründächer gefördert, Hinterhöfe entsiegelt und Bäume in den Straßen gepflanzt. Bis Ende des Jahres soll der Bundestag eine Novelle des Baugesetzbuches beschließen, die den Kommunen mehr Freiheiten gibt. Allerdings gibt diese Novelle den Kommunen auch mehr Freiheiten, neues Bauland in den Außenbereichen auszuweisen, mit beschleunigten Verfahren. Im Umweltbundesamt geht man davon aus, dass der Flächenverbrauch dadurch zunimmt.
Welche Instrumente gibt es, den Flächenverbrauch einzuschränken?
Der Wettbewerb unter den Kommunen um neue Bürgerinnen und Bürger und neues Gewerbe wird von vielen als Hauptgrund für den Flächenverbrauch angeführt. Eine Maßnahme wäre, diesen Wettbewerb einzudämmen und die Kommunen in der Ausweisung von neuen Flächen einzuschränken. Dann würde der Bund verbindliche und einklagbare Ziele für den Flächenverbrauch vorgeben.
Zwei Möglichkeiten gäbe es, das durchzusetzen. Einmal über das Ordnungsrecht: Dann bekäme jede Gemeinde jedes Jahr eine feste Hektar-Größe zugeteilt, die sie pro Jahr neu ausweisen darf. Oder über Zertifikate, die dann zwischen den Gemeinden gehandelt werden können. Wer wenig Fläche verbraucht, kann die Zertifikate verkaufen und würde so für das Flächensparen belohnt werden. Außerdem gibt es die Forderung, die Regionalplanung zu stärken und besser zu planen, wo neue Bauflächen entstehen – in der Region oder auch im Land. Dann könnte neues Bauland gezielter eingesetzt werden, und läge nicht mehr in der Hand der einzelnen Kommune. Allerdings sind das alles Maßnahmen, die mit neuen bürokratischen Vorgaben verbunden wären. Die Tendenz geht - gerade im Baurecht - dahin, Bürokratie abzubauen - also eher in die entgegengesetzte Richtung.