Archiv

Fledermäuse
Polarisiertes Licht für den inneren Kompass

Die Sterne, das Magnetfeld oder Landmarken: Das sind nur einige der Hilfen, die Tiere nutzen, um sich zu orientieren. Im vergangenen Jahr haben Forscher in einer Studie in "Nature Communications" beschrieben, dass das Große Mausohr - eine eher sesshafte Fledermausart - polarisiertes Licht nutzt, um den inneren Kompass einzustellen. Diese Studie hat ein Forscherteam nun exakt wiederholt - mit einer anderen, über weite Strecken wandernden Fledermausart. Die Ergebnisse waren überraschend.

Von Lennart Pyritz |
    Eine Wasserfledermaus hängt am Freitag (13.01.2012), während der Fledermauszählung, an einer Wand im Kellergewölbe der alten Brauerei in Frankfurt (Oder). Etwa 1500 Fledermäuse überwintern derzeit im Keller einer ehemaligen Brauerei.
    Eine Wasserfledermaus an der Wand eines Kellergewölbes (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Nicht nur die Ohren sind auffällig lang und breit – mit 40 Zentimetern Flügelspannweite ist das Große Mausohr insgesamt eine der größten europäischen Fledermausarten. Wie auch andere Fledermäuse nutzen sie neben Ultraschall auch das Magnetfeld der Erde um zu navigieren. 2014 entdeckten Forscher, dass die Mausohren ihren Magnetsinn bei Sonnenuntergang eichen: Und zwar mit Hilfe der Polarisation des Abendlichts, also der Schwingungsrichtung der Lichtwellen.
    "Das muss man sich vorstellen wie ein dunkles Band, was am Firmament von Nord nach Süd zu sehen wäre."
    Sagt Oliver Lindecke, Doktorand in der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Das polarisierte Licht hilft den Tieren Himmelsrichtungen zu bestimmen, ihren Magnetsinn also einzunorden. Große Mausohren gelten als eher ortstreue Art. Lindecke und seine Mitarbeiter – darunter ein Autor der Mausohr-Studie – nahmen sich nun eine andere Art vor: die Rauhautfledermaus. Die kleine Art fliegt weite Strecken zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren. Die Annahme der Forscher: Auch diese Fledermäuse nutzen das polarisierte Licht zum Kurshalten.
    "Wenn eine Art, die nicht wandert, das sehen kann, dann sollte das eine Art, die wandert – über viele tausende Kilometer –, wahrscheinlich tun. Und das wollten wir testen, ob die das so machen."
    Mit einer Trichternetzfalle fingen die Wissenschaftler 40 Rauhautfledermäuse auf den Dünen der lettischen Ostseeküste. Im August – und damit mitten in der Migrationsphase der Art. Dann testeten sie mit denselben Methoden wie in der Vorgängerstudie, ob die Tiere bei Sonnenuntergang polarisiertes Licht nutzen.
    "Dafür haben wir solche kleinen Kartons. Alle vier Seiten haben kleine Fenster drin, das sind im Grunde Folien, Polarisationsfilter. Und je nachdem wie ich jetzt – also das Tier ist in der Kiste – wie ich die Kiste auf den Sonnenuntergang ausrichte, kann ich das Tier entweder das normale polarisierte Licht sehen lassen, was am Himmelszelt stehen würde, oder 90 Grad gedreht."
    Kalibrieren die Rauhautfledermäuse ihren Magnetkompass wie das Große Mausohr, müssten die Tiere, die in der Box das gedrehte Licht wahrgenommen haben, beim Freilassen um 90 Grad versetzt wegfliegen.
    "Das heißt nicht mehr von Nord nach Süd, die Küste entlang, sondern von Ost nach West."
    Gegen Mitternacht entließen die Forscher die Fledermäuse auf einem Feld elf Kilometer landeinwärts. So sollte vermieden werden, dass diese sich sofort an Landmarken orientieren, etwa der Küstenlinie. Mit Hilfe kleiner Radiosender auf dem Rücken der Fledermäuse, konnten die Forscher deren Flugrichtung verfolgen. Das Ergebnis: Alle Tiere flogen nach Süden. Ob sie zuvor gedrehtem Licht ausgesetzt waren, machte keinen Unterschied. Die Rauhautfledermäuse müssen also zumindest während ihrer langen Wanderungen andere Navigationshilfen heranziehen. Landmarken könnten eine Rolle spielen, der Geruch von Meer und Flussläufen oder die Sterne. Auch der Effekt des Magnetfeldes ließe sich noch in weiteren Experimenten testen.
    "Da kann man Magnetspulen um die Tiere legen und kann auch das Magnetfeld, also das natürliche einstellen, das vor Ort herrscht. Und dann eins, das 90 Grad gedreht ist. Und wenn sie den Magnetkompass benutzen, dann sollten sie also 90 Grad vom normalen Weg abweichen. Oder, was den Geruch betrifft, könnte man versuchen, die Nase nicht invasiv zu manipulieren. Und dann schauen, ob die Tiere auf einmal in alle möglichen Richtungen wegfliegen, weil der Geruch so wichtig ist. Was die Sterne betrifft, da ist es leider so, dass man seit Jahrzehnten versucht, dafür ein Experiment zu entwickeln. Das klappt nur im Labor, aber im Feld draußen kann man das bisher nicht untersuchen."
    Einen für Fledermäuse typischen Orientierungssinn können die Wissenschaftler für die langen Wanderungen allerdings ausschließen: Die Echo-Ortung, die die Tiere zur Jagd einsetzen, funktioniert nur im Nahbereich bis zu einigen Dutzend Metern.