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Fledermaus fährt Flügel zum Hitler-Gruß aus

Tierdarstellungen spielen in der Kunst des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Das Sprengel Museum in Hannover zeigt viele Beispiele dafür und hat dabei auf seine Bestände zurückgegriffen.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Für Michelangelo, Dürer etwa, da sind Tierstudien, Zeichnungen und Kupferstiche von Vögeln und Hasen, Adlern und Eseln eine Selbstverständlichkeit gewesen. Die moderne Kunst, sie scheint sich indes von Bambi- oder Hirschmär verabschiedet zu haben. Oder vielleicht doch nicht? Gelbe Kühe und blaue Katzen, wie sie etwa Franz Marc oder Kandinsky malten, Tauben bei Picasso, das sind ja nicht nur geistige Wesen in der belebten Welt, die vielleicht am liebsten Debussy hören würden, wenn sie frei wählen könnten. Das Sprengel Museum Hannover zeigt unter dem Titel "Weiße Federn, schwarzes Fell. Tiere in Darstellungen des 20. Jahrhunderts".

    Christiane Vielhaber habe ich gefragt, wer hat denn so alles im 20. Jahrhundert Tiere gemalt?

    Christiane Vielhaber: Unglaublich viele – denken Sie nur an die Stierkampfszenen von Picasso, die ja nun mal sehr berühmt sind, Beckmann mit seiner Katze, Franz Marc mit den blauen Pferden, Ewald Mataré, der Plastiken mit seinen Kühen schaffte, ja selbst Beuys – und das ist das Lustige in dieser Ausstellung - hängt auch der Filzanzug. Und Filz ist ja aus Tierhaaren gemacht. Und dann sind wir beim Titel dieser Ausstellung: Das, was uns von den Tieren unterscheidet, sind eben Federn und Fell. Denn häufig ist es ja so, dass wir Tiere vermenschlichen oder in den Tieren etwas sehen, was wir sehen wollen, was uns ähnlich ist. Dieses Thema könnte ausufern, aber das Sprengel Museum hat Folgendes gemacht: Es hat auf seine Bestände zurückgegriffen und hat gesehen, wir haben zum Beispiel die Illustrationen von Chagall zu den Fabeln von La Fontaine, wir haben Beckmann, wir haben Campendonk und eben auch Beuys, zum Beispiel diese berühmte Robbe von Beuys oder die Hirschkuh.

    Das könnte alles reichen, aber das wäre dann nur 20. Jahrhundert, und dann hat man den Sprung gewagt in das 21. Und da sind Entdeckungen zu machen, Herr Köhler, zum Beispiel diese Katze Kitty, dieses Video von dem Künstlerduo Fischli-Weiss. Sie sehen eine Katze und die schleckt aus einer Untertasse Milch. Da geht dann mal was über den Rand und sie schleckt und schleckt sechs Minuten lang. Und Sie warten immer, dass was passiert. Und es passiert nichts. Dieser Film war in riesengroß auf dem Times Square in New York zwischen dieser ganzen Reklame und alle Leute haben gedacht, jetzt kommt gleich irgendwas, eine Werbung für Katzenfutter. Allein diese Katze schlecken zu sehen, und wie es über den Rand schwappt und wie sie dann ihr Maul mit der Zunge abschleckt, das ist unheimlich witzig.

    Dann ganz toll, von dem ich noch nie was gehört hatte, sind drei Filme von Jean Painlevé, der von 1902 bis 1982 gelebt hat. Von ihm sind die frühesten Unterwasserfilme, der eine von '31, der andere von '39 und der späteste, ein Farbfilm, von '72. Was sind das für Filme? Der erste Film handelt von Seepferdchen. Und ich meine: Was sind Seepferdchen? Wir sehen Seepferdchen zu, wie die sich zum Beispiel unterhaken, und dann denkt man immer, Mutter und Vater gehen jetzt Sonntags auf die Promenade, wenn die sich so unterhaken. Oder ein anderer Film von ihm – grauenhaft, aber wieder ganz toll – über Vampirfledermäuse. Und Sie sehen: Dann, wenn die Fledermäuse auf dem Boden hocken, haben die ja die Flügel angespannt. Dieser Film ist von '39. Und plötzlich fährt diese Fledermaus den einen Flügel heraus. Und dann haben Sie den Hitler-Gruß. Und das hat er natürlich ganz bewusst so gesehen und auch so gemeint, dass diese Fledermaus letztlich für die braune Gefahr steht, die nämlich alle Tiere anfrisst. Und das sehen wir auch.

    Köhler: Gibt es auch so etwas wie den Blick auf, ich nenne das Mal, das ferne Tier oder das kosmische Tier, vom Blauen Reiter bis zu Paul Klee?

    Vielhaber: Na ja, Paul Klee, das ist so eingebaut in eine Struktur. Das sind so Fabelwesen und der Blaue Reiter, da ist ja eigentlich das Tier eingebettet mit dem Menschen in ein harmonisches Zusammenleben und alles ist harmonisch. Hinreißend dann wieder so ein Kälbchen von Mataré aus Bronze. Und dann fehlen die Beine und dann haben Sie das Gefühl, ja liegt das jetzt irgendwo im Sumpf oder liegt das in einem Kornfeld. Und das ist wirklich eins mit der Natur und es ist auch gleichzeitig ein Handschmeichler. Dann aber auch so witzige Sachen wie zwei Löwen und eine Sphinx, die Dieter Roth aus Zucker gemacht hat, in Form gegossen. Und die funkeln jetzt, diese Zuckerkristalle, die glitzern und funkeln. Auch das hat Platz in dieser Ausstellung. Und das ist ja auch ein bisschen Ironie.

    Köhler: Sagt Christiane Vielhaber über Kälbchen, Hirschkühe, Katzen – Tierdarstellungen im Sprengel Museum Hannover.