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Fledermäuse
Gefühlvolle Flügel

Fledermäuse sind kuriose Tiere: Sie fliegen nicht mit Flügeln aus Federn, sondern aus Haut, und hängen am liebsten kopfüber in ihren Verstecken. Amerikanische Forscher haben nun versucht, eine weitere Besonderheit der Tiere zu verstehen: Ihr Gefühl für die Lüfte, das ihnen blitzschnelle Wendemanöver ermöglicht.

Von Haluka Maier-Borst |
    Fledermaus in Ghana.
    Fledermäuse sind so etwas wie die Abfangjäger des Tierreichs - wendig und vollausgestattet mit Hightech. (picture alliance / dpa / Foto: Florian Gloza-Rausch/uni Bonn/no)
    Flink und fast geräuschlos fliegen sie durch die Nacht. Fledermäuse sind damit so etwas wie die Abfangjäger des Tierreichs - wendig und vollausgestattet mit Hightech. Sie orientieren sich mithilfe von Ultraschall, nutzen eine eingebaute Kollisionsvermeidung. Und sie haben feine Tasthärchen an den Flügeln, die ihnen beim Fliegen helfen.
    "Vor einigen Jahren haben meine Kollegen Cynthia Moss und Susanne Sterbing-D'Angelo ein sehr cooles Experiment gemacht. Sie haben Fledermäusen die feinen Härchen mit einer speziellen Creme entfernt. Danach stellten sie fest dass die Fledermäuse auf anderen Bahnen flogen als vorher und manchmal regelrecht verwirrt waren. Die Fledermäuse schienen also auf den sensorischen Input ihrer Flügel angewiesen zu sein, um sich orientieren zu können."
    Einzigartiges Gefühl für die Lüfte
    Erklärt Ellen Lumpkin, Neurowissenschaftlerin an der Columbia University in New York. Sie wollte nun verstehen, wie genau diese Härchen funktionieren. Außerdem untersuchte Lumpkin, wie die Härchen mit anderen Nervenzellen im Flügel zusammenspielen, um den Fledermäusen ein einzigartiges Gefühl für die Lüfte zu geben.
    Zuerst machte Lumpkin dafür eine Art Bestandsaufnahme und schaute, welche Rezeptortypen in welchem Teil des Flügels zu finden waren. Als Zweites injizierte sie in das Nervensystem der Fledermäuse eine lumineszierende Markerlösung. Damit schaute sie, wie die Rezeptorzellen in den einzelnen Bereichen der Flügel verteilt sind. Zuletzt untersuchte Lumpkin, wie die zugehörigen Nervenstränge im Rückenmark zusammenliefen. Im Ergebnis entstand so eine Karte der Rezeptoren im Fledermausflügel.
    "Das Besondere an den Fledermausflügeln ist nicht, dass sie eine vollkommen neue Art von Nervenzellen haben. Sie haben Rezeptoren, die wir auch in anderen Tieren finden, aber sie sind auf eine ungewöhnliche Art und Weise kombiniert."
    Die Fledermaus als kurioser Hybrid
    Die Fledermaus ist, so erklärt es Lumpkin, ein kurioser Hybrid. Die schon erwähnten feinen Härchen an der Oberseite der Flügel ermöglichen es den Tieren Turbulenzen zu spüren. Außerdem finden sich auch sogenannte Merkel-Zellen, die uns Menschen in den Händen das Tastgefühl geben. Sie scheinen bei der Fledermaus eine ähnliche Funktion zu erfüllen. In den Fingerspitzen, die die Flügel aufspannen, helfen die Merkel-Zellen den Tieren, sich festzuhalten, zu jagen und sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. In der Flughaut zwischen den Fingern aber finden sich Rezeptoren, die man bei anderen Tieren nur ganz woanders findet.
    "Neben den Merkel-Zellen und den Haarrezeptoren fanden wir in den Fledermausflügeln sogenannte Endknoten, die sich bei anderen Tieren nur in dicken Hautpartien befinden. Sie wurden das erste Mal in der Schweineschnauze entdeckt. Bei der Fledermaus scheinen sie dem Tier Informationen darüber zu geben, ob es seine Flügelhaut mehr oder weniger anspannen muss. Und nach unserem Wissen ist es das erste Mal, dass diese Art von Rezeptoren in dünner behaarter Haut gefunden wurde."
    An der Struktur der Nervenzellen lässt sich aber noch mehr ablesen. Unter anderem auch die Erkenntnis, dass die Evolution sehr kreativ werden kann. Denn bei der Fledermaus spielen beim Flug Körperteile zusammen, die bei anderen Tieren wenig miteinander zu tun haben. Der Arm und das Hinterteil.